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Pensionssplitting als Mittel gegen Altersarmut

Von Martina Madner

Politik
Mütter erledigen deutlich mehr unbezahlte Arbeit als Väter, das rächt sich in der Pension.
© Jacob Lund - stock.adobe.com

Eltern werden ihre Pensionsbeiträge während der Kindererziehung teilen - außer sie sagen bewusst nein dazu.


Martin Graf gehört zu einer ganz kleinen, nicht einmal 2000 Personen umfassenden Gruppe in Österreich. Nicht, weil er bei der Energie Steiermark AG als Vorstandsdirektor tätig ist; auch nicht als Vater einer Elfjährigen und eines Sechsjährigen, sondern weil er seine Pensionsansprüche mit seiner Ehefrau über das Pensionssplitting teilt.

Seit der Pensionsreform 2005 kann ein Elternteil mit höherem Einkommen sieben Jahre lang die Hälfte seiner Pensionsansprüche dem Pensionskonto des anderen Elternteils, der sich überwiegend der Kindererziehung widmet, gutschreiben lassen. Für Graf ist das "eine vernünftige Lösung in einer Partnerschaft". Seine Frau ist Krankenschwester, die beiden haben sich gemeinsam entschieden, dass sie mehr Zeit als er für die Kindererziehung aufwendet, deshalb war es für das Paar klar, später gemeinsam von den Pensionsansprüchen während dieser Zeit zu profitieren.

Obwohl sich das Pensionssplitting gerade bei großen Unterschieden bei den Ansprüchen später in der Pension lohnt, haben sich vom Start weg bis einschließlich 2018 insgesamt nur 1293 Elternpaare dafür entschieden.

Pensionssplittingist kaum bekannt

Auch 2019 wird es keinen Boom geben, bis Ende Oktober seien weitere 500 Anträge auf Pensionssplitting erledigt worden, heißt es seitens der Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Das sind zwar mehr als im Jahr davor, 2018 waren es 411. Im Verhältnis zu den gut 85.000 Geburten, die es in Österreich jährlich gibt, sind es allerdings wenige. Vor allem, weil sich die großen Einkommensunterschiede beim Jahreseinkommen von 37,3 Prozent, die es zwischen Frauen und Männern generell beim Jahreseinkommen gibt, zu einem nicht unerheblichen Teil durch lange Teilzeitphasen von Müttern erklären lassen. Die türkis-grüne Regierung plant, das zu ändern: Im Regierungsprogramm ist eine Reform des Pensionssplittings fixiert.

Ein Grund, warum sich Paare gegen das Aufteilen der Pensionsansprüche entscheiden, ist schlicht, dass dies auch im Falle einer Scheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Für Graf war das kein Problem: "Schließlich bliebe sie auch in so einem Fall weiterhin die Mutter meiner Kinder." Es gibt aber auch Fälle, in denen sich das Splitting tatsächlich kaum lohnt: Ist das Einkommen beider Elternteile bis zum Kalenderjahr, in dem das Kind seinen siebenten Geburtstag erreicht, in etwa gleich hoch, sind es auch später die Pensionsansprüche im Alter.

Ein weit häufigerer Grund aber ist, dass die dezenten Infokampagnenbemühungen von Politik und PVA bisher nicht bewirkten, dass Eltern über die Möglichkeit Bescheid wissen. Auch bei Graf war es reiner Zufall, dass er davon erfuhr - und zwar über Bekannte, die bei der PVA tätig waren.

Automatismus mit Opt-out-Möglichkeit

Im Kapitel des Regierungsprogramms, in dem es um den "Kampf gegen Altersarmut" geht, ist vermerkt, dass Türkis-Grün ein automatisches Pensionssplitting umsetzen will. Das bedeutet für Eltern aber kein Muss, denn in den fünf kurzen Eckpunkten, die die Reform des Modells konkretisieren, ist von einer einmaligen, zeitlich befristeten Opt-out-Möglichkeit die Rede. Entscheiden sich Eltern nicht gegen das Splitting, kommt es zur "Aufteilung der zusammengerechneten Beitragsgrundlagen beider Elternteile und Gutschrift auf dem jeweiligen Pensionskonto zu jeweils 50 Prozent". Bisher waren "bis zu 50 Prozent" möglich, es konnte auch ein kleinerer Teil sein.

Wie bisher soll auch das automatische Pensionssplitting auf Eltern gemeinsamer Kinder abzielen. Darüber hinaus soll es aber auch eine "praxistaugliche und faire Lösung für Patchwork-Familien" geben.

