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Mit Pendlerpauschalen ökologisch steuern

Von Martina Madner

Politik

Es geht um 1,3 Milliarden Euro jährlich, die unökologisch und unsozial verteilt werden - und um viel Umstiegspotenzial.


Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler hatte es im Interview mit der "Wiener Zeitung" bereits angekündigt: Die türkis-grüne Regierung richtet eine Task-Force ein, die sechs ökologisch-steuernde Maßnahmen umsetzen wird: die Flugticketabgabe, den "entschlossenen Kampf gegen den Tanktourismus und Lkw-Schwerverkehr aus dem Ausland", die Ökologisierung von Lkw-Maut, der Normverbrauchsabgabe, kurz NoVA, und des Dienstwagenprivilegs. Und last but not least die "Ökologisierung und Erhöhung der Treffsicherheit des Pendlerpauschales".

Noch sind nur sie selbst von den Grünen und Finanzminister Gernot Blümel von der ÖVP Teil der Task-Force, sagte die Umwelt- und Verkehrsministerin. Die Task-Force werde aber mit Expertise sowohl aus den Ministerien als auch der Wirtschafts- und Klimaforschung ergänzt. Schließlich soll die Gruppe "den großen Einstieg in den Umstieg" im wahrsten Sinn des Wortes auf Schiene bringen.

Ökologische Fehlsteuerung

Klar ist, dass Pendlerpauschalen den Staat viel Geld kosten: 2018 waren es laut Antwort des Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen 1,3 Milliarden Euro, die Beschäftigte als Pendlerpauschalen geltend machten. Dadurch dürften dem Staat laut Verkehrsclub Österreich rund 500 Millionen Euro an Lohnsteuereinnahmen entgangen sein.

Klar ist auch, dass die Pendlerpauschalen zu den "umweltschädlichen Subventionen in den Bereichen Energie und Verkehr" zählen, wie das Wifo-Umweltökonomin Daniela Kletzan-Slamanig in einer gemeinsamen Studie mit Angela Köppl zum Thema gemacht hat. Aus mehreren Gründen: "Es ist eine Förderung des Autoverkehrs", sagt Kletzan-Slamanig im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Und: "Die Pendlerpauschalen tragen tendenziell dazu bei, längere Arbeitswege in Kauf zu nehmen, und führen auch zu mehr Zersiedelung." - "Es fehlt der Anreiz, klimaverträglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren", ergänzt Christian Gratzer, Sprecher des Verkehrsclub Österreich.

Schließlich gibt es für längere Autofahrten zur Arbeit mehr Geld als für kurze. Jene, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, sind sowieso benachteiligt. Denn das kleine Pendlerpauschale gibt es sogar für jene, für die die Benützung eines Massenverkehrsmittels zumutbar wäre. Das große gibt es zwar nur dann, wenn das nicht der Fall ist. Aber mit 372 Euro jährlich für jene mit einem Arbeitsweg ab zwei Kilometern bis zu Pendelnden, die 3672 Euro bei 60 Kilometern und mehr als große Pendlerpauschalen erhalten, ist diese Förderung jedenfalls großzügig bemessen.

Dabei gibt es gute internationale Vorbilder, wie der Staat Anreize zum ökologischen Pendeln setzen könnte: Kletzan-Slamanig erwähnt die Niederlande, wo nur das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefördert wird, "und das auch erst bei längeren Arbeitswegen als bei uns". Denkbar wären auch strengere Regeln, was bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, so wie in Finnland.

Ein Beispiel könnte sich die Task-Force aber auch an der Schweiz nehmen: "Dort gibt es einen eigenen Verkehrsabsetzbetrag für Fahrräder und das Generalabonnement", sagt Kletzan-Slamanig. Zweiteres, also ein Jahresticket, mit dem in der Schweiz fast das gesamte öffentlichen Verkehrsnetz beliebig genutzt werden kann, ist im Regierungsprogramm mit dem 1-2-3-Österreich-Ticket in ähnlicher Form tatsächlich geplant.

Von den insgesamt 1,3 Millionen, die laut Finanzministerium 2018 Pendlerpauschalen bezogen, erhielten 724.000 das große Pauschale, 336.000 waren nicht zuordenbar, bei 241.000 aber war es das kleine. Für diese Gruppe mit der kleinen Pauschale wäre es also schon heute zumutbar, öffentliche Verkehrsmittel für ihren Arbeitsweg zu nutzen.

Eine Studie der Arbeiterkammer von 2015 - eine mit neueren Daten gibt es nicht - zeigt für das Einpendeln nach Wien, dass großes Potenzial für einen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel da wäre: Statt der 17.900 Pendelnden, die beispielsweise bislang von Mödling aus mit der Bahn zur Arbeit fahren, könnten es 33.800 sein - also 15.900 mehr Bahnpendelnde. "Bei 90 Prozent der Pendler ist der nächste Bahnhof weniger als neun Kilometer entfernt, bei zwei Drittel sogar weniger als drei", stellt Heinz Högelsberger, Mitarbeiter der Abteilung für Umwelt und Verkehr der Arbeiterkammer Wien fest. "Das Pendlerpauschale ist unökologisch und unsozial", sagt er.

Sozialer und klarer steuern

"Die AK plädiert seit zwei Jahrzehnten für einen Umbau der Pendlerpauschalen", sagt Högelsberger - und zwar mit Begleitmaßnahmen: Zubringerbusse zu den Bahnhöfen für den ersten und letzten Kilometer sowie mehr Radabstellplätze zum Beispiel. Dazu mehr Kapazitäten, denn "die Südbahn ist jetzt schon voll" oder auch Verpflichtungen für Unternehmen zu Verkehrsmanagement. "Damit diese das Werk nicht auf die grüne Wiese stellen, sondern für eine Öffi-Anbindung sorgen oder Arbeitszeiten besser an Fahrpläne anpassen." Schließlich seien Pendlerpauschalen heute auch sozial ungerecht, sagt Högelsberger. Jene mit einem höheren Einkommen erhielten trotz gleich langem Weg mehr Geld fürs Pendeln vom Staat als jemand mit einem kleineren.

Jene, die sich den meistens teureren Wohnraum in den Städten - ökofreundlicher - nahe am Arbeitsplatz leisten, haben im Moment das Nachsehen gegenüber jenen, die vom Haus im Familienbesitz am Land in die Stadt zur Arbeit fahren.

Aber nicht nur das, die Förderung des Pendelns macht auch das Steuersystem unübersichtlich. Darauf weist IHS-Steuerexperte Benjamin Bittschi hin: "Mit Pendlerpauschale, Pendlereuro, Pendlerzulage, Verkehrsabsetzbetrag und föderalen Förderungen gibt es fünf Fördertatbestände für Leute, die mit dem Auto zur Arbeit fahren."