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Botschafterinnen der politischen Gleichberechtigung

Von Simon Rosner

Politik

Dem Bürgermeisteramt kommt eine besondere Wichtigkeit zu, darum waren am Mittwoch 110 Bürgermeisterinnen in der Hofburg zu Gast.


Die Warteschlange war lang, nämlich 110 Bürgermeisterinnen lang. Sie standen über drei Zimmer der Hofburg verteilt, um Doris Schmidauer und ihrem Ehemann, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, die Hand zu schütteln, ein Foto zu machen und für die Einladung zu danken. Es ist ja doch etwas Besonderes, in der Hofburg zu Gast zu sein.

Für die Einladung hatte die Hausherrin gesorgt. Denn Schmidauer wollte ein Zeichen setzen, sie wollte mit den Bürgermeisterinnen "ins Gespräch kommen" und Wertschätzung für ihre Arbeit ausdrücken. 177 Bürgermeisterinnen gibt es derzeit, 178 werden es in wenigen Wochen sein. Denn in Bad Ischl wird Sozialstadträtin Ines Schiller Bürgermeister Hannes Heide (beide SPÖ) nachfolgen, der künftig nur mehr EU-Parlamentarier sein wird. "Es ist noch viel Luft nach oben", sagte Schmidauer und verwies auf die Anzahl der Gemeinden: 2096. Österreich liegt mit einem Bürgermeisterinnen-Anteil von rund 8,5 Prozent in der EU relativ weit hinten. In Frankreich werden beispielsweise knapp 20 Prozent der Gemeinden von Frauen geleitet, in Deutschland sind es rund 10 Prozent.

Neue Rahmenbedingungenfür das Bürgermeisteramt

Der Gemeindebund hat vor einigen Jahren begonnen, sich diesem Thema zu widmen und die Förderung von Frauen offensiver anzugehen. Seit heuer hat er in Sonja Ottenbacher (Stuhlfelden) und Roswitha Glashüttner (Liezen) auch zwei Vizepräsidentinnen. Auch das war ein Zeichen. "Wir müssen aber auch andere Rahmenbedingungen überlegen", sagt Gemeindebundchef Alfred Riedl, selbst Bürgermeister in Grafenwörth. Zumal das Amt selbst zunehmend komplexer und zeitaufwendiger wird, sich die Rolle der Frauen in der Gesellschaft aber nicht im selben Tempo verändert. Familie, Beruf und daneben noch das Bürgermeisteramt? Das kann dann zu viel werden. Riedl will eine bessere soziale Absicherung, die Frage der Vergütung sowie Karenzregelungen diskutieren.

Ottenbacher, die für die ÖVP auch im Salzburger Landtag saß, verweist auf Rollenbilder und die "Macht des Wortes", wie sie sagt. "Der Bürgermeister ist im Sprachgebrauch männlich." Ihre Kollegin aus St. Valentin berichtet bei einer Fragerunde mit Schmidauer von Briefen, die an "Herrn Bürgermeister Kerstin Suchan-Mayr" adressiert sind. Wie den Reaktionen der Bürgermeisterinnen zu entnehmen war, sind derartige Briefe offenbar kein Einzelfall.

Interessant an den Erzählungen in der Hofburg war, dass sich Skepsis und Vorbehalte ("Und wer kümmert sich um die Kinder?") nach einiger Zeit zumindest zu einem wesentlichen Teil aufzulösen scheinen. Die Macht des Faktischen ist eben groß, worauf auch die Wahlergebnisse hindeuten. Bürgermeisterinnen werden in der Regel wiedergewählt.

"Müssen uns mehr ins Gespräch bringen"

Das macht die Vorbildfunktion dieses politischen Amts relevant. Es ist jene politische Spitzenposition, die am unmittelbarsten an den Menschen ist und daher vielleicht am wirkungsvollsten, Rollenbilder nachhaltig zu verändern. Und zwar vielleicht mehr als die in der Debatte öfter im Fokus stehende Postenverteilung zwischen Männern und Frauen innerhalb einer Bundesregierung.

Darauf deuten auch zwei Studien aus Italien und Norwegen bei Unternehmen hin, die bei Quotenregelungen auf höchster Ebene keine Streueffekte auf die unteren Führungsebenen fanden. Von oben nach unten sickert die Quote also kaum durch. Aber vielleicht von unten nach oben?

"Wir müssen uns mehr ins Gespräch bringen", sagt Suchan-Mayr aus St. Valentin. Stereotype Rollenbilder finden sich nämlich nicht nur bei Männern. Eine Folge davon: Frauen trauen es sich mitunter auch nicht oder nicht sofort zu, für ein Bürgermeisteramt zu kandidieren. "Mein erster Gedanke war auch: ,Ich kann das gar nicht’", sagt Brigitte Ribisch aus Laa an der Thaya. Sie entschied sich dann doch dafür. "Und es ist eine wunderbare und schöne Aufgabe."