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Druck auf Türkis-Grün im Bund steigt

Von Karl Ettinger und Martina Madner

Politik

Vorarlberg-Wahl stärkt Koalitionspartner im Land, für SPÖ und FPÖ ist sie kein Signal, in eine Bundesregierung zu gehen.


Vorarlberg hat gewählt - und schon stehen zwei der Wahlsieger wieder im Zentrum der Debatte: Die Vorarlberger Volkspartei konnte 43,6 Prozent für sich verbuchen, das ist ein Plus von 1,8 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2014. Die Grünen erreichten mit 18,8 Prozent nicht nur um 1,6 Prozentpunkte mehr, sondern ihr bestes Ergebnis der Geschichte.

Eine Koalition aus ÖVP und Grünen wurde also nicht nur bestätigt, beide Parteien gewannen dazu. Der Druck auf die Bundespolitik steigt nun damit, sich an ein solches Projekt auch auf Bundesebene zu wagen. Trotzdem bemühen sich Vertreter der beiden Parteien, den Blick auf das Besondere in Vorarlberg zu lenken.

Gilt der Auftrag nur fürs Land - oder auch für den Bund?

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sieht im ORF-Radio im "Vertrauenszuwachs" für beide Regierungsparteien "ein Stück weit einen Auftrag". Diesen Auftrag aber nimmt Wallner für sich und die Grünen im Bundesland als solchen wahr. Man spreche zwar mit allen Parteien, aber es sei "ein Gebot der Fairness" mit dem bisherigen Koalitionspartner Verhandlungen zu starten, die Chancen für eine Neuauflage stünden "nicht schlecht".

Auf eine mögliche türkis-grüne Koalition im Bund angesprochen, sagt Wallner aber: "Wir halten uns da bewusst zurück." Die Fragen im Bund, eine Steuerreform zum Beispiel, seien "herausfordernder"; die Grünen in Wien außerdem nicht jene in Vorarlberg. Auch deren Chef Johannes Rauch betonte die Vorarlberger Dimension des Ergebnisses, weil man am "historischen Wahlabend" erstmals Platz zwei erreicht hat. Außergewöhnlich sei auch, als kleinerer Regierungspartner zuzulegen. Die Voraussetzungen, die Koalition mit der Landes-ÖVP weiterzuführen, seien "sehr gut" - "Selbstläufer" sei sie aber keiner.

Genau diesen Selbstläufer sieht auch Werner Kogler für die türkis-grünen Koalitionssondierungen, die am Freitag fortgesetzt werden, auf Bundesebene nicht: Kogler nahm zwar zur Kenntnis, dass eine Regierungsbeteiligung nicht unbedingt ein Wahlminus für den kleineren Partner bedeutet. Nach dem Rückenwind für den Bund gefragt, schränkte Kogler ein: "Von Salzburg weg in Richtung Westen bezeichnet sich die ÖVP als schwarz." Er spricht von den christlich-sozialen Wurzeln, die in den Landesparteien stärker verankert sind: "Es ist dieser soziale Ansatz, mit dem sie uns näherstehen." Außerdem habe sich die ÖVP auf Landesebene selbst von der türkisen Variante im Bund abgegrenzt.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz gratulierte Wallner via Twitter "zu diesem großartigen Ergebnis". Als Gründe für den Erfolg nennt er landespezifische, "wichtige Projekte für die positive Entwicklung des Landes". Über Auswirkungen auf die Bundespolitik dagegen lässt er sich nicht aus.

Wobei, eine Parallele gibt es doch, und zwar bei den Wahlmotiven: Wie im Bund mit Kurz war auch in Vorarlberg Landeschef Wallner das wichtigste Motiv, der ÖVP die Stimme zu geben. Bei den Grünen ist sowohl im Bund wie im Land der Umwelt- und Klimaschutz das wichtigste Wahlmotiv.

Der Druck auf ÖVP und Grüne, im Bund eine Koalition zu bilden, erhöht sich noch aus einem anderen Grund. Weder bei der FPÖ, die in Vorarlberg klarer Wahlverlierer war, noch bei der SPÖ wird die Wahl als Zeichen für eine Regierungsbeteiligung gesehen. Die Neos konnten in Vorarlberg zwar um 1,6 auf 8,5 Prozent zulegen, spielen wie im Bund aber vorläufig keine entscheidende Rolle bei der Koalitionsfindung.

