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"Es braucht schon einen Wow-Effekt"

Von Simon Rosner

Politik
Maximilian Köllner ist mit nur 28 Jahren in der Bundespolitik angekommen.
© Simon Rosner

Maximilian Köllner ist erstmals in den Nationalrat gewählt worden. Zum Auftakt unserer Interview-Serie spricht der SPÖ-Mandatar über seine politische Sozialisation, die Probleme seiner Partei und die Chancen einer Regierungsbeteiligung.


Insgesamt 53 der 183 Abgeordneten haben in der vergangenen Woche erstmals die Gelöbnisformel aufgesagt. Bei der SPÖ waren dies neun Mandatare. Einer von ihnen ist Maximilian Köllner, gerade einmal 28 Jahre alt. Köllner kommt aus Illmitz im Burgenland, er hat in Wien Politikwissenschaft studiert und im Büro von Landeshauptmann Hans Niessl gearbeitet. Diesen beerbte er auch Anfang des Jahres als SPÖ-Bezirksvorsitzender im Bezirk Neusiedl am See. Im Burgenland (Land und Region) kam Köllner auf fast 10.000 Vorzugsstimmen.

"Wiener Zeitung": Sie haben es bereits mit 28 Jahren in den Nationalrat geschafft. Warum wollten Sie eigentlich so früh in die Bundespolitik?Maximilian Köllner: Bei mir hat das Engagement zuerst auf lokaler Ebene begonnen. Da sieht man unmittelbar Ergebnisse. Bei mir waren das zuerst Jugendprojekte, etwa ein Outdoor-Fitnesspark. Jetzt sind es andere Themen: Kindergartenzubau, Straßenbau, Siedlungsentwicklung. Da greift dann eines ins andere, und so interessiert man sich auch überregional. Bundespolitik war für mich aber schon immer spannend.

Ist die Bundespolitik nicht manchmal weit weg von der kommunalen Ebene?

Aber das ist ja gerade das Spannende. Ein Bürgermeister weiß um die vielen, verschiedenen kleinen Probleme, und er kann sie dann selbst auf die bundespolitische Agenda bringen. Ich bin auf kommunaler Ebene nach wie vor aktiv als Gemeindevorstand, Ortsparteivorsitzender und Bezirksvorsitzender. Das heißt, ich bin ständig in direktem Kontakt mit der Bevölkerung. Das hat wahrscheinlich auch zu meinem guten persönlichen Ergebnis beigetragen.

Sie haben ein Grundmandat im Wahlkreis erhalten. Was bedeutet das konkret für Ihre Arbeit im Nationalrat?

Ich fühle mich natürlich als Vertreter des Wahlkreises, man wird ja von den Menschen dort gewählt. Das mag unterschiedlich sein, wenn man über die Bundesliste einzieht. Es gibt regionale Themen, die eine Vertretung auf Bundesebene brauchen, wie etwa Raumplanung, Leerstand oder Ortskernentwicklung. Das sind Themen, die das Weinviertel oder das Nordburgenland genauso betreffen. Im Wahlkampf habe ich mich besonders dem Umweltthema und leistbarem Wohnen angenommen, das kann ich auch glaubwürdig vertreten.

Wie hat Ihr politisches Engagement begonnen?

Es ist schon so, dass ich aus sozialdemokratischem Haus bin. Mein Großvater war Vizebürgermeister. 2009 haben wir in Illmitz die Sozialistische Jugend (SJ) wiedergegründet. Das sind meist Freundeskreise, die dieselben Interessen haben und gerne Veranstaltungen organisieren. Das ist häufig der Einstieg. Wobei die SJ keine reine Veranstaltungs-Organisation ist wie die JVP. Es wird politisch gedacht. Sonst kann man ja gleich einen überparteilichen Jugendverein gründen. Das kritisiere ich auch an der JVP.

Aber bei der SJ gibt es offenbar auch unterschiedliche Zugänge. Die einen debattieren politisch-theoretisch, andere organisieren auf lokaler Ebene einen Outdoor-Fitnesspark.

In der SJ wird grundsätzlich immer politisch diskutiert. Aber wir suchen auch im Rahmen von Veranstaltungen das politische Gespräch. In geselliger Runde, bei Spritzer oder Bier, lässt sich oft leichter diskutieren.

Bei dem inhaltlichen Konflikt der SPÖ geht es unter anderem auch um einen unterschiedlichen Blick auf die Dinge. Wie dogmatisch darf man sein, wie pragmatisch muss man sein?

Man muss sich immer die Frage stellen: Kann ich den Menschen helfen, wenn ich in die Regierung gehe, oder ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich - zum Beispiel jetzt mit der ÖVP - nichts umsetzen kann.

Gerade junge, politisch Engagierte sind oft idealistischer und näher dem Dogmatismus. Sie machen eher einen pragmatischen Eindruck.

