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Der Clinch um die Asylwerber in Lehre

Von Jan Michael Marchart

Politik

AMS-Chef Kopf will die 300 von Abschiebung bedrohten Lehrlinge mittels Rot-Weiß-Rot-Karte in Österreich behalten.


Für den Chef des Arbeitsmarktservice (AMS) Johannes Kopf ist der Fehler schon passiert. Auf der anderen Seite steht allerdings ein großes Aber. Ein offenes Asylverfahren und Zugang zum Arbeitsmarkt sei an sich ein Widerspruch, sagt Kopf. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass ein junger Lehrling aus Afghanistan einige Monate später negativ beschieden und abgeschoben wird. "Meines Erachtens sollte immer erst geklärt werden, ob jemand dableiben darf oder nicht, aber wenn Asylverfahren so lange dauern, wie sie bei uns gedauert haben, und teilweise noch immer dauern, dann ist es mir lieber, diese jungen Menschen haben einen Arbeitsmarktzugang als keinen", sagt Kopf. "Das lange Herumsitzen ist gerade für Jugendliche ganz schlecht." Das sei beim heimischen Nachwuchs nicht anders. "Mit 16 keine Aufgabe, Ausbildung und Funktion zu haben, ist eine Katastrophe."

Deshalb wurde eine überschaubare Zahl von derzeit 850 Asylwerbern zu einer Lehre zugelassen. Nach der geltenden Rechtslage ist das nicht mehr möglich.

Das seien aus Sicht des AMS-Chefs die "besonders Tüchtigen", die so schnell Deutsch gelernt hätten, dass schon als Asylwerber die Suche nach einer Lehrstelle erfolgreich war. Ihre Ausbildung machen sie nur in Mangelberufen, "wo sie keine Konkurrenz für einen Österreicher darstellen", sagt Kopf. Von den 850 Asylwerbern in Lehre arbeitet ziemlich genau die Hälfte in der Gastronomie. Viele auch in technischen Berufen. Noch dazu bräuchten sie die Betriebe, weil österreichweit genau dort Fachkräfte fehlten, sagt Kopf. Abgeschoben werden die Lehrlinge trotzdem - mitten in der Ausbildung. "Dafür gibt es kein Verständnis in der Bevölkerung", sagt Kopf.

Der AMS-Chef spricht sich dafür aus, dass diese Asylwerber - man schätzt, dass bis zu 300 von ihnen von Abschiebung bedroht sein könnten - ihre Ausbildung fertigmachen können sollen. "Wenn sie fertig ausgebildet sind, sollte man ihnen einen Wechsel auf die Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft ermöglichen", sagt er. "Aber das muss die Politik entscheiden." Derzeit ist die Beantragung des Arbeitsausweises für Jobmigranten aus Drittstaaten nur aus dem Ausland möglich.

Aufenthaltsdauer als Ermessensfrage

Laut Klaus Hofstätter von der Asylkoordination Österreich können die Pläne des AMS-Chefs schon jetzt im Rahmen des Asylverfahrens umgesetzt werden. Allerdings mit Hürden. Konkret geht das über das Humanitäre Bleiberecht (Artikel 8 der Menschenrechtskonvention Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens) und dem damit verbundenen einjährigen Status der "Aufenthaltsberechtigung plus".

Dieses Bleiberecht können grundsätzlich Personen erhalten, die weder Asyl nach der Genfer Flüchtlingskonvention, noch subsidiären Schutz zuerkannt bekommen. Gut integrierte Personen, die über der Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 425,70 Euro verdienen, können eine Aufenthaltsbewilligung plus erhalten. Die Einkommensschwelle ist beispielsweise für asylwerbende Kochlehrlinge erreichbar. Am Herd im Hotel-Gastgewerbe im ersten Jahr verdient man 760 Euro monatlich (Stand Mai 2019).

