
Könnte das mangelnde Interesse am Thema Tierschutz daran liegen, dass man damit kaum Wählerstimmen generieren kann?
Faktum ist, dass es in allen Wahlkampagnen nur einmal ein tierschutzrelevantes Poster gab. Es war für die EU-Wahl 2014 und kam von den Grünen, und es ging darum, dass ein Schwein vor der Schlachtung auch ein Leben gehabt haben soll. Es geht auch wahnsinnig wenig weiter. Die letzte relevante Entscheidung zum Tierschutz war 2012, als das Kastenstandverbot für die Schweine beschlossen wurde. Der echte, qualitative Fortschritt, den wir in der Nutztierhaltung je hatten, war 2004: Da fiel der einstimmige Beschluss, das Legebatterieverbot für Hühner einzuführen. Am 1. Jänner 2009 ist es in Kraft getreten.
Ich glaube, dass es unter den Wählern aller Parteien Menschen gibt, denen Tierschutz wichtig ist. Wenn im Parlament Agrarlobbyisten sind, müssen auch Tierschützer dort sitzen. Es braucht ein Gegengewicht.
Welche Forderungen sind für Jetzt am dringlichsten?
Daniela Holzinger von der Partei wird am 25. September zum dritten Mal drei Anträge einbringen: das Verbot von Vollspaltenböden für Schweine, das Verbot des betäubungslosen Ferkelkastrierens - momentan wird alle zwölf Sekunden ein männliches Ferkel ohne jede Betäubung kastriert, das sind höllische Schmerzen wegen sechs Euro Zusatzkosten pro Schwein - und das Verbot des Schredderns männlicher Eintagsküken. In Österreich werden jährlich mehr als neun Millionen männliche Küken direkt nach der Geburt vergast und kommen dann in den Häcksler.
In Ihrer philosophischen Dissertation fordern Sie für "alle Tiere inklusive der Menschen" die Grundrechte auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit. Für Insekten auch?
Unser Tierschutzgesetz trennt hier, die Mehrheit der Paragrafen gilt nur für Wirbeltiere und Kopffüßer. Ich würde aber lieber sagen, alle Tiere haben diese Grundrechte.
Bei Jetzt werden Sie aber nicht nur für den Tierschutz antreten - was wollen Sie für den Klimaschutz tun?
Laut dem aktuellen Sonderbericht des Weltklimarates IPCC wird mehr als ein Viertel der globalen Landfläche unseres Planeten als Weideland oder für den Anbau von Tierfutter genutzt. Die Fleischproduktion ist zu einem großen Teil für den CO2-Anstieg verantwortlich. Man sollte daher den Steuersatz von "normalem" Fleisch auf 20 Prozent anheben, während Biofleisch auf 10 Prozent bleiben kann. Das Problem ist, dass Fleisch zu billig ist. Wie soll man da tiergerecht und ökologisch verträglich produzieren, das ist praktisch unmöglich. In einem Wahlkampf über zusätzliche Steuern zu reden, ist immer tödlich, aber eine CO2-Steuer wäre auch sinnvoll. Also, dass man das, was einen höheren CO2-Beitrag leistet, höher besteuert. Dabei geht es um Verkehr, Konsum, Industrie. In Schweden gibt es seit 1991 eine solche Steuer. Wichtig ist, dabei an die Pendler zu denken. Der Bezirk oder der Staat sollte diese Steuer übernehmen, wenn der öffentliche Verkehr nicht gut genug ausgebaut ist. Die Milliarden Euro an Strafe, die Österreich bei Nichteinhaltung der Klimaziele drohen, könnte man zum Beispiel in thermische Sanierungen investieren.