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Kurz könnte von Wiener Neustadt lernen

Von Karl Ettinger

Politik

ÖVP-Bürgermeister Schneeberger hatte fünf Jahre eine "bunte" Allianz mit FPÖ und Grünen hinter sich. Insgesamt wird am 26. Jänner in 567 Gemeinden Niederösterreichs gewählt.


"Bei mir war es schon schwierig mit einem Koalitionspartner." Der eben als Bundeskanzler angelobte ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz spielte scherzhaft darauf an, dass 2017 die Regierung mit der SPÖ und im vergangenen Mai mit der FPÖ zerbrochen ist. Fast neidisch musste er daher am Dienstagabend beim ÖVP-Wahlauftakt in Wiener Neustadt auf ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger in der Stadt in Süd-Niederösterreich sein. Schneeberger hat nach der Gemeinderatswahl 2015 mit der ÖVP als zweitstärkster Partei nach 70 Jahren roter Vorherrschaft die geschrumpfte, aber noch auf Platz eins liegende SPÖ aus dem Bürgermeisteramt verdrängt. Mit einem Bündnis der ÖVP mit FPÖ und Grünen und zwei Bürgerlisten. "Bunte Regierung" wurde das dann genannt. Die möchte Schneeberger nach der Gemeinderatswahl heuer am 26. Jänner mit der ÖVP als stärkster Kraft fortsetzen.

In der Landeshauptstadt wird nicht gewählt

Nicht nur im Burgenland, wo die Landtagswahl geschlagen wird, sondern auch in 567 der 573 niederösterreichischen Gemeinden wird gewählt. Dort sind immerhin 1,459.072 Wahlberechtigte am 26. Jänner aufgerufen, ihre Gemeinderäte neu zu bestellen. Während im benachbarten Burgenland Hans Peter Doskozil als Landeshauptmann für die SPÖ bei der Landtagswahl um die Vormacht kämpft, ist Wiener Neustadt die größte Stadt bei den blau-gelben Kommunalwahlen. Denn in St. Pölten und Krems wird wie in Waidhofen an der Ybbs oder in Stockerau an einem anderen Termin gewählt. Die einstige nunmehr ramponierte Hochburg der Sozialdemokraten im Industrieviertel tut sich mit Spitzenkandidatin Margarete Sitz noch immer schwer, nach dem Ende der Ära der SPÖ-Bürgermeister in Wiener Neustadt politisch wieder Tritt zu fassen.

Wie wichtig der ÖVP das Halten des Bürgermeisteramts in der Stadt der Militärakademie ist, zeigt der Umstand, dass Kurz neben Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner nur Stunden nach seiner Rückkehr in das Bundeskanzleramt in die Arena Nova zur Unterstützung von Schneeberger zu rund 800 Funktionären und Sympathisanten angereist ist. Die Aussichten der ÖVP sind gut. Aber der Bundeskanzler warnt dennoch in einem gemeinsamen Auftritt mit Mikl-Leitner, die vor Jahren seine Chefin als Innenministerin war: "Passt’s a bisserl auf. Grad wenn die Stimmung eine so gute ist."

2016 war die Stadt beinahe zahlungsunfähigig

Vor fünf Jahren hat Schneeberger, der auch Klubobmann der ÖVP im Landtag ist, als Herausforderer seinen "Traum" vom Bürgermeisteramt in späten Jahren doch noch mit Hilfe der "bunten" Allianz verwirklichen können. Marode Stadtfinanzen, Probleme und Ghettobildung von Zuwanderern aus dem Ausland und Unzufriedenheit mit einer wenig florierenden Innenstadt haben zum Absacken der SPÖ beigetragen. "Am 31. März 2016 wären wir zahlungsunfähig gewesen", erinnert der ÖVP-Bürgermeister an diesem Abend. Mitgeholfen hat freilich auch, dass das mit absoluter schwarzer Mehrheit regierte Land der ab 2015 ÖVP-geführten Stadt bei einem Sanierungsplan kräftig unter die Arme gegriffen hat. Ein SPÖ-Bürgermeister hätte wohl selbst auf Knien nach St. Pölten rutschend nicht so einfach Finanzhilfe erhalten.

