Im Jahr 1963 verabschiedete der Europarat einen Vertrag zur "Verringerung der Mehrstaatigkeit". Die Welt war damals eine andere. Die EU hieß EWG und umfasste sechs Mitglieder. Die Niederlassungsfreiheit innerhalb dieser Staatengemeinschaft war damals noch eine Utopie einiger weniger.

Seit 25 Jahren ist sie nun bereits Realität. Millionen haben sich seither in einem anderen EU-Land angesiedelt, und sei es nur vorübergehend zum Studium oder für eine temporäre Arbeitsstelle. Dass sich dadurch Mehrstaatigkeit von ganz alleine ergibt, liegt in der Natur der Sache. In der Regel wird die Staatsbürgerschaft in EU-Staaten "vererbt", daher ist etwa ein Kind einer verheirateten Österreicherin und eines Deutschen automatisch Österreicher - und Deutscher.
Aufregung um türkischstämmige Österreicher
Es ist daher wenig verwunderlich, dass immer mehr der einstigen Vertragspartner aus dem Übereinkommen zumindest teilweise ausstiegen. Nur Österreich und die Niederlande nicht. Diese beiden Länder sind international zu einer Minderheit geworden, wie der Politologe Rainer Bauböck sagt. Er forscht am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz.
Doppelstaatsbürgerschaft entsteht aber nicht nur bei Geburt, sondern auch, wenn eine fremde Staatsbürgerschaft erworben wird, ohne dass die ursprüngliche zurückgelegt werden muss. In immer mehr Ländern ist das möglich, auch Deutschland erlaubt dies innerhalb der EU-Staaten. Österreich nach wie vor nicht.
Und auch für im Ausland lebende Minderheiten ist die Doppelstaatsbürgerschaft ein Thema. In Österreich hat es dazu geführt, dass in umstrittenen (und teilweise revidierten) Entscheidungen türkischstämmigen Österreichern die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, da ihr Name auf einer jedenfalls erratischen Liste stand, wonach sie auch die türkische Staatsbürgerschaft hätten.
Nur 32 Länder sagen "Nein" zur Mehrstaatigkeit
Der Auslandsösterreicher-Weltbund hat nun eine Umfrage präsentiert, wonach rund 65 Prozent der im Ausland lebenden Österreicher ein Interesse daran hätten, die Staatsbürgerschaft jenes Landes anzunehmen, in dem sie leben - aber nur, wenn sie die österreichische nicht abgeben müssen. "Die Rückgabe ist das größte Hindernis", sagt Bauböck.
Für die Freizügigkeit in der EU stellt der restriktive Zugang zur Mehrstaatigkeit kaum ein Problem dar. Unionsbürger sind nach einigen Jahren des Aufenthalts rechtlich gleichgestellt. Demokratiepolitisch ist es ein wachsendes Thema, da durch die Migration innerhalb der EU immer mehr Menschen von demokratischer Partizipation in ihrem Wohnort ausgeschlossen sind. In Österreich sind dies 16, in Wien 30 Prozent.