FPÖ konnte Wähler nicht mobilisieren

Die FPÖ erlebte in Vorarlberg einen Absturz um knapp zehn Prozentpunkte. Mit knapp 14 Prozent fielen die im Ländle traditionell starken Freiheitlichen damit sogar hinter die Grünen zurück. Für die Bundes-FPÖ ist das nach der Nationalratswahl die erneute Bestärkung, dass dies kein Auftrag für eine Regierungsbeteiligung ist.

Ein Hauptgrund für das blaue Debakel in Vorarlberg war wie bei der Nationalratswahl, dass die Spesenaffäre rund um Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache Wähler abgeschreckt hat. Insgesamt konnte die FPÖ in Vorarlberg nur 47 Prozent ihrer Wähler von 2014 erneut mobilisieren, wie das Sora-Institut für die ORF-Wählerstromanalyse ermittelt hat. Immerhin jeder vierte freiheitliche FPÖ-Wähler ist diesmal gar nicht zur Stimmabgabe gegangen.

Die Freiheitlichen in Vorarlberg haben lange Jahre mit einem betont wirtschaftsliberalen Kurs bis um die Jahrtausendwende eine Sonderrolle in der FPÖ eingenommen. Nach der Wahl 1999 waren sie mit 27,4 Prozent auf einem Höchststand. In der Zeit der Obmannschaft Straches ab 2005 segelte die Partei zunehmend auf der besonders restriktiven Bundeslinie gegen Zuwanderung. Das Thema Zuwanderung/Integration war auch unter dem jetzigen, neuen Spitzenkandidaten Christof Bitschi mit 68 Prozent das wichtigste Motiv für FPÖ-Wähler.

Hauptprofiteur war zwar wie im Bund die ÖVP: Tausende Wähler wanderten zu Wallner. Allerdings konnte die türkise ÖVP bundesweit bei der Nationalratswahl mit Kurz stärker vom Absturz der FPÖ profitieren. Das mag auch an einem Unterschied liegen: Wallner hatte im Gegensatz zu Kurz einer Zusammenarbeit mit der FPÖ von vorneherein eine Absage erteilt.

Für die Bundes-SPÖ bringt das Abschneiden bei der Landtagswahl ebenfalls keinen Rückenwind. SPÖ-Landeschef Martin Staudinger spricht zwar von einer "historischen Trendwende", weil man erstmals seit 2004 wieder zugelegt hat. Es wurde aber nur ein leichter Zuwachs. Das erklärte Ziel, die Zehn-Prozent-Marke zu überspringen, wurde verfehlt.

Für die zuletzt ausgerufene SPÖ-Erneuerung ist das Vorarlberg-Ergebnis ernüchternd: Nur fünf Prozent der jüngeren Wähler unter 30 Jahren haben laut Sora für die SPÖ gestimmt. Das war der niedrigste Wert aller im Landtag vertretenen Parteien, die Grünen lagen mit 32 Prozent vor der ÖVP mit 25 Prozent voran.

Steiermarkwahl überschattet die Koalitionssuche

Jedenfalls wird weiter mit einer langwierigen Suche nach einer neuen Bundesregierung gerechnet. Ob der Rückenwind zu einem Aufwind für ein türkis-grünes Bündnis kommt oder im Zuge der Gespräche im Bund abflaut, wird sich zeigen.

Schon die Landtagswahl in der Steiermark am 24. November verläuft unter anderen Voraussetzungen: Die ÖVP, die 2015 nur 28,5 Prozent der Stimmen erhielt, und die SPÖ mit 29,3 Prozent wollen beide Nummer eins in der Steiermark werden. Dass beide Koalitionsparteien wie in Vorarlberg zulegen, scheint wenig realistisch. Damit sich eine schwarz-grüne Partnerschaft ausginge, müssten auch die steirischen Grünen stark zulegen. Sie erzielten 6,7 Prozent.

Bleiben die Freiheitlichen mit Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek an der Parteispitze: Das steirische Ergebnis von 26,8 Prozent von 2015 scheint zwar aktuell kaum realistisch nochmals erreichbar. Eine schwarz-blaue Koalition in der Steiermark ist trotzdem im Bereich des Möglichen. Das würde etwaige schwarz-grüne Verhandlungen im Bund zwar nicht verunmöglichen, es wäre aber eine Belastung.