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Wie Ibiza die BVT-Affäre veränderte

Von Werner Reisinger

Politik

Rund 300 Seiten hat der Endbericht des U-Ausschusses zur Affäre rund um die Razzia im Verfassungsschutz. Auch die ÖVP spricht nun von einem "immensen Schaden". Doch das letzte Wort dürfte noch nicht gesprochen sein.


Es sei einer der erfolgreichsten Ausschüsse bisher gewesen, zumindest in diesem Punkt sind sich alle Fraktionen einig. Am 25. September steht der Abschlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Affäre rund um die Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf der Tagesordnung im Nationalrat. Schon im Laufe des Donnerstags soll der Endbericht auf der Homepage des Parlaments öffentlich einsehbar sein. Beim Pressebriefing im Parlament am Mittwoch wollte sich Verfahrensrichter Eduard Strauss zu diesem auf Nachfrage noch nicht äußern ("es ist wie bei Gericht, es gilt das gedruckte Wort").

Aus politischer Sicht bedeuteten die Ibiza-Affäre und das Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition eine entscheidende Wende für die Erzählungen der Parteien - vor allem für die ÖVP von Sebastian Kurz. Dessen Parteikollegin, ÖVP-Fraktionschefin Gabriela Schwarz, sprach vor den Journalisten von einem "immensen Schaden", den die Hausdurchsuchungen im BVT verursacht hätten, die Reputation des BVT sei schwer beschädigt - relativ neue Töne für die zuhörenden Journalisten, die zwar harte Fragen vom ehemaligen ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon im Laufe des Ausschusses gewohnt waren, allerdings auch immer mit einer rechtfertigenden Haltung des ÖVP-Chefs zu tun hatten.

Kurz sei nicht tätig geworden, als er von den Einschränkungen der Zusammenarbeit internationaler Partnerdienste mit dem BVT nach Bekanntwerden der Razzia erfahren hatte, warfen ihm die damaligen Oppositionsparteien SPÖ, Neos und Liste Jetzt bei seiner Befragung Ende Mai vor. Es habe "keinerlei Beweis" gegeben, "dass Kickl etwas Illegales gemacht hätte", rechtfertigte sich der ÖVP-Chef damals. Schwarz betonte am Mittwoch auch die fatale Tatsache, dass der Ex-FPÖ-Innenminister ein Geheimprojekt im BVT installierte, ohne dass davon die damalige Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, oder BVT-Chef Peter Gridling Kenntnis gehabt hätten.

SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer und sein Pendant bei den Neos, Stephanie Krisper, sehen Kickl neben seinen damaligen engsten Mitarbeiter nach wie vor als zentralen Drahtzieher der Aktion. Auch für Krainer ist das Aufdecken der "blauen Stasi, eines FPÖ-Geheimdiensts im Geheimdienst" ein zentrales Ergebnis der Arbeit im U-Ausschuss. Ähnlich wie Krainer auch Neos-Fraktionschefin Stephanie Krisper: "Kurz hatte sich als Kanzler verantwortungslos verhalten." Nun müsse die ÖVP "erstmals zugeben, dass die BVT-Partner nicht mehr mit uns kooperieren".

EGS entlastet, blaue BMI-Spitze schwer belastet

Für die ehemaligen Oppositionsparteien, ebenso für Peter Pilz von der Liste Jetzt, spielt die Frage nach einem "schwarzen Netzwerk" im BMI aber nach wie vor eine bedeutende Rolle - sie sehen die die Causa BVT mit der des Ibiza-Videos im Zusammenhang. Neos und auch Peter Pilz fordern deshalb im Herbst einen Ibiza-Untersuchungsausschuss, die SPÖ will vor allem die unvollendeten Vorhaben des BVT-Ausschusses in der neuen Legislaturperiode nachholen, sich aber ebenfalls auch Ibiza widmen. Es solle einen einstimmigen Beschluss geben. Die ÖVP aber gab sich zurückhaltend: Die Einsetzung eines U-Ausschusses sei ohnehin ein Minderheitenrecht, sagte Schwarz.

Wenig verändert hat sich die Argumentationslinie der FPÖ. Fraktionschef Hansjörg Jenewein sieht sich durch den Abschlussbericht bestätigt, dass der Einsatz der Einsatzgruppe EGS bei der Razzia in den Medien falsch dargestellt worden sei: "Viele Geschichten sind nicht bestätigt worden." Er betonte erneut, dass es die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gewesen sei, die die Razzia in die Wege geleitet hatte.

Details aus dem Abschlussbericht, die bereits am Dienstag zum "Kurier" durchgesickert waren, geben Jenewein nur teilweise recht. Zwar wird darin festgehalten, dass die EGS nur im Auftrag der Justiz gehandelt hätte, allerdings wird ausführlich betont, dass es massiven Druck aus Kickls Kabinett auf die ermittelnde Staatsanwältin Ursula Schmudermayer gegeben habe. Es könne "nicht von der Hand gewiesen werden, dass die Spitze des BMI versuchte, das Verfahren dahingehend zu beeinflussen, dass die WKStA mit gerichtlicher Bewilligung Hausdurchsuchungen im BVT durchführt", führt der Bericht aus. Grund dafür: die "Dichte und Art ihres Auftretens".

Ein "schwarzes Netzwerk" konnte konkret nicht nachgewiesen werden, wohl aber Hinweise auf einen Zusammenschluss von "ÖVP-nahen Personen". Auch von einem "Anschein von unsachlichen Postenbesetzungen" ist die Rede - wie berichtet, hatten mehrere Auskunftspersonen, darunter auch BVT-Chef Gridling selbst, die Qualifikation von im BVT eingestellten Personen eindeutig als nicht oder kaum ausreichend dargestellt und eine Parteibuchwirtschaft angedeutet. Die WKStA und vor allem Schmudermayer aber müssen sich im Bericht ebenfalls massive Kritik gefallen lassen. Von "Ermittlungsdrang zuungunsten von Objektivität" ist zu lesen.

Für Aufregung sorgt nebenbei auch der von Innenminister Wolfgang Peschorn veranlasste Abzug von Ex-BVT-Chef Gert-René Polli von dessen Posten in Spanien. Obwohl Polli die nötigen Qualifikationen fehlten, verschaffte ihm Kickl einen Job als eine Art "Verbindungsbeamter" in Spanien. Polli hatte die FPÖ bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP im Herbst 2017 beraten.

46 Sitzungen

102 medienöffentliche Befragungen

20 vertrauliche
Befragungen

88 Auskunftspersonen

340.000 Akten-Seiten

6 wiederholte
Aufforderungen zur Aktenvorlage

Fakten zum BVT-U-Ausschuss~