Man muss sich einfach anschauen, wo und wie man die besten, sachlichen Lösungen im Sinne der Menschen, und zwar der breiten Masse, finden kann. Im Burgenland hat man das etwa mit einem klaren Programm mit der FPÖ gefunden. Das heißt aber nicht, dass es in Zukunft so sein muss. Vielleicht gibt es andere Partner, mit denen man auf Augenhöhe ein Programm sachlich aus- und dann abarbeiten kann.

Können Sie sich mit den konkreten Erfahrungen aus dem Burgenland vorstellen, dass es mit der FPÖ auf Bundesebene auch geht?

In der jetzigen Konstellation sehr schwierig. Es gibt doch sehr viel Chaos. Ich bin aber nicht dafür, dass man demokratisch legitimierte Parteien kategorisch ausschließt, allein aus strategischen Gründen. Es war ein Problem, dass sich die SPÖ seit den 90er-Jahren in Geiselhaft der ÖVP begeben hat.

Dafür hat man aber regieren und gestalten können.

Aber es darf nicht nur um Posten und Ämter gehen. Und ich meine auch, dass man jetzt, mit 21,2 Prozent, nicht unbedingt in die Regierung drängen muss.

Das heißt, das Angebot der ÖVP muss schon sehr gut sein.

Wenn die Zusammenarbeit wirklich gut ist, man das Gefühl hat, auf Augenhöhe zu sein, bin auch für Regierungsverantwortung. Zurzeit sehe ich das nicht. Ich sage nur: 12-Stunden-Tag. Ausgeschlossen ist es aber nicht, da die ÖVP auch ein Problem haben wird, mit den Grünen und der FPÖ zusammenkommen. Ich glaube, dass uns große politische Coups mit der ÖVP oft gefehlt haben. Diese Politik der kleinen Kompromisse hat zwar für Stabilität gesorgt, um die uns viele Länder beneidet haben, aber die Menschen haben das zu wenig gespürt. Im Burgenland haben wir jetzt zum Beispiel einen Mindestlohn von 1700 Euro umgesetzt. Und pflegende Angehörige können angestellt werden. Das spüren die Leute.

Dann setzen Sie aber voraus, dass die Menschen der Politik dankbar sind und entsprechend wählen. Ist das so?Man muss den Leuten ständig etwas bieten. Ich habe im Wahlkampf oft gehört, was die SPÖ alles gemacht hat, die Schülerfreiheit, sämtliche soziale Errungenschaften. Aber das waren vor allem Pensionisten. Für die Jungen ist das alles selbstverständlich. Sie sind mit diesem Sozialsystem aufgewachsen. Ich gehe zum Arzt und zahle nichts, gehe auf die Uni, es gibt keine Studiengebühren. Und es hilft nicht, wenn ich erzähle, dass das alles die SPÖ war, wenn die jetzige Emotionslage eine andere ist, etwa Leute Angst haben, dass ihnen ein Ausländer den Arbeitsplatz wegnimmt. Auch wenn das gar nicht stimmt. Ich brauche aber eine klare Position zu den brennenden Themen. Wenn sich der politische Spin dreht, werden die Leute auch wieder sehen, was sie an der Sozialdemokratie haben.

Die SPÖ befindet sich in einem Erneuerungsprozess. Es wird auch viel darüber berichtet. Aber wie erklären Sie Wählern, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen, worum es da geht?

Es gibt in der SPÖ die Ortsparteien, die Bezirks- und Landesorganisationen und die Bundesorganisation. Wir müssen bei allen Ebenen ansehen, was "state of the art" ist. Ein Beispiel: Am Land, in den Ortsgruppen, geht man noch Zettel austragen und betreibt Mitgliederpflege. Der Bezirk muss das alles zusammenhalten und darauf achten, dass das funktioniert. Die Landespartei wiederum muss schauen, dass die Bezirksgruppen funktionieren. Genau das, von der untersten bis zur obersten Ebene, muss überprüft werden, wie man es in Zukunft organisiert.

Aber reicht es mit einer modernen Struktur?

Nein, es braucht schon einen gewissen Wow-Effekt. Wir müssen uns ernsthaft inhaltlich, strukturell und personell hinterfragen. Es muss spürbar sein, dass sich jetzt etwas getan hat. Man darf nicht das Gefühl bekommen, dass wir nur Phrasen dreschen und verschiedene Begriffe ausprobieren.

Also auch die "Neue Sozialdemokratie" so wie die "Neue Volkspartei"?

Es muss doch nicht immer ein neues Logo sein oder eine neue Parteifarbe. Das ist nicht so wichtig.

Aber es hat doch gut funktioniert bei der ÖVP, oder?

Ja natürlich, aber ich halte das aber für ein Wagnis. Die Farbe würde ich nicht überbewerten, aber Kurz hat es geschafft, einer alten Partei einen neuen Anstrich zu geben. Im Hintergrund hat sich aber nicht viel verändert. Was ist mit der ÖVP, wenn es Kurz politisch nicht mehr gibt? In der Politik kann es schnell gehen.

Dieses Interview ist der Auftakt einer kleinen Serie. In den nächsten Wochen sind an dieser Stelle Interviews mit Abgeordneten zu lesen, die erstmals in den Nationalrat gewählt wurden.