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Justizsorgen fast vom Tisch gefegt

Von Karl Ettinger

Politik

Die ÖVP-FPÖ-Koalition hat das Budgetproblem des Justizministeriums teils noch erhöht. Deswegen wird die Finanzlücke für heuer mit mindestens 90 Millionen Euro beziffert.


Die Aufstockung des Personalstandes bei der Polizei um 4000 Mann wurde von der türkis-blauen Bundesregierung nicht nur einmal medienwirksam in den Vordergrund gestellt. Selbst nach dem Abschluss der türkis-grünen Bundesregierung zu Beginn dieses Jahres war ein Auftritt der Regierungsspitze mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer Polizeiinspektion beim Westbahnhof gleich das zweite inhaltliche Signal am Tag nach einem Besuch in einem Pflegeheim.

Schon allein deswegen sticht jedem interessierten Beobachter ins Auge, wie unterschiedlich die Behandlung war: Innenministerium und Polizei standen und stehen für die ÖVP-geführte Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz im Vordergrund. Das Justizministerium führte hingegen ein Schattendasein. Die Bilanz lässt sich in dem von Ex-Justizminister Clemens Jabloner im November 2019 vorgelegten Wahrnehmungsbericht nachlesen: Zumindest 90 Millionen zusätzlich müssten heuer im Budget zur Verfügung gestellt werden. Schon davor hatte er beklagt, die Justiz "stirbt einen stillen Tod".

Klärung bis zur Budgetrede Blümels am 18. März

Nach dieser Abrechnung im doppelten Sinn des Wortes nach der eineinhalbjährigen türkis-blauen Regierungsphase unter Bundeskanzler Kurz fällt seine nunmehrige Ankündigung von Kurz, Geld für die Justiz bereitzustellen, umso mehr auf. "Die dringendste Forderung ist ein ausreichendes Budget und der Stopp des Personalabbaus sowie zusätzliche Planstellen", bringt jedenfalls die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, die Situation im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auf den Punkt. Diese Budgetfrage muss innerhalb eines Monats geklärt werden. Denn am 18. März legt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) das Budget 2020 dem Nationalrat vor.

Ein ausführlicher Blick ins Archiv und einige Gespräche der "Wiener Zeitung" mit Justizvertretern belegen, dass die Justiz vom Amtsanritt der türkis-blauen Regierung im Dezember 2017 bis zum Bruch im Mai 2019 unter dem von der ÖVP nominierten Justizminister Josef Moser keinen leichten Stand hatte. Mitunter wurden dem Justizministerium sogar noch zusätzliche Kosten in Höhe mehrerer Millionen Euro aufgehalst. Das beste Beispiel dafür ist das seit Mitte 2018 geltende Gesetz zum Erwachsenenschutz, mit der die Sachwalterschaft neu geregelt wurde. Die Mehrkosten dafür werden mit einem zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr beziffert.

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Es begann bereits mit der Übernahme einer Altlast des früheren Justizministers Wolfgang Brandstetter (ÖVP), dessen Ausgaben 2017 nicht voll abgedeckt waren. Das führte zu einem Streit um mehrere Millionen Euro mit dem Finanzminister. Aufwendungen für die jährliche Gehaltserhöhung 2018 und Struktureffekte konnten nicht mehr aus dem regulären Budget bezahlt werden.

Im Kern gab es nach harten internen Kämpfen folgende Zugeständnisse unter Türkis-Blau an das Justizressort: Die noch unter der SPÖ-ÖVP-Regierung begonnenen Kürzungen von Planstellen konnten unter Moser für 2020 abgewendet werden. Das Bundesverwaltungsgericht, das mit einer Flut an Asylanträgen konfrontiert war, durfte 120 ursprünglich befristete Stellen behalten. Bei der Justizwache, die angesichts voller Gefängnisse ebenfalls unter einem Personalmangel stöhnte, wurden 100 zusätzliche Ausbildungsplanstellen zugestanden.

90 Millionen Euro mehr, nur damit der Basisbetrieb läuft

Zu wenig, wie Vertreter von Justizorganisationen wie der Richtervereinigung, beklagen. Dort hält man den Sparkurs beim nicht-richterlichen Personal für kurzsichtig, weil manche Dinge einfach wochen- oder monatelang liegen bleiben. Daher stellt die Richter-Chefin Matejka warnend fest: "Diese 90 Millionen im Wahrnehmungsbericht dienen wirklich nur dazu, dass der Basisbetrieb aufrechterhalten werden kann." Schon in der türkis-blauen Vergangenheit musste auf Rücklagen zurückgegriffen werden. Das betrifft auch die nun wieder zugesagte Digitalisierung der Justiz. Diese konnte nur mit der Erlaubnis, für den Start 30 Millionen Euro aus der Rücklage zu entnehmen, in die Wege geleitet werden konnte. 2023 soll damit die Voll-Digitalisierung der Justiz möglich sein.

Errungenen Zugeständnissen standen steigende Aufwendungen gegenüber, auf die ein Justizminister aufgrund der Unabhängigkeit der Rechtssprechung keinen Einfluss hat. Dazu gehören Mehrkosten für den Maßnahmenvollzug, weil die Zahl geistig abnormer Rechtsbrecher steigt; oder Kosten für die Telefonüberwachung.

Die nominell stattliche Steigerung des Justizbudgets 2018 auf 1,642 Milliarden Euro hatte einen anderen Grund. Vor allem das Bundesverwaltungsgericht wurde aus dem Kanzleramt zum Justizressort verlagert.