In der Praxis scheitert der Erhalt eines solchen Aufenthaltstitels laut Hofstätter aber oft an der zu kurzen Aufenthaltsdauer. Bei jungen Asylwerbern erfolgte der Sprung in den Arbeitsmarkt via Lehrstelle "zum Teil sehr rasch". Damit liegen zwar Integration und Einkommen vor, aber nicht fünf Jahre Aufenthalt, der in der Judikatur "als Richtschnur zur Beurteilung für diesen Titel herangezogen wird". Wenn sich jemand länger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten hat, "dann kann man ihn kaum noch zurückschieben", so Hofstätter. Fünf Jahre werden von den Gerichten immer als Grenze angegeben, die es zu erreichen gilt. Alles darunter sei eine juristische Ermessensfrage, die von den Gerichten zum Teil trotz guter Integration der Person sehr restriktiv gehandhabt werde.

Umso trüber werden die Aussichten daher für Asylwerber in Lehre auf die "Rot-Weiß-Rot-Karte plus". Diese kann nämlich erst nach einem Jahr im Anschluss an eine Aufenthaltsberechtigung ausgestellt werden.

Ex-Kanzler Kurz lehnt jegliche Lockerung ab

Ex-Kanzler Sebastian Kurz vertrat mit seinem ehemaligen Koalitionspartner FPÖ die Linie, dass Flüchtlinge mit negativem Bescheid ehestmöglich das Land verlassen sollen. Ende 2018 schaffte Türkis-Blau den Zugang für Asylwerber zur Lehre ab. Dieser war seit 2012 für Geflüchtete ohne positiven Asylstatus bis 25 Jahre erlaubt. Nun gibt es nur noch einen Lehrplatz für Asylberechtigte.

Inzwischen rückt ÖVP-Chef Sebastian Kurz von seinem restriktiven Kurs ein wenig ab. Die Lehre sollen Asylwerber nun zwar fertigmachen dürfen. Nach ihrer Lehrzeit steht den geflüchteten Fachkräften mit negativem Asylstatus trotzdem die Abschiebung bevor. Mit der abgeschlossenen Ausbildung könnten die Geflüchteten einen Beitrag zum Wiederaufbau ihres Landes leisten, meint die ÖVP.

Andererseits senkte Kurz gemeinsam mit den Freiheitlichen in der Regierung die Hürden für die mäßig funktionierende Rot-Weiß-Rot-Karte, um mehr qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten als Mittel gegen den Fachkräftemangel anzulocken. Eine zunächst angedachte Öffnung des Arbeitsausweises für Lehrlinge aus Nicht-EU-Ländern wurde letztendlich nicht umgesetzt.

Eine wirkliche Lockerung bei der Lehre für Asylwerber wird es seitens der ÖVP aber nicht geben. Der Idee von AMS-Chef-Kopf, Lehrlinge mit negativem Asylstatus mit der Rot-Weiß-Rot-Karte im Land zu behalten, kann die Volkspartei nichts abgewinnen. Ebenso lehnte Ex-Kanzler Kurz in einem ORF-"Wahlduell" am 18. September mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger die "3 plus 2"-Regelung aus Deutschland ab, wonach junge Asylwerber ihre Lehre fertigmachen und danach zwei Jahre im Betrieb bleiben dürfen. Nach dieser Zeit könne "gar niemand mehr außer Landes gebracht werden", sagte Kurz. "In Summe führt das dazu, dass wir als Land wieder extrem attraktiv werden, wo Flüchtlinge hingehen."

Bei der Nationalratssondersitzung am Donnerstag zum Thema Asylwerber in Lehre stimmte eine breite Mehrheit, aber ohne Stimmen der Freiheitlichen, für einen Entschließungsantrag von der freien Abgeordneten Alma Zadic und dem Neos-Abgeordneten Sepp Schellhorn, in dem Innenminister Wolfgang Peschorn aufgefordert wird, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass negativ beschiedene Asylwerber ihre Ausbildung abschließen können. In die selbe Kerbe stößt ein mehrheitlich angenommener Antrag der ÖVP.

Keine Zustimmung von der ÖVP gab es aber für einen Antrag der SPÖ, wonach geflüchtete Lehrlinge nach Abschluss ihrer Ausbildung wie auch von AMS-Chef Johannes Kopf gefordert eine Rot-Weiß-Rot-Karte im Inland beantragen können sollen. Dafür gab es auch keine Mehrheit im Nationalrat. Die FPÖ sagte zu allen Anträgen klar "Nein".