Zum Hauptinhalt springen

Gesammelt gegen Atomkraft

Von Petra Tempfer

Politik

Landesenergiereferenten formierten sich gegen den geplanten Ausbau der tschechischen AKW.


Der Schauplatz, an dem sich am Montag Österreichs Landesenergiereferenten trafen, hätte passender nicht sein können: Unter dem Vorsitz von Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) wurde im stillgelegten Atomkraftwerk (AKW) Zwentendorf unter anderem über Tschechiens Ausbaupläne der AKW Dukovany und Temelin diskutiert.

Fast auf den Tag genau vor 41 Jahren, am 5. November 1978, führte eine Volksabstimmung mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,47 Prozent zur Nicht-Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf. Noch im Dezember 1978 wurde das Atomsperrgesetz beschlossen. Seitdem dürfen in Österreich keine AKW ohne Volksabstimmung gebaut werden. Das AKW Zwentendorf verharrte nach Investitionen von rund einer Milliarde Euro in seiner Startposition. 2005 kaufte der niederösterreichische Energieversorger EVN den 50-prozentigen Anteil des Verbunds um 2,5 Millionen Euro und wurde damit zum alleinigen Eigentümer. Seit 2009 fließt hier sogar Energie: Solarmodule auf Dächern und Fassaden des AKW sowie auf dem 24 Hektar großen Areal liefern Strom für etwa 200 Haushalte pro Jahr. Zum Vergleich: Das AKW hätte bei einer Leistung von 730 Megawatt 1,8 Millionen Haushalte versorgt.

26 Prozent des Stroms der EU-Länder aus Atomenergie

"Das AKW Zwentendorf ist ein länder- und parteiübergreifendes Symbol gegen die Atomkraft", sagte Pernkopf unmittelbar nach dem Treffen. "Dieses ,Nein‘ haben wir heute bekräftigt. Und wir fordern auch von der EU ein klares Bekenntnis zum Atomausstieg." Europäische Mittel dürften nicht länger für den AKW-Ausbau genehmigt werden, und die Atomkraft dürfe nicht als Beitrag zum Klimaschutz geltend gemacht werden, sagte er.

Die Absage an die Atomkraft sei eine Ansage für die erneuerbaren Energien. "Bis 2030 soll der gesamte Strombedarf Österreichs aus erneuerbarer Energie gedeckt werden können", sagte Umweltministerin Maria Patek, die ebenfalls bei dem Treffen zu Gast war. Im Moment liege man bundesweit bei 75 Prozent. Bei der gesamten Energieversorgung liegt der Anteil der Erneuerbaren bei 30 Prozent. Der österreichische Energie- und Klimaplan, der am Montag in Begutachtung ging und bis Jahresende an die EU-Kommission übermittelt werden muss, sieht eine Erhöhung auf 46 bis 50 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 vor.

Europaweit kommen laut Patek derzeit nur 33 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Bei der Brutto-Endenergie sind es rund 18 Prozent. Die EU strebt eine Erhöhung dieses Anteils auf mindestens 32 Prozent bis 2030 an.

Ob das ohne Atomenergie funktionieren kann, ist allerdings fraglich. Noch immer stammen 26 Prozent des Stroms der EU-Länder aus Atomenergie. Nach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 entschieden sich viele Länder - etwa Deutschland - für den Atomausstieg. Frankreich, Großbritannien, aber auch die zentral- und osteuropäischen Staaten wie Polen, Bulgarien oder Ungarn treten indes vehement für die Subventionierung von Atomenergie ein. In Frankreich hat sie einen Anteil von mehr als 70 Prozent an der gesamten Stromproduktion.

Österreich ist eines von 14 EU-Staaten, in denen kein AKW in Betrieb ist. Die restlichen nutzen Atomkraft, insgesamt gibt es 126 Reaktoren - weltweit sind es 447 Reaktoren in 31 Ländern.

Vor allem die tschechischen AKW Dukovany und Temelin nimmt Österreich als Bedrohung wahr, ist doch Dukovany nur 35 Kilometer und Temelin 60 Kilometer von der Grenze entfernt. Dukovany sei "vielleicht Europas gefährlichstes AKW", sagt Christine Beschaner von der Wiener Plattform Atomkraftfrei. Bei den Stresstests habe es extrem schlecht abgeschnitten. Mehrere der mehr als 20 Reaktoren, die Österreich umgeben, gelten als hochriskant.

"Selbst wenn wir europäisches Recht brechen"

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis will den Bau neuer AKW-Blöcke dennoch mit allen Mitteln erreichen. "Wir müssen das durchsetzen, selbst wenn wir europäisches Recht brechen müssten", sagte er nach Angaben der Agentur CTK im Vormonat vor Abgeordneten in Prag. Die Sicherheit der Energieversorgung habe für Tschechien Priorität. Offen blieb allerdings, ob sich die Aussage auf die Prüfung der Umweltverträglichkeit, die Frage staatlicher Beihilfen oder andere EU-Vorgaben bezog.

In Temelin läuft im Oktober 2020 die Genehmigung für Block 1 aus, 2022 jene für Block 2. Geplant ist, die Reaktoren bis mindestens 2060 am Netz zu halten - und weitere zu bauen. Die Laufzeitverlängerung des AKW Temelin muss laut einem Gutachten der Linzer Johannes Kepler Universität im Auftrag des oberösterreichischen Umweltressorts jedoch eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchlaufen. Die Umweltrechts-Professorin Erika Wagner stützt sich in der Expertise auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Sommer, in dem es um die belgischen AKW Doel 1 und Doel 2 geht. Der EuGH erlaubt darin zwar, dass die Reaktoren vorerst weiterlaufen, betont aber, dass eine grenzüberschreitende UVP zwingend nötig sei. Damit sieht Wagner die Forderung nach einer solchen auch im Fall Temelin "auf rechtlich sehr sicherem Terrain".

Entscheidend für Österreichs Forderung, Atomenergie EU-weit nicht mehr zu subventionieren, könnte das Urteil im Fall des britischen AKW Hinkley Point C sein. Nachdem eine Klage Österreichs gegen Staatsbeihilfen für das AKW im Juli 2018 in erster Instanz abgewiesen worden war, geht Österreich in Berufung. Ein Urteil ist laut Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober heuer möglich.

Atomkraft ist jedenfalls teuer. Einer Studie über Alternativen zu fossilen Brennstoffen im Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft zufolge sind AKW sogar die teuersten Kraftwerke, die gebaut werden. Bei der Studie, die sich auf Großbritannien, Polen, Deutschland, Frankreich und Tschechien bezog, ging es um die Frage: Wie viel Energie kann mit verschiedenen Energieträgern um eine gegebene Summe Fördergeld erzeugt werden? Kleinwasserkraftwerke und Windanlagen am Festland hätten demnach die geringsten Kosten.