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Die Dimensionen der Casinos-Affäre

Von Daniel Bischof, Karl Ettinger und Jan Michael Marchart

Politik

Untersuchungsausschuss im Parlament rückt näher. Chats deuten auf weitere türkis-blaue Postenabsprachen.


Die Causa Casinos landet demnächst im Parlament: Spätestens am Donnerstag der kommenden Woche findet die von der SPÖ beantragte Sondersitzung dazu statt. Auch ein Untersuchungsausschuss wird wahrscheinlicher: Grünen-Chef Werner Kogler will nun mit der SPÖ und den Neos verhandeln. Ob dadurch die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP belastet werden könnten, lässt Kogler noch offen.

Die ÖVP will dem U-Ausschuss zustimmen, wenn dieser sich auch mit "SPÖ-Machenschaften" in der Casinos Austria AG und dem Ibiza-Video beschäftigt. Immerhin seien in dem Video mögliche Geschäfte mit Novomatic genannt worden, meinte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Laut FPÖ-Klubchef Herbert Kickl soll sich ein U-Ausschuss überhaupt mit Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen in den vergangenen zehn Jahre beschäftigen. Die FPÖ hat laut "Kurier" ihre für Dezember geplante Neustart-Klausur verschoben, weil sie neue Enthüllungen befürchtet.

Worum geht es in der Causa?

Im Mittelpunkt der Affäre steht der Bezirkspolitiker Peter Sidlo (FPÖ). Er wurde im Mai 2019 zum Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos Austria AG bestellt. Dabei sei es aber nicht mit rechten Dingen zugegangen, so der Vorwurf.

Der Glückspielkonzern Novomatic soll der FPÖ geholfen haben, den nicht dafür qualifizierten Sidlo in den Posten zu hieven. Das Unternehmen hält 17 Prozent an der Casinos Austria AG, die Republik 33 und die tschechische Sazka Gruppe 38 Prozent. Im Gegenzug sollen türkis-blaue Regierungspolitiker der Novomatic signalisiert haben, ihr künftig bei der Vergabe von Glücksspiellizenzen entgegenzukommen. Erhärten sich die Vorwürfe, drohen strafrechtliche Konsequenzen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führte bereits im August aufgrund einer anonymen Anzeige erste Hausdurchsuchungen durch.

Wer sind die Beteiligten?

Die ersten Durchsuchungen fanden bei Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, Peter Sidlo und Novomatic-Chef Harald Neumann statt. Auch Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ) und Novomatic-Eigentümer Johann Graf gerieten ins Visier der Ermittler.

Bei den Durchsuchungen wurden zahlreiche Daten, darunter Chatprotokolle, sichergestellt. Die WKStA sah darin belastendes Material und weitete die Ermittlungen aus. Am vergangenen Dienstag wurden weitere Hausdurchsuchungen durchgeführt. Einerseits bei der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖBAG, Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), seinem früheren Kabinettschef und nunmehrigen ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Andererseits auch bei Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und seinem Stellvertreter, dem früheren Finanzminister Josef Pröll (ÖVP).

Worauf stützen die Ermittler ihre Vorwürfe?

Unter anderem auf umfangreiche Chatprotokolle zwischen einigen der Beschuldigten, die "Falter" und "Presse" veröffentlichten. "Lieber Hartwig! Herzlichen Dank für deine Unterstützung bezüglich CASAG! Lg HC", schrieb beispielsweise Strache am 11. Februar an Löger, just an jenem Tag, an dem der politische Deal um Sidlo besiegelt worden sein soll. Der Finanzminister antwortete mit einem Daumen-hoch-Symbol.

Etwa einen Monat davor meldete sich Sidlo bei Strache, "dass sich Egon Zehnder (Headhunter) bei dir meldet bzgl. Referenz für mich. Dann erzähl ihm halt, wie toll ich bin". Strache erkundigte sich, was er diesem "beruflich erzählen soll". Sidlo listete dem Vizekanzler allerlei Managementqualitäten über sich auf. Strache drängte auch immer wieder auf eine Entscheidung. Löger fragte er: "Bezüglich Casino-Vorstand ist Peter Sidlo auf Schiene?" Auch an Novomatic-Chef Neumann erging eine ähnliche Anfrage.

Rothensteiner, Aufsichtsratschef der Casinos, war von Sidlos Eignung für den Job nicht überzeugt. "Sidlo angeschaut. Kann das eher nicht" hielt er in einer Notiz nach einem Bericht der Headhunter fest. Rothensteiner schrieb auch auf, dass Löger mit Novomatic-Eigentümer Graf konferiert habe, "der hat irgendeinen Hintergrund-Deal mit den Blauen. Daher ist Sidlo ein Muß. Alternativkandidat von Neumann gibt es nicht mehr, Graf will es nicht."

Löger, Novomatic-Eigentümer Graf und Neumann trafen einander laut "Falter" am 31. Jänner in Wien. Schmid fotografierte davor ein internes Dokument des Ministeriums ab und schickte es an Neumann. Darin ging es um die Casino-Lizenzen. "Das sagen die Experten bei uns - Gesetz für Entflechtung notwendig", schrieb der Kabinettschef.

Schon am 6. November 2017, drei Wochen nach der Nationalratswahl, kontaktierte Neumann seinen Pressesprecher Bernhard Krumpel. Neumann fragte, ob ein Treffen mit dem FPÖ-Abgeordneten Markus Tschank möglich sei, um etwas in die damals türkis-blauen Regierungsverhandlungen "einzubringen". Krumpel hielt Tschank für nicht zuständig, weil dieser den Medienbereich abdecke und nicht die Finanzen. "Egal, brauchen jemanden, der das Thema Kasinolizenzen einbringt!!", entgegnete Neumann.

Mit Tschank hatte die Novomatic da aber schon zu tun. Wie "profil" recherchierte, finanziert der Glücksspielkonzern seit 2018 Tschanks "Institut für Sicherheitspolitik" (ISP) mit 200.000 Euro für "definierte Leistungen im Bereich Security und Safety". Der Vertrag läuft bis 2020.

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Sponsoring und den Wünschen an die neue Regierung geben könnte. Am 20. November 2017 soll sich in Neumanns Kalender auch ein Termin "Markus Tschank" befinden, in dessen Details "Casinolizenzen" eingetragen worden sein soll.

Was sagen die Beschuldigten?

Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Strache betont, dass alles korrekt abgelaufen sei. "Grundsätzlich werden alle Vorwürfe von mir aufgeklärt und entkräftet werden", sagt er. Löger spricht von einem Missverständnis: "Es gab in keinster Weise eine Diskussion über Ämterbesetzung durch ÖVP und FPÖ." Einen Deal zwischen der FPÖ und Novomatic im Zusammenhang mit Lizenzen könne er nicht ausschließen, sagt Löger. Er könne aber für sich ausschließen, dass er in irgendeiner Form in behauptete Gegengeschäfte zu Sidlos Bestellung involviert gewesen sei.

Laut Novomatic stehen die Gespräche mit Tschank bezüglich seines Instituts und den Casinolizenzen in keinem Zusammenhang, weil Tschank dafür auch nicht zuständig gewesen sei. Das zeige sich gerade darin, dass das Glücksspielgesetz im Regierungsprogramm nur evaluiert werden sollte. Tschank war für die "Wiener Zeitung" nicht erreichbar.

Wie gelangten die Daten an die Öffentlichkeit?

In Medienberichten wurde spekuliert, dass die WKStA selbst die Daten an Medienvertreter weitergegeben habe. In einer Anzeige bei der WKStA äußert der ehemalige Richter Wolfgang Rauter den Verdacht des Amtsmissbrauchs nach §302 StGB.

Die WKStA wies diese Spekulationen am Montag in einer Stellungnahme entschieden zurück und sprach von "haltlosen Vorwürfen". Akteneinsicht besitzen auch die Beschuldigten und ihre Verteidiger als auch potenzielle Geschädigte der inkriminierten Handlungen. Weiters landen die Akten auch bei den Gerichten als auch bei der Oberstaatsanwaltschaft, der die Fachaufsicht über die WKStA obliegt.

Ist die Affäre über den Anlassfall hinaus bedeutend?

Die Auswertung der Daten deutet darauf hin, dass es bei mehreren staatsnahen Unternehmen zwischen ÖVP und FPÖ Postendeals gegeben hat. Als Indiz dienen Chatverläufe, über die die "Presse" berichtete. So etwa eine WhatsApp-Nachricht Straches vom März 2019 an Löger ("Lieber Hartwig!"). Demnach seien offenbar von Lögers Kabinettschef Schmid mit der FPÖ "für beide Seiten Vereinbarungen fixiert" worden. Wenn Schmid ÖBAG-Chef werde, sollten Aufsichtsrat-Neubesetzungen erfolgen, angeführt sind Post, OMV, Bundesimmobiliengesellschaft: "Alles andere wäre eine Provokation", schrieb Strache. In "euren Ressorts warten wir bis heute", schrieb Strache an den ÖVP-Finanzminister. Und weiter: "Ausgemacht war 2018/19. Das bitte sicherstellen und einhalten".

In einem Chat fordert der Ex-FPÖ-Chef, "alle Vereinbarungen" unter anderen mit Löger zu dokumentieren. Gleichzeitig beklagt er sich über den Ex-Bundeskanzler und ÖVP-Chef: "Kurz will davon nichts wissen und das geht nicht..." Gleichzeitig drohte er, man werde sonst "nirgendwo mehr" zustimmen, konkret bei der neuen Finanzmarktaufsicht.