Neue SPÖ-Spitzenkandidatin will für "frischen Wind" sorgen

Das mehrere Dutzend Bewerber umfassende ÖVP-Kandidatenteam wird einzeln vorgestellt, was sich zwischen den Auftritten von Kurz und Mikl-Leitner ("diese Visionen schreien danach, Schneeberger muss bleiben") und der Rede Schneebergers zieht. Eine Einspielung wirkt hingegen wie ein Schlag in die Magengrube der SPÖ. Deren Urgestein im Landtag, Gemeindevertreter Alfredo Rosenmaier, macht in einem Video-Clip Werbung für die Entwicklung Wiener Neustadts in den vergangenen Jahren und damit für den ÖVP-Bürgermeister.

All das passiert, während gleichzeitig die SPÖ in der Stadt für die Gemeinderatswahl die Werbetrommel rührt. Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin Sitz setzt dabei auf eine "junge Mannschaft". Zur Vergangenheit geht man auf Distanz, die SPÖ inszeniert sich als "frische Kraft". Die geht mit 17 von 40 Sitzen im Gemeinderat auf Platz eins am Stimmzettel ins Rennen. Die ÖVP hält 14 Sitze.

Dem ÖVP-Spitzenkandidaten ist die weitere Belebung der Innenstadt ein zentrales Anliegen. Der Stadtchef wäre kein ÖVP-Politiker in dieser Zeit, würde er nicht auch den "Kampf gegen Parallelgesellschaften" predigen. Der durchaus machtbewusste Schneeberger predigt auch das weitere Miteinander und sagt in Anspielung auf die türkis-grüne Bundesregierung: "Wiener Neustadt zeigt, dass neue Farben sehr viel bewegen können." Am 26. Jänner will er aber dennoch lieber auf Nummer sicher gehen. Um seine Pläne umzusetzen, "müssen wir, nicht wollen wir, diesmal Erster werden", impft er seinem Team und den Zuhörern in der Arena Nova für den Heimweg ein.

In Niederösterreich ist die ÖVP nicht nur auf Landesebene, sondern auch in den Kommunen eine Macht. Das zeigt allein der Umstand, dass die ÖVP als einzige Partei in allen 567 Gemeinden antritt. In acht Orten hat man mangels Gegenkandidaten die Wahl schon gewonnen.

Die SPÖ musste in 21 Gemeinden passen, in zwei Fällen wurde eine Wahlanfechtung in Aussicht gestellt. In den Gemeinden Marchegg (Bezirk Gänserndorf) und Langenrohr (Bezirk Tulln) scheiterte die SPÖ an Formalfehlern: "Die Unterstützungserklärungen wurden nicht zeitgerecht eingebracht", erklärte SPÖ-Landesparteichef Franz Schnabl am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Geprüft werde für diese beiden Kommunen nun eine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof. Stützen wollen sich die Sozialdemokraten auf die im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz verankerte Mitteilungspflicht von Behörden bei mangelhaft eingebrachten "schriftlichen Anbringen". Zu verteidigen hat die SPÖ 119 Bürgermeister-Sessel.

SPÖ verspürt keinen Rückenwind vom Bund

Der Negativtrend für die SPÖ hat dazu geführt, dass rote Kommunalpolitiker lieber als Namensliste denn als SPÖ antreten. Schon davor hat Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar eingeräumt, die Bundespolitik sei "sicher kein Rückenwind".

Die FPÖ, für die das weite Land Niederösterreich seit jeher ein harter Boden ist, tritt in 367 Gemeinden an. Für die Blauen wird es einmal mehr spannend, welche Folgen die Turbulenzen um den Ausschluss Heinz-Christian Straches haben werden.

Für die Grünen ist es eine Premiere. Erstmals treten sie nun bei einer Gemeindewahl als Regierungspartei auf Bundesebene an. Sie kandidieren in 125 Gemeinden. Ihr Hoffnungsgebiet liegt im Wiener Speckgürtel. In Eichgraben im Wienerwald peilen sie mit Elisabeth Götze das Bürgermeisteramt an. Pinke sind am 26. Jänner kaum Konkurrenz. Die Neos sind nur in 37 Gemeinden mit im Rennen.