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Das "gallische Dorf" Traiskirchen unter den SPÖ-Problemzonen

Von Karl Ettinger

Politik

Bei den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen bereiten den Sozialdemokraten Verluste in Bezirksstädten Sorgen. Aber es haben auch linke SPÖ-Stadtchefs und solche ohne Parteiprogramm reüssiert. Die ÖVP baute ihre Vormacht aus.


Purkersdorf minus 22 Prozentpunkte, Gmünd im Waldviertel minus 15 Prozentpunkte, Wiener Neustadt minus 14,15 Prozentpunkte, Laa an der Thaya minus elf Prozentpunkte, Stadt Haag im Mostviertel minus 9,2 Prozentpunkte. Etliche Ergebnisse aus Städten oder bisherigen roten Hochburgen waren bei den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen am Sonntag wie Schläge in die Magengrube für die roten Kommunalpolitiker und auch SPÖ-Landeschef Franz Schnabl.

Insgesamt gerechnet ist Niederösterreich bei den Wahlen in 567 der 573 Kommunen des Landes noch schwärzer geworden (im Amt der NÖ-Landesregierung wird auf Schwarz statt Türkis Wert gelegt - siehe auch Grafik). Die SPÖ hat hingegen landesweit nach Stimmen gerechnet 3,2 Prozentpunkte gegenüber 2015 eingebüßt. Besonders schmerzt, dass mit Bruck an der Leitha nur mehr eine Bezirksstadt in Niederösterreich in SPÖ-Hand ist und einstige rote Bastionen wie Wiener Neustadt oder auch Gmünd im Waldviertel von schwarzen Herausforderern demoliert wurden.

Das bürgerlich geprägte Wienerwald-Städtchen Purkersdorf mag ein Sonderfall sein. Dort hat Ex-Innenminister Karl Schlögl (SPÖ) nach 27 Jahren das Bürgermeisteramt im November 2018 an Gerhard Steinbichler übergeben, der nach satten absoluten Mehrheiten für Schlögl "nur" auf 43,5 Prozent kam.

Zur Ehrenrettung der Sozialdemokraten und als Balsam für ihre Wunden in städtischen Problemzonen, ist festzuhalten: Es gibt nicht nur bei der Landtagswahl im Burgenland mit Hans Peter Doskozil Rote, die absolute Mehrheiten erreichen können. Sogar mit einem politischen Kontrastprogramm zum gesellschaftspolitischen Rechtskurs Doskozils geht das.

Bürgermeister Babler: "Wir sind Bewegung"

Das hat der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler mit der SPÖ bewiesen. Nach 73,1 Prozent bei der Gemeinderatswahl im Jahr 2015 gab es in der rund 20.6000 Einwohner zählenden Stadt rund 20 Kilometer südlich von Wien eine satte absolute SPÖ-Mehrheit und Bestätigung mit 71,5 Prozent. Und das in einer Stadt, die vor allem Schlagzeilen macht, wenn das Erstaufnahmezentrum wie 2015 mit Flüchtlingen überfüllt ist.

Babler wird gern öffentlich als Rebell eingestuft. Dies verbunden mit dem in Österreich nicht als Lob, sondern fast als Schimpfwort verstandenen Adjektiv "links". "Wir fahren ein alternatives Programm. Wir haben eine Stadtphilosophie", erläutert Babler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auf die Frage, wie er denn neuerlich eine Mehrheit über der 70-Prozent-Marke geschafft habe.

Das alternative Programm der SPÖ mit Babler als Bürgermeister entpuppt sich bei genauerem Hinschauen freilich als gar nicht so revolutionär. Höchstens für manche strukturkonservative rote Funktionäre. "Wir sind Bewegung", formuliert der rote Stadtchef, "wir sind das gallische Dorf in Österreich." Man versuche, eine Solidargemeinschaft zu sein, bei der man die Menschen "mit auf die Reise" nehme; durch Förderungen, damit Aktivitäten nicht an fehlendem Geld scheitern; etwa indem Vereinen Sportstätten gratis zur Verfügung gestellt werden; für Wahlkampf und Werbung werde keine Agentur engagiert, was Geld spart; mit anderen Initiativen wie dem "Garten der Begegnung", der 2015 nach der Flüchtlingswelle mit Asylwerbern gestartet wurde und inzwischen von Demenzkranken ebenso genützt wird wie von Schulklassen, hat man über die Stadt hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt.

Die FPÖ spielt ausgerechnet in der Stadt mit dem Flüchtlingslager eine Nebenrolle. Am Sonntag erhielt sie 9,4 Prozent der Stimmen nach 14 Prozent 2015. Einige Kilometer weiter südlich in der gut 3000 Einwohner zählenden Stadtgemeinde Ebenfurth ist der seit 1996 regierende Bürgermeister Alfredo Rosenmayer nun roter Rekordhalter. Er hat es auf 85,14 Prozent der Stimmen gebracht und 3,58 Prozentpunkte zugelegt.

Roter Rekordmann beklagt Ahnungslosigkeit im Bund

Sein Erfolgsrezept klingt einfach, nämlich, "dass man Menschen, die Hilfe brauchen, auch hilft", betont Rosenmayer, früher auch SPÖ-Klubobmann im Landtag, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Das ist die ganze Form meines Parteiprogramms." Er sei selbst in einer armen Arbeiterfamilie aufgewachsen, sagt er erklärend dazu.

Vor der Übernahme des Bürgermeisteramtes habe er allerdings Bedingungen gestellt: So müsse jemand in seinem Team nicht SPÖ-Mitglied sein; bei ihm gebe es auch keinen Klubzwang. Auf die Frage, was denn die Bundes-SPÖ ändern müsse, um Erfolg zu haben, kommt Rosenmayers Antwort sofort: Seines Erachtens gebe es auf Bundesebene zu viele Spitzefunktionäre, "die keine Ahnung von den bei uns vertretenen Menschen haben". Er empfehle daher ein indianisches Sprichwort: "Gehe einmal einige Schritte in den Schuhen derer, die du vertrittst."

Bürgermeisterbonus half der ÖVP in Wiener Neustadt

Rosenmayer kann freilich auch gut mit dem ÖVP-Bürgermeister des nahen Wiener Neustadt, Klaus Schneeberger. Der ÖVP-Klubchef im Landtag hat mit viel Unterstützung von Landes- und Bundes-ÖVP erstmals mit 45 Prozent die SPÖ von Platz eins in der einst tiefroten Hochburg erobert. Das Bürgermeisteramt hat die SPÖ schon 2015 an Schneeberger und dessen "bunte" Regierung mit FPÖ, Grünen und zwei Namenslisten abtreten müssen. Rosenmayer bescheinigt der SPÖ mit Spitzenkandidatin Margarete Sitz: "Die sind gerannt bis zum Schluss." Schneeberger habe aber den Bonus als Bürgermeister genützt. Das SPÖ-Ergebnis mit gut 26 Prozent und einem Minus von 14 Prozentpunkten sei "erschreckend", räumt Rosenmayer jedoch ein.

In elf Gemeinden hat die ÖVP die SPÖ als Nummer eins abgelöst, vier Mal ist das der SPÖ gelungen. Weißer Fleck ohne ÖVP-Mandat im schwarzen Niederösterreich ist Zillingdorf im Bezirk Wiener Neustadt.