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Die Neos im Wartezimmer der Macht

Von Simon Rosner

Politik
© sommart - stock.adobe.com

Die Partei hat sich mehr als nur stabilisiert. Doch das Ur-Ziel des Mitregierens funktioniert noch nicht.


Über die Neos wird dieser Tage nicht gerade viel gesprochen. Das war im Sommer und den Monaten davor noch anders. Die Neos waren die auffälligste der drei Oppositionsparteien. Sie waren scharf, aber nicht blindlings hau-drauf, sondern konstruktiv und nicht zu polemisch. Das sorgte für Anerkennung weit über die Grenzen ihrer klassischen Wählerschichten hinaus. Das schlug sich auch in den Umfragedaten nieder. Nach Ibiza flogen diese zeitweise in die Zweistelligkeit.

Dann kam der Wahlkampf, in dessen Dynamik die Neos nicht mehr ganz so zur Geltung kamen wie in der parlamentarischen Auseinandersetzung mit der türkis-blauen Regierung. Beflügelt vom Klima-Thema zogen die Grünen am Wahlabend an den Neos vorbei. Und zwar so deutlich, dass es eine türkis-grüne Mehrheit im Nationalrat gibt. Das war kaum für möglich gehalten worden. Eine Regierungsbeteiligung der Neos ist damit kaum noch Thema - und damit irgendwie die gesamte Partei. Der öffentliche Fokus richtet sich seither auf die beiden großen Wahlgewinner und ihre mögliche Koalition, auf den Versuch Norbert Hofers, die Scherben der FPÖ einzusammeln und die Sinnsuche der Sozialdemokratie und deren Debatte, welcher Weg stimmt.

Dabei hatten auch die Neos bei der Nationalratswahl trotz geringerer Wahlbeteiligung die Zahl der Stimmen um 40 Prozent erhöhen können und fast drei Prozentpunkte dazugewonnen. Eigentlich ein deutlicher Erfolg. Und in Vorarlberg haben sie sogar mit 8,48 Prozent das beste Ergebnis in der noch jungen Parteigeschichte eingefahren, doch auch dort wird es keine Regierungsbeteiligung geben. Dabei wollten die Neos von ihrer Gründung an gestalten. "Wir wollen in die nächste Regierung", sagte Parteigründer Matthias Strolz einst beim Gründungskonvent 2012. Seither gab es 13 Wahlen in Bund und Ländern, das einstige Ziel ist nur einmal, in Salzburg, Realität geworden.

Eine gewisse Ambivalenz könnte man angesichts dessen schon nachvollziehen, doch die Freude der Pinken über die jüngsten Wahlergebnisse wirkt nicht gestellt. Vielleicht auch, weil die drei Wahlen in diesem Jahr gezeigt haben, dass die Neos eine bleibende Kraft sein dürften. Das Liberale Forum hatte einst die dritte Nationalratswahl als Parlamentspartei nicht überlebt. Und auch bei den Neos war es vor zwei Jahren knapp. "Es hätte damals auch anders ausgehen können", sagt Nick Donig, seit rund zwei Jahren Generalsekretär . Nach jener Wahl 2017 hatten die Neos strukturelle Änderungen vorgenommen. Offenbar haben sich diese bezahlt gemacht.

Die Schwierigkeiten der Anfangsphase

Die Neos waren von Beginn an ein sehr professionell aufgesetztes Projekt. Dass Gründer Matthias Strolz ein professioneller Organisationsentwickler ist, dürfte kein Nachteil gewesen sein. Als sich im Februar 2012 im Helenental 40 Veränderungswillige trafen, um das Projekt aufzusetzen, wurden mehrere Themengruppen installiert, eine davon beschäftigte sich nur mit der Organisation.

Das hat es davor in Österreich noch nie gegeben. Die Grünen waren aus heterogenen Bürgerinitiativen in einem recht holprigen Prozess entstanden. Das Liberale Forum war eine Abspaltung der FPÖ und das Team Stronach eine nicht wirklich gute Idee eines an weniger guten Ideen reichen Milliardärs.

