"Dazu gibt es einige Entscheidungen des VfGH, bei denen dieser gesagt hat, dass Selbstverwaltungsorgane aus der Mitte der Angehörigen des Selbstverwaltungskörpers gebildet werden müssen", heißt es vom VfGH. Den Antragstellern zufolge seien diese Angehörigen ausschließlich die Sozialversicherten - also die Dienstnehmer -, weshalb die Dienstgeber nicht im selben Ausmaß vertreten sein sollten.
Ein prominenter, ähnlicher Fall sei das Hauptverband Erkenntnis aus dem Jahr 2003, so der VfGH. Damals brachte die 63. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz jene Änderung mit sich, dass die Organe des Hauptverbandes durch die Sozialpartner gebildet werden sollten und nicht wie bisher aus der Mitte der Sozialversicherungsträger. Der VfGH hat diese neue Konstruktion der Gremien praktisch zur Gänze für verfassungswidrig erklärt.
In diesem Zusammenhang steht auch die Einführung eines Eignungstests vor der Aufsichtsbehörde für alle neu entsendeten Versichertenvertreter in der Kritik. Alle bereits entsendeten müssen diesen bis 2021 nachholen. Im Zuge des Tests werden etwa juristische und wirtschaftliche Kenntnisse abgefragt. Die Verfassung schreibt dem VfGH zufolge allerdings vor, dass Selbstverwaltungskörper oder deren Organe nach demokratischen Grundsätzen zu gestalten sind. Eine Prüfung spieße sich mit dem demokratischen Prinzip, so das Argument der Kritiker - wodurch man mit dieser gegen den Grundsatz der Selbstverwaltung verstoße. Es gibt dazu auch einen eigenen Antrag von 113 Dienstnehmern, die die Prüfung nachholen müssen.
Bei der Neuregelung der staatlichen Aufsicht über die Sozialversicherungsträger liegt laut VfGH die Besonderheit wiederum darin, dass die Aufsichtsbehörde berechtigt ist, Vertreter in Sitzungen der Sozialversicherungsorgane zu entsenden. Also Vertreter von Sozial- und Finanzministerium, die berechtigt sind, gegen Beschlüsse einzugreifen. "Sie können verhindern, dass Entscheidungen zustande kommen", so der VfGH - eine besonders heikle Situation, weil es um viel Geld geht und zum Beispiel die PVA auf staatliche Zuschüsse angewiesen ist. Eine relativ engmaschige staatliche Aufsicht über die Sozialversicherungsträger ist laut VfGH bereits seit 1947 vorgesehen.
Dass der VfGH noch in seiner aktuellen Session entscheiden wird, ist schon angesichts der Komplexität und des Umfangs des Falls nicht zu erwarten. Noch aus der Juni-Session stammt ein weiterer, in den Medien präsenter Fall, der vertagt wurde und nun weiter behandelt wird: jener des Sicherheitspakets. Basis ist ein von 61 SPÖ- und Neos-Nationalratsabgeordneten eingebrachter Drittelantrag. Diese versuchen, einige der neuen Überwachungsmöglichkeiten für die Polizei - etwa "Bundestrojaner" oder anlasslose automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen - zu Fall zu bringen. Sie sehen mehrere Grundrechte verletzt, vor allem das Recht auf Datenschutz und auf Achtung des Privatlebens.