Christoph Grabenwarter wird wie erwartet neuer Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Die Regierung wird im Ministerrat am heutigen Mittwoch beschließen, Bundespräsident Alexander Van der Bellen den derzeitigen Vizepräsidenten des VfGH zur Ernennung vorzuschlagen, teilte das Bundeskanzleramt der APA mit. Grabenwarter wurde demnach aus drei Bewerbern ausgewählt.

Der 53-Jährige leitet den Gerichtshof seit dem zwischenzeitlichen Avancement Brigitte Bierleins zur Bundeskanzlerin (im Juni 2019) interimistisch. Der 1966 geborene Steirer ist seit 2005 am VfGH als Richter tätig, zum Vizepräsidenten war er 2018 bestellt worden.

Wer Grabenwarter als Vizepräsident oder -präsidentin nachfolgt, steht noch nicht fest. Nach der Ernennung des neuen VfGH-Präsidenten durch den Bundespräsidenten muss der Posten binnen eines Monats ausgeschrieben werden. Sollte der Vizepräsident aus den Reihen des bestehenden Gremiums kommen, muss die offene Position eines Mitglieds wiederum binnen eines Monats ausgeschrieben werden.

Das Nominierungsrecht für den Vizepräsidenten hat die Bundesregierung - und dort wohl die Grünen, sitzt Grabenwarter doch auf einem ÖVP-Ticket. Kämen die Grünen beim Vizepräsidenten nicht zum Zug, könnten sie ein neues Mitglied nur dann vorschlagen, wenn ein bisheriges VfGH-Mitglied aufsteigt. Vizepräsident können laut Bundesverfassungsgesetz nur Richter, Verwaltungsbeamte oder Universitätsprofessoren eines rechtswissenschaftlichen Fachs werden.

Bis 2036 im Amt

Christoph Grabenwarter kann als elfter Präsident des heuer 100-jährigen Verfassungsgerichtshofes bis Ende 2036 im Amt bleiben. Das wäre die dritt-längste Amtsdauer - ist Grabenwarter doch bei seiner Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen auch der drittjüngste Präsident. Und er ist der erste Steirer, der den VfGH leitet.

Die Amtsdauer der VfGH-Präsidenten ist gesetzlich beschränkt: Sie können bis zum Ende des Jahres im Amt bleiben, in dem sie 70 Jahre alt werden. Das schöpfen sie in der Regel aus.

Die erste Ausnahme war Walter Antoniolli - mit 50 Jahren bei Amtsantritt auch der jüngste und längst dienende VfGH-Präsident. Nach 19 Jahren Amtszeit zog er sich kurz vor Erreichen der Altersgrenze zurück, weil er die positive Entscheidung zum Universitätsorganisationsgesetz Hertha Firnbergs (SPÖ) nicht mittragen wollte. Gestorben ist Antoniolli erst im Mai 2006, im Alter von 99 Jahren.

Der zweite Präsident, der sich vorzeitig zurückzog, tat dies aus gesundheitlichen Gründen: Karl Korinek (gestorben 2017) wechselte Ende April 2008 wegen Herzproblemen in den Ruhestand.

Sein Vorgänger Ludwig Adamovich (er kam mit 51 Jahren ins Amt) ist der Präsident mit der zweitlängsten Amtszeit, nämlich 18 Jahren von 1984 bis 2002. Adamovich ist bis heute aktiv; er berät Bundespräsident Alexander Van der Bellen in verfassungsrechtlichen Fragen.

Schon Adamovichs Vater, Ludwig Adamovich sen., war von 1946 bis 1955 Präsident des im Ständestaat umgebauten, unter den Nationalsozialisten komplett ausgeschalteten und danach wieder errichteten Verfassungsgerichtshofes.

Bierlein mit kürzester Amtsdauer

In der Ersten Republik hatte der mit dem Bundes-Verfassungsgesetz 1920 eingerichtete VfGH nur zwei Präsidenten. Der erste, der 1851 in Triest geborene Paul Vittorelli, brachte es bis 1930 auf die drittlängste Amtszeit.

Alle anderen Präsidenten amtierten weniger als zehn Jahre. Die kürzeste Amtsdauer wird für die bisher einzige Frau an der Spitze, Brigitte Bierlein, ausgewiesen. Angelobt am 23. Februar 2018, war sie nur wenig mehr als ein Jahr im Amt, als Van der Bellen sie nach dem türkis-blauen Ibiza-Crash am 3. Juni 2019 zur ersten Bundeskanzlerin Österreichs machte. Seither führte Grabenwarter als Vizepräsident den Gerichtshof bereits interimistisch.

Grabenwarter war nach dem Aufstieg Bierleins zur Präsidentin unter Türkis-Blau bereits mit der Aussicht auf den Präsidentenposten zum Vize ernannt worden. Im VfGH ist es allerdings nicht die Regel, dass Vizepräsidenten einmal die Leitung übernehmen. So wie jetzt bei Grