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Strenge Kontrolle im Krankenstand

Von Karl Ettinger

Politik
© getty/sestovic

Gewerkschafter befürchten bei Kassenfusion Verschärfungen für Arbeitnehmer. Wirtschaft betont Kampf gegen Missbrauch, keine Meldung genauer Diagnosen.


Auf Österreichs Arbeitnehmer könnten strengere Regeln beim Krankenstand, speziell bei Missbrauchsverdacht, zukommen. Gewerkschafter befürchten jedenfalls Verschärfungen aufgrund eines Forderungspapiers der Wirtschaftskammer für die neue Krankenordnung der fusionierten Gesundheitskasse (ÖGK) ab 2020. Das Papier, das der "Wiener Zeitung" vorliegt, sieht vor, dass bei Missbrauchsverdacht der Arbeitgeber eine Prüfung des Gesundheitszustandes anordnen kann, Ortswechsel im Krankenstand müssen nicht bewilligt werden, voraussichtliche Dauer, Ursache und Ausgehzeiten sollen bei der Krankenstandsmeldung angegeben werden.

Die Wirtschaftskammer war am Mittwoch um Beruhigung bemüht. Es gehe darum, "Missbrauch einzudämmen". Es gehe "nicht um die Bekanntgabe von Diagnosen", wurde der "Wiener Zeitung" in einer Mitteilung versichert. Arbeitnehmer müssten demnach dem Dienstgeber nicht die genaue Krankheit melden.

Bezug von Krankengeldbis zu 78 Wochen

Fix ist, dass die neue Krankenordnung am kommenden Dienstag im Überleitungsausschuss der Gesundheitskasse beschlossen werden soll. Was tatsächlich fixiert wird, ist offen. Umgekehrt sind auf Betreiben der Arbeitnehmervertreter auch günstigere Regelungen vorgesehen. So soll im Krankheitsfall der Bezug von Krankengeld österreichweit einheitlich bis zu 78 Wochen statt bisher 52 Wochen möglich werden, wie das bisher in Oberösterreich gilt. Weiters werden die Richtlinien für die freiwilligen Unterstützungen in Form von Zuzahlungen etwa bei Prothesen oder Zahnkronen ab Jahresbeginn mit der Fusion der Gebietskrankenkassen vereinheitlicht.

Im Forderungspapier der Wirtschaftskammer geht es um strengere Kontrollen. So wird ausdrücklich verlangt, dass bei Missbrauchsverdacht künftig ein "Anspruch des Dienstgebers auf eine Prüfung des Gesundheitszustandes" des Arbeitnehmers geschaffen werden soll. Bisher haben Dienstgeber lediglich die Möglichkeit, die Durchführung einer solchen Kontrolle durch die Krankenkassen "anzuregen", wie als Begründung angeführt wird.

Eine strengere Regelung wünscht sich die Wirtschaftskammer für den Fall eines Ortswechsels während des Krankenstandes. Derzeit muss die Krankenkasse Arbeitnehmern einen Ortswechsel genehmigen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. Nach dem Forderungspapier soll aus einer Muss-Bestimmung künftig eine Kann-Bestimmung für die Kasse werden, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden.

Schließlich geht es in dem Forderungspapier um strengere Regeln bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber. Diese solle jedenfalls den Beginn des Krankenstandes, die voraussichtliche Dauer, die Ursache, die ärztlich angeordneten Ausgehzeiten sowie einen Hinweis auf die Folgen von deren Nichteinhaltung umfassen. Im Gesetz zur Entgeltfortzahlung im Krankenstand ist zwar vorgesehen, dass der Dienstnehmer eine Bestätigung über Beginn, voraussichtliche Dauer und Ursache vorlegen muss. Im Papier heißt es aber, die Praxis zeige, dass häufig die voraussichtliche Dauer nicht angegeben werde, was die Dienstgeber "mangels Planbarkeit unnötig belastet".

Von Gewerkschaftsseite wird befürchtet, dass damit künftig bei der Ursache auch die genau Krankheit anzugeben sei, nicht nur, ob es sich um eine Erkrankung oder einen Arbeitsunfall als Grund für die Arbeitsunfähigkeit handelt. Die Chefin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Barbara Teiber, sieht die Verschärfungen als "Generalverdacht" gegenüber Arbeitnehmern.

Dem widerspricht die Wirtschaftskammer vehement: "Es geht in keinster Weise um einen Generalverdacht und auch nicht um die Bekanntgabe von Diagnosen. Das widerspräche eindeutig der ärztlichen Schweigepflicht." Man gehe davon aus, dass auch die Gewerkschaft Interesse daran habe, dass Missbrauch von Krankenständen nicht toleriert wird. Es sei im Interesse aller Beteiligten, dass sich kranke Mitarbeiter auskurieren. Gleichzeitig ist es wichtig, Fairness sicherzustellen und Missbrauch einzudämmen - im Sinne aller BeitragszahlerInnen - sowohl auf Arbeitnehmer als auch auf Arbeitgeberseite.

"Keine Zustimmung zu Verschärfungen"

Gewerkschafter Andreas Huss, Arbeitnehmervertreter im Kassen-Überleitungsausschuss, kündigte der "Wiener Zeitung" an, man werde den Verschärfungen "nicht zustimmen". Auch ein Junktim mit Verbesserungen lehnt er ab: "Das lassen wir uns mit Sicherheit nicht gefallen."

Im Überleitungsausschuss (ÖGK) für die Arbeitnehmer haben Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer mit je sechs Sitzen eine Parität. Allerdings befürchten die fünf SPÖ-Arbeitnehmer eine 7:5-Mehrheit gegen sie, sollte der schwarze ÖAAB-Arbeitnehmervertreter mit den Arbeitgebervertreter stimmen. Bei Stimmengleichheit müsste das Sozialministerium entscheiden.