Geplant ist, das Splitting vom siebenten bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahrs des Kindes auszuweiten. Allerdings sollen Kindererziehungszeiten künftig ausgenommen werden. Damit dürften die ersten vier Jahre gemeint sein, während derer dem Elternteil, der das Kind überwiegend erzieht, Pensionsbeiträge in der Höhe eines fiktiven Einkommens von rund 1900 Euro gutgeschrieben werden.

Neben dem automatischen Pensionssplitting ist im Programm auch ein freiwilliges vermerkt, für jede Form von Partnerschaft, offenbar auch für solche ohne Kinder, da diese nicht eigens erwähnt sind. Das freiwillige Pensionssplitting sollen Paare übrigens jederzeit beenden können.

Türkiser Aspektmit grünen Ergänzungen

Das Reformvorhaben hat übrigens türkise Wurzeln, es ist bereits bei den 100 Projekten des ÖVP-Wahlprogramms beschrieben und soll, wie es dort heißt, "Gehaltseinbußen durch Teilzeitarbeit besser ausgleichen". Die Volkspartei prophezeite da: "Diese Maßnahme wird einen nachhaltig positiven Effekt im Kampf gegen die Altersarmut von Frauen haben." Patchwork-Familien und freiwilliges Pensionssplitting waren da noch nicht erwähnt.

Das grüne Wahlprogramm ging nicht auf das Pensionssplitting ein. Zur Bekämpfung von Frauenarmut im Alter plädierten die Grünen für eine "aus Steuern finanzierte, existenzsichernde Grundpension von circa 900 Euro", die durch die Versicherungspension erhöht wird. Darüber hinaus ging es mehr um Maßnahmen gegen Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern. Die Grünen forderten "Lohnerhöhungen in den niedrig bezahlten ‚Frauenbranchen‘", einen Mindestlohn von 1750 Euro brutto, "eine Modernisierung der Arbeitsbewertung in den Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen, Mindestarbeitszeitregelungen bei Teilzeit sowie eine Kopplung öffentlicher Auftragsvergaben an die Frauenförderung in Unternehmen als Maßnahmen gegen Altersarmut".

Pensionssplitting alleine ist zu wenig gegen Altersarmut

Daraus wurden im Verhandlungsergebnis, dem Regierungsprogramm "Anreize", die man "setzen und fördern" wolle, "die zu einer partnerschaftlicheren Aufteilung der Arbeitszeit zwischen beiden Elternteilen führen"; eine Infokampagne zu den Konsequenzen von Teilzeitarbeit und fehlenden Beitragsjahren mit Pensions- und Teilzeitrechner; Weiterbildungsmaßnahmen auch in Teilzeit oder Frauenförderung - nicht nur in technischen Berufen, auch im Kapitel zur Polizei ist das erwähnt.

Für Klaudia Frieben, Bundesfrauenvorsitzende der Gewerkschaft ProGe, reichen das und mehr Pensionssplitting allerdings nicht aus, um der Alterarmut von Frauen vorzubeugen. Mit durchschnittlich 749 Euro Alterspension erhielten Arbeiterinnen heute "erschreckend niedrige Pensionen", weit weniger als die 1286 Euro ihrer männlichen Kollegen. Die ProGe fordert daher, wieder die 15 besten Jahre Erwerbsarbeit statt der heutigen 40 als Bemessungsgrundlage für die Pension heranzuziehen.

PVA-Generaldirektor Winfried Pinggera stellt jedenfalls fest, dass lange Teilzeitphasen und damit ein niedriges Einkommen die Hauptursache für Kleinstpensionen später sind. Die Umverteilung der Ansprüche über das Pensionssplitting sei deshalb eine Teillösung. Einem deutlich Aufkommen an Splittenden durch die Reform sieht Pinggera jedenfalls gelassen entgegen: "Sobald das Gesetz da ist, wird das Modell natürlich einen Turbo erhalten. Das wird herausfordernd für uns, es ist aber nicht unmöglich."

Für den Staat jedenfalls bedeutet das Pensionssplitting kaum Mehrausgaben, höchstens etwas mehr Verwaltung und bei manchen Paaren etwas weniger an Steuereinnahmen in der Pension. Schließlich handelt es sich sowohl beim automatischen als auch beim freiwilligen Pensionssplitting um eine Umverteilung der Beiträge eines Paares.