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Wenn der Kanzler unbehelligt davongeht

Von Karl Ettinger

Politik

Mit den Grünen beginnt der Ministerrat eine Stunde später. Zwei Minister hatten wegen Pflege und Polizei ihren Auftritt.


Es ist eine kleine Revolution, die sich direkt im Bundeskanzleramt abspielt. Es ist nicht (mehr) der Umstand, dass ÖVP und Grüne erstmals in Österreich gemeinsam seit einer Woche an einem Tisch im großen Ministerratssaal sitzen. Seit langer Zeit trat die Bundesregierung im Regelfall um 10 Uhr zusammen. Mit Türkis-Grün wird es nun meist 11 Uhr sein, wie am Mittwoch.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat vor einem Jahr im Zuge der Debatte um die damals von ÖVP und FPÖ angestrebte Verschärfung der Mindestsicherung zum Ausdruck gebracht, dass arbeitende, leistungswillige Menschen früh aufstehen. Jetzt beginnt der Ministerrat vor allem auch zum Leidwesen der ORF-Hörfunkjournalistinnen wöchentlich um eine Stunde später, was für zusätzlichen Stress sorgt, mit den Beiträgen rechtzeitig für das Radio-"Mittagsjournal" fertig zu werden.

Mehr Zeit zum Prüfen und Diskutieren in der Regierung

Grund für den späteren Beginn des Ministerrats ist, dass sich, wie im Kanzleramt zu erfahren war, die Grünen vor und in der Sitzung mehr Zeit erbeten haben, um Vorlagen prüfen und diskutieren zu können. Ministerratssitzungen wie in der Vergangenheit, die nach wenigen Minuten zu Ende waren, dürften unter Türkis-Grün die Ausnahme sein.

Bei der Inszenierung des wöchentlichen innenpolitischen Hochamts hat sich beim anschließenden Pressefoyer gegenüber Türkis-Blau fast nichts geändert. Dieses Mal treten Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) danach gemeinsam vor die Medien. Anlass ist, dass die Sicherheitsoffensive mit mehr Polizisten und die Pflege mit einem Schulversuch, bei dem die Ausbildung bis zur Matura fünf Jahre dauern soll, im Ministerrat abgesegnet werden.

Die Ausschreibung für Standorte für diesen Pflege-Schulversuch mit bis zu 150 Schülern läuft sofort an. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zeigte sich vor der Regierungssitzung überzeugt, mit dem Schulversuch werde beim Nachwuchs für die Pflege eine "ganz wesentliche Maßnahme" gesetzt. Laut Studie droht bis 2030 ohne Gegenmaßnahmen eine Lücke von 75.000 Pflegekräften.

Reserviert hat sich Bildungsminister Faßmann zur Ausweitung des Kopftuchverbots auf Lehrerinnen gezeigt, wie es Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) als "möglichen nächsten Schritt" angedacht hatte. Er blieb bei der geplanten und in Umsetzung befindlichen Ausweitung des Kopftuchverbots für Schülerinnen bis 14 Jahre. Gefragt wurde er zur "persönlichen Meinung" von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), die sich im ORF-"Report" am Dienstag generell für öffentliche Räume ohne religiöse Symbole ausgesprochen hatte, gleichzeitig aber angemerkt hatte, dies sei nicht mehrheitsfähig. Dazu betonte Faßmann, die Kreuze in den Klassen "werden dort bleiben". Dazu gebe es ein entsprechendes Urteil des Verfassungsgerichtshofs.

Neu sind die Schwerpunkte Sicherheit und Pflege nicht mehr. Die Regierungsspitze mit Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat die Maßnahmen mit den Ministern diese Woche bereits publik gemacht. Neu ist hingegen, dass der Bundeskanzler, um den sich sonst die Journalisten scharen, dieses Mal nach dem Ministerrat unbehelligt durch den Steinsaal des Kanzleramtes gehen kann. Von sich aus schüttelt er freundlich die Hände wartender Berichterstatter. Zumindest eines soll sich gegenüber Türkis-Blau ändern. Kurz selbst wird dem Pressefoyer meist fernbleiben. Das erspart ihm auch bisweilen lästige Journalistenfragen.

Innenminister Nehammer und Sozialminister bringen ihre Premiere routiniert über die Bühne. Ein Hoppala wie bei Ex-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die Fehlinformationen über einen gerade getroffenen Beschluss verbreitet hat und dies am Nachmittag korrigieren musste, passiert der Paarung nicht.

Türkis-grüne Regierung geht Ende Jänner in Klausur

Nehammer bekräftigte, in dieser Legislaturperiode 4300 Polizisten "mehr auf die Straße" bringen zu wollen. Gestartet wurde die Offensive 2018 unter Türkis-Blau, jetzt wurde sie um 200 Beamte ausgeweitet. Anschober musste Fragen zum Pensionssplitting von Paaren beantworten. Was genau kommt, bleibt aber offen.

Fix ist, dass die Regierung am 29. und 30. Jänner in Klausur gehen wird - in Krems. Auch Türkis-Blau ist Anfang 2018 und 2019 mit einer Klausur im Jänner gestartet.