Zum Hauptinhalt springen

Frauenpolitische Aufträge für Türkis-Grün

Von Martina Madner

Politik

Noch steht die nächste Regierung nicht. Frauenministerin Ines Stillings Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention beinhaltet einige Aufträge für eine etwaige Nachfolgerin aus der Öko-Partei.


Eigentlich ist die Istanbul-Konvention in Österreich bereits seit August 2014 verbindlich in Kraft. Die Bundesregierung hat sich mit diesem Übereinkommen des Europarats verpflichtet, Gewalt gegen Frauen generell genauso wie in der Familie schon im Vorfeld zu verhindern und wenn sie auftritt zu bekämpfen.

Das Problem ist aber: Bei der Überprüfung der Umsetzung im Jahr 2016/17 durch zehn unabhängige Expertinnen und Experten, der sogenannten Grevio-Gruppe, stellte diese "bei einer Reihe von Punkten fest, dass Verbesserungen nötig sind, um eine umfassendere Umsetzung der Istanbul-Konvention zu gewährleisten". Kein gutes Zeugnis also, da "die politischen Maßnahmen Österreichs sowie die zur Verfügung gestellten Mittel nicht vollständig den Anforderungen eines umfassenden und koordinierten Ansatzes zur Prävention und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen entsprechen."

Die Grünen, die Abgeordnete Meri Disoski und einige ihrer Kolleginnen, nahmen dieses bescheidene Zeugnis und die Häufung an Frauenmorden in Österreich - 2018 waren es 41 und auch heuer sind es mittlerweile 34, "was sehr alarmierend ist", so Disoski - zum Anlass für eine parlamentarische Anfrage an Frauenministerin Ines Stilling.

Chronische Unterfinanzierung

Ihre Antwort liegt nun den Abgeordneten und der "Wiener Zeitung" vor. Stilling weist erneut darauf hin, dass das Budget für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung seit 2011 unverändert bei 10.150.000 Euro geblieben sei. Und: "Eine Erhöhung der für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung zur Verfügung gestellten Mittel in Höhe von mehreren Millionen Euro insbesondere zur Absicherung und für den Ausbau der Frauenservicestellen und spezifischen Gewaltschutzeinrichtungen halte ich für dringend notwendig", lautet der Appell der aktuellen Frauenministerin.

Aus Sicht der Bundesministerin ist eine Aufstockung des Frauenbudgets um vier Millionen Euro notwendig, um die Gewaltschutzeinrichtungen und deren Angebote aufrecht zu erhalten, heißt es auf Anfrage aus dem Ministerium." Das ist aber nicht alles: "Außerdem braucht es insgesamt mehr Mittel in verschiedenen Kompetenzbereichen - etwa im Sozial- und Bildungsbereich, aber auch in der Justiz und der Polizei. Meri Disoski will Stilling im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" aber keinen Vorwurf machen. "Die Antwort der Frauenministerin hat eine zentrale Aussage: die chronische Unterfinanzierung des Gewaltschutzbereichs." Das aktuelle Frauenbudget entspreche 0,013 Prozent des Gesamtbudgets.

Stilling habe sich für mehr Mittel stark gemacht, die erreichten Summen seien aber zu gering. Tatsächlich ist in der Anfrage von zusätzlichen 100.000 Euro mit Unterstützung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein für Gewaltprävention an Schulen sowie Prävention und Empowerment im Zusammenhang mit Zwangsheirat und FGM, also Genitalverstümmelung an Frauen, die Rede.

Disoski kritisiert vielmehr die zuletzt für Frauenpolitik Verantwortlichen: "Die letzte Regierung hat 44 Millionen Euro für Werbung und PR ausgegeben." Geld für das Frauenministerium und den Gewaltschutz wären vorhanden gewesen, umgeschichtet worden sei es nicht. "Jedes Mal mit Sprachlosigkeit und Betroffenheitsrhetorik nach einem Frauenmord zu reagieren, hilft den von Gewalt betroffenen Frauen nicht", richtet Disoski den früheren türkis-blauen Regierungsverantwortlichen aus.

Dass sich die Beantwortung der Anfrage sich auch wie Aufträge an eine künftige Regierung und Ministerin liest, sich damit möglicherweise an eine Frauenministerin aus Disoskis eigenen Reihen, also den Grünen richtet, will sie so nicht stehen lassen: "Wenn Sie sich das Datum der Anfrage (es war der 13.11., Anm.) und das, was die Grünen in den vergangenen 30 Jahren in Sachen Frauenpolitik gemacht haben, anschauen, sehen Sie, dass unsere Forderungen mit den Koalitionsverhandlungen und einem etwaigen Ministerium nichts zu tun haben."

Vorsichtig sagt sie, dass man noch nicht wisse, ob es die türkis-grüne Regierung geben wird. Und nachdrücklich: "Was wir dringend brauchen, ist eine Aufstockung der Mittel. Welche Farbe das Ministerium hat, ist zwar nicht egal, was den frauenpolitischen Einsatz anbelangt, aber für die Gewaltopfer und Opferschutzeinrichtungen unerheblich."

Kaum Geld für Prävention

Frauenministerin Stilling sagt, dass sie mit Umschichtungen innerhalb des Frauenbudgets die Lücke in der Versorgung mit spezialisierten Frauenberatungsstellen bei sexueller Gewalt mit Anstoßförderungen für das Burgenland, Kärnten Niederösterreich und Vorarlberg schließen konnte. Sie betont, das ohne Mittelkürzungen aus dem Frauenbudget bei anderen Einrichtungen erreicht zu haben. "Sämtliche Frauenservicestellen wurden 2019 in der Vorjahreshöhe weitergefördert" und "verfügen über Rahmenförderverträge bis 2022", heißt es in der Anfragebeantwortung.

Unter Frauen- und Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), die neue steirische Landesrätin für Gesundheit, Pflege und Bildung, wurden allerdings Mitte 2018 Mittel aus dem Familienbudget für Beratungseinrichtungen gekürzt. Neben Erziehungsproblemen, Scheidung oder Eltern-Kind-Problemen geht es dabei auch um das Thema Gewalt. Es ist Geld, das in der Beratung fehlt, die häufig auch präventiv wirkt.

Disoski fehlt Geld für Prävention, auch das Thema Gewalt im Netz sei unterbelichtet: "Für das Projekt mit der Antirassismusstelle Zara gibt es nur bis Mitte 2020 Geld. Dabei ist jedes dritte Mädchen und jede dritte Frau von Hass im Netz betroffen. "Im siebtreichsten Land der Welt müssen ausreichende Mittel für den Gewaltschutz und die Gewaltprävention eine Selbstverständlichkeit sein", sagt die Nationalratsabgeordnete.