Und doch zeigt auch der Weg der Neos, wie schwierig es ist, trotz aller Planung und Professionalität, langfristig im politischen System Fuß zu fassen. Ein Beispiel dafür: Am Tag nach dem doch Einzug in den Nationalrat 2013 stand die Partei ohne Mitarbeiter da. Alle Dienstverträge hatten mit dem Wahltag geendet.

Der Politikberater Feri Thierry war von Beginn an dabei und damals Bundesgeschäftsführer. "Unser Planungshorizont war in der Anfangsphase sechs Wochen", erzählt er. Das klingt nach Chaos, aber es ging eben nicht anders, auch finanziell nicht. Wäre der Einzug nicht gelungen, wie hätte man das für den Wahlkampf beschäftigte Personal monatelang weiter bezahlen können? Thierry zieht einen Vergleich: "Wir waren mit einem Produkt auf dem Markt, hatten dazu aber noch keine Organisation."

Erst danach konnten die Neos ihre Strukturen aufbauen. Aus völligen Banalitäten wurden in dieser Phase große Organisationsprojekte. "Die Bestellung eines Zeitungsabos hat 30 Schritte erfordert", sagt er. Wer darf einen Auftrag unterschreiben? Welchen Rechtsstatus hat die Partei? Das waren damals die Fragen, und täglich kamen weitere hinzu. "Es hat ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis wir Normalbetrieb hatten", sagt Thierry.

Der folgende Versuch, in die Landtage einzuziehen, glückte nur in Vorarlberg. Im Burgenland war das Scheitern noch einkalkuliert, in der Steiermark und Oberösterreich aber besonders schmerzhaft. Das hieß auch: Man blieb auf den Ausgaben sitzen: "Das hat auch die Möglichkeiten der Bundespartei dramatisch reduziert", sagt Donig. Eine der Langzeitfolgen war wohl auch das Zittern um den Wiedereinzug 2017.

Wichtige Weichenstellungen nach der Wahl 2017

Thierry verließ die Neos im Jahr davor, Ende 2016. Aus seiner Position wurden zwei. Robert Luschnik ist für das Organisatorische und die Finanzen verantwortlich, Donig für die Politik und die Kommunikationsstrategie. "Es gab in meinen fünf Jahren keinen Tag, an dem es keine Weiterentwicklung gab", sagt Thierry. Das ist wohl auch heute noch so, doch Donig kann auf einem gewissen Fundament aufbauen. Und auch budgetär ist mehr möglich, nachdem in Wien, Niederösterreich, Tirol und Salzburg der Einzug in die Landtage gelang.

Nach der Zitterwahl 2017 setzten die Neos dann erneut ein größeres Projekt auf. Seit dem Vorjahr gibt es in allen Bundesländern Landesgeschäftsführer, also auch dort, wo die Pinken nicht in den Landtagen sitzen. Das kann sich die Bundespartei mittlerweile leisten. "Wir haben auch das Daten- und Wissensmanagement professionalisiert", sagt Donig. Die Neos unterhalten mittlerweile auch ein kleines Marketingteam, um ständig kampagnenfähig zu sein, und Strolz setzte vor seinem Abschied noch ein Führungskräfteprogramm auf, um die pinken Politikerinnen und Politiker im Bereich Leadership weiter zu schulen.

Kommenden Monat gibt es die nächste Chance in der Steiermark, zudem stehen, inklusive Wien, 2020 vier Gemeinderatswahlen an. Niederösterreich im Jänner wird dabei ein Testlauf sein, weil es dort schon eine funktionierende Landespartei gibt, die im Landtag vertreten ist. Jede weitere Gemeinde, in der die Neos vertreten sind, ist eine weitere Absicherung für die Zukunft. Die jüngsten Ergebnisse, die den Neos auch im ländlichen Raum deutliche Zugewinne bescherten, stimmen die Partei zuversichtlich. Das ist wohl auch ein Grund, weshalb die Zufriedenheit im pinken Lager derzeit groß ist. Auch wenn es mit dem Regieren, wie von Strolz einst gewünscht, vorerst wohl nichts wird.