Wien. Liam mag keine Erdäpfel. Er mochte sie noch nie. Bis vor kurzem wusste das aber niemand - weil der Neunjährige, der körperlich und sprachlich behindert ist, es niemandem sagen konnte. Erst seitdem er einen augengesteuerten Sprachcomputer hat, kann er sich mitteilen.
Technische Hilfsmittel wie diese zu bekommen, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Liams Mutter spricht von einem Spießrutenlauf von Behörde zu Behörde, bis das selbst ohne Software 6000 Euro teure Gerät finanziert wurde. Laut Hannes Schwabegger, der spastisch gelähmt ist und in der Beratungsstelle für technische Hilfsmittel "LIFEtool" arbeitet, wissen die meisten seiner Kunden nicht, wo sie sich mit Finanzierungsfragen hinwenden können. Die Möglichkeiten seien zudem je nach Bundesland sehr unterschiedlich, so Schwabegger. In Oberösterreich zum Beispiel sei eine Finanzierung zu je einem Drittel von Sozialministeriumservice, Sozialversicherung und Land möglich.
Zentrale Anlaufstelle fehlt
Die Diakonie fordert daher sowohl einen Rechtsanspruch auf technische Hilfsmittel für Menschen mit Sprachbehinderung als auch eine zentrale Anlaufstelle. Der offizielle Hilfsmittelkatalog des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger für assistierende Technologien stamme aus 1994, sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser am Montag anlässlich des Welttages der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember bei einem Hintergrundgespräch. Eine Zeit, in der es Sprachcomputer wie jenen, den Liam verwendet, noch gar nicht gab.
"Eigentlich ist das ein Skandal", so Moser - und vom Integrationsgedanken in Schule und Arbeitswelt meilenweit entfernt. Könnte man die Betroffenen dank technischer Hilfsmittel in den Arbeitsmarkt integrieren, wäre das zudem volkswirtschaftlich von Vorteil: Laut Diakonie sind 63.000 Menschen in Österreich in ihrer Kommunikation beeinträchtigt.
"Bringen wir die Menschen mit Behinderung nicht in die Gesellschaft, verlieren wir Potenzial", ergänzte Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender des Stromunternehmens Verbund, das Menschen mit Behinderung zu seinen Mitarbeitern zählt. Gemeinsam mit Moser und Schwabegger betonte Anzengruber, dass diese nicht Bittsteller sein dürften für Hilfsmittel, die sie für die Teilnahme an der Gesellschaft brauchen. Seit zehn Jahren springt der Verbund-Empowerment-Fund der Diakonie ein. Rund 6000 Betroffene wurden bisher bezüglich unterstützte Kommunikation und assistierende Technologien beraten. Zu den Schwerpunkten zählen Frühförderung und rasche, unbürokratische Hilfe.
Eine Frage der Kompetenzen
Tatsache ist, dass sich Österreich mit der 2008 ratifizierten UN-Behindertenkonvention zum gleichberechtigten Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung verpflichtet hat. Fakt ist auch, dass die UNO Österreich bereits kritisiert hat, dass nicht einmal genug Statistiken existieren. Dadurch, dass die Finanzierung assistierender Technologien in die Kompetenzen der Bundesländer fällt, seien die Betroffenen nicht einheitlich erfasst, sagt dazu Behindertenanwalt Hansjörg Hofer zur "Wiener Zeitung". Genau das mache auch einen Rechtsanspruch darauf schwierig.
Im Vorjahr hatte die Regierung angekündigt, dass ab Mitte 2019 zumindest die Anträge an einer einzigen Stelle eingebracht werden können - aufgrund der Neuwahlen im September liegt dieses Vorhaben jedoch auf Eis. "Die nächste Regierung könnte das jedenfalls schnell umsetzen", sagte Moser. "Die Vorarbeiten sind geleistet."