An einem millionenteuren Wahlzuckerl im Pflegebereich kaut der Staat nach wie vor. Vor der Nationalratswahl 2017 wurde im Eiltempo die Abschaffung des Pflegeregresses im Parlament beschlossen. Damit gibt es seit Anfang 2018 keinen Zugriff mehr auf Vermögen der Bewohner von Pflegeheimen. Vom Bund wurden später Ländern und Gemeinden als Ersatz für Regresseinnahmen bis zu 240 Millionen Euro für 2018 zugestanden. Jetzt steht die Nationalratswahl vor der Tür. Erst in der Vorwoche sind im parlamentarischen Budgetausschuss die Weichen gestellt worden, dass die Mittel auch für 2019 und 2020 als Ersatz für den Pflegeregresses fließen.
Die Einzelmaßnahme 2017 hat Folgen. Hingegen ist die von der türkis-blauen Bundesregierung für diesen Herbst angekündigte umfassende Pflegereform dem Platzen der Koalition zum Opfer gefallen. Damit bleibt die Pflege für die neue Regierung ein Pflegefall. Jedenfalls ist die Lösung der Probleme aufgeschoben. Das betrifft die Finanzierung der steigenden Kosten ebenso wie die Frage, woher künftig genügend Pflegepersonal kommt.
Expertin: "Brauchen professionelle Pflegekräfte"

Nun ist knapp vor der Nationalratswahl das Thema Pflege wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt. Auslöser war der Vorstoß der ÖVP, wonach künftig an pflegende Angehörige ein Bonus bis zu 1500 Euro im Jahr ausbezahlt werden soll. Monika Riedel, Pflegeexpertin am Institut für Höhere Studien (IHS), macht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" kein Hehl daraus, dass sie einen punktuellen Vorschlag vor der Wahl nicht für besonders sinnvoll hält. "Ich würde lieber das Gesamtsystem anschauen", empfiehlt Riedel. Es solle in Ruhe durchdacht werden, ob das wirklich der beste Vorschlag sei. "Es darf halt nicht dazu verleiten, dass wir den pflegenden Angehörigen den vergleichsweise geringen Bonus geben und vergessen, dass wir eigentlich professionelle Pflegekräfte brauchen", warnt sie.
Wie auch andere Fachleute hält Riedel die Lösung des Personalproblems für wichtiger als die Frage der Finanzierung im Pflegebereich. "Das Geld pflegt ja niemanden", gibt Riedel zu bedenken. Laut Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) sind bis zum Jahr 2030 in der mobilen und stationären Pflege 24.000 Pflegekräfte zusätzlich notwendig. Basis des Berichts der Wifo-Experten Ulrike Famira-Mühlberger und Matthias Firgo war, dass es 2017 rund 63.000 Pflegekräfte gab. Bis 2050 wird laut dieser Wifo-Prognose sogar ein zusätzlicher Personalbedarf von 79.000 Pflegekräfte erwartet.