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Der sanfte Kardinal

Von Karl Ettinger

Politik

Wiens Erzbischof Schönborn wird in krisenhaften Zeiten für die katholische Kirche 75.


Es ist der erste öffentliche Termin nach einem mehrwöchigen Kuraufenthalt. Am Dienstag, am Vorabend seines 75. Geburtstages am 22. Jänner, hat Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn die Spitzen der christlichen Kirchen zu einem Ökumenischen Empfang ins Wiener Priesterseminar eingeladen. Ein Signal anlässlich der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die ihm ein Anliegen ist.

Schönborn ist nach einer gut verlaufenen Krebsoperation im Mai des vergangenen Jahres und einem Anfang Dezember erlittenen Lungeninfarkt "auf dem Weg der Besserung", wie der Leiter des Erzbischöflichen Sekretariats, Hubert Weber, via Kathpress mitteilte. Gleichzeitig wird aber betont, dass sich der Wiener Erzbischof weiter schonen müsse. Deswegen wurden bereits bis in den Sommer Termine abgesagt. Seine Krebserkrankung hat er im Frühjahr 2019 mit bis dahin unbekannter Offenheit bekanntgegeben.

"Ich danke für die Gebete und die guten Wünsche und freue mich, dass ich mit Ihnen gemeinsam den Weg weitergehen darf - im Amt und auch danach", sagt Schönborn in einem am Freitag publik gemachten Video. Schon im November hat er persönlich Papst Franziskus sein Rücktrittsgesuch, das das Kirchenrecht bei Erreichen des 75. Lebensjahrs für amtierende Bischöfe vorsieht, übergeben.

Eine offizielle Antwort aus dem Vatikan ist bis Freitag nicht erfolgt. Aber der Kardinal hat sich bereits mit seinem weiteren Rückzug befasst. Das betrifft Überlegungen über die Übergabe als Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz. Darüber habe er sich Gedanken gemacht, wurde der "Wiener Zeitung" in Kirchenkreisen erklärt. Naheliegender Zeitpunkt dafür ist die im März bevorstehende Versammlung der österreichischen Bischöfe in Matrei am Brenner in Tirol. "Es ist offen, aber an sich würde er den Vorsitz gerne zurücklegen", war zu erfahren. Die Frage ist eher, ob er nicht von den anderen Bischöfen um seinen Verbleib gebeten wird.

Spätestens seit der Bekanntgabe seines Rücktrittsgesuchs mit seinem 75. Geburtstag steigen Spekulationen über seine Nachfolge auf wie der Weihrauch in der Christmette. Die Austria Presseagentur berichtet unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Kirchenkreise, dass der Salzburger Erzbischof Franz Lackner neuer Vorsitzender der Bischofskonferenz werden solle. In der innerkirchlichen Hierarchie hat das eine Logik: Lackner ist bereits Stellvertreter Schönborns in der Bischofskonferenz. Je höher der Weihrauch steigt, umso mehr verflüchtigt er sich. Ähnliches gilt für die Nachfolge in Wien, für die ebenfalls Lackner und der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler von der APA als mögliche Kandidaten genannt werden.

Schönborns Nachfolger findet in Wien eine schwierige Situation vor, vor allem was das Schrumpfen der Herde auf rund 1,16 Millionen Katholiken betrifft. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der Kirchenaustritte in der Erzdiözese Wien um 10,5 Prozent auf 19.198 Personen gestiegen.

Trachten nach Harmonie

Dabei hat sich Schönborn, der 1991 Wiener Weihbischof geworden ist, seit Jahren bemüht, mit einer Diözesanreform der Entwicklung zu begegnen: mit Bestrebungen, die katholische Kirche über den treuen Kern hinaus interessant zu machen, um Menschen, die nicht mehr oder noch nicht dazugehören, anzusprechen. Daher rührt wohl auch das Engagement, ausgerechnet mit regelmäßigen Kolumnen und dem Evangelium in Boulevardmedien Menschen anzusprechen, die Kirchen sonst meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Dafür wurde die Wiener Stadtmission ins Leben gerufen, die wie in Brüssel, Paris und Lissabon Menschen für die Kirche begeistern soll. Zugleich wurden Pfarren zusammengelegt, um Kräfte zu bündeln. Einige der rund 1000 Kirchen wurden an andere Konfessionen übergeben. Überschattet war seine Ära seit der Übernahme des Amtes von Kardinal Hans Hermann Groer 1995 von den krisenhaften Folgen um Missbrauchsfälle und Übergriffe durch Priester, die über die Jahre wie Eiterbeulen aufgeplatzt sind und die Glaubwürdigkeit der katholisichen Kirche in den Augen tausender Mitglieder arg ramponiert haben.

Treibende Kraft bei einer Kurskorrektur bei brisanten Themen oder gar großer Reformator war der einstige Ministrant aus Vorarlberg und spätere Dominikanermönch und Hochschullehrer in Fribourg nicht. Aber in seiner späten Amtszeit hat er neue Signale gesetzt, etwa mit einem Gottesdienst für Aids-Erkrankte und dem Umgang mit Homosexualität nach Gesprächen mit dem früheren Organisator des Life Balls, Gerry Keszler. Er verfolgt, wie es heißt, zumindest wohlwollend, dass über heiße Eisen wie den Zölibat diskutiert wird. Dies, obwohl er betont hat, dass die Ehelosigkeit Grundform des priesterlichen Wirkens bleiben werde. Zuletzt hat der Kardinal zum Jahreswechsel aufhorchen lassen. Da rief er eindringlich zu einer Umkehr wegen der Folgen des Klimawandels auf.

Die Art des Gewähren- und Laufenlassens von Dingen passt zum grundsätzlichen Naturell des Kardinals, den ein bestimmtes Maß an Harmoniebedürftigkeit auszeichnet. Ein großer Stratege sei er nicht, heißt es auf die Frage nach etwaigen Schwächen. Selbst Entscheidungen, die bereits getroffen schienen, wurden bisweilen umgestoßen.

Schönborn galt nach dem Tod von Johannes Paul II. als papabile. Papst geworden sind seither zwei andere - der Deutsche Joseph Ratzinger, dessen Schüler Schönborn war, und der Argentinier Jorge Mario Bergoglio.

Am 24. Jänner ist aus Anlass des Geburtstages des Kardinals um 19.30 Uhr ein Benefizkonzert im Wiener Stephansdom angesetzt. Bundespräsident und Bundeskanzler haben neben Wegbegleitern bereits in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag"gratuliert.

Die Erzdiözese Wien hat eine eigene Glückwunschseite eingerichtet: www.kardinalschoenborn.at/Geburtstag

In den Sozialen Medien kann man Christoph Schönborn mit dem Hashtag #GlückwunschKardinal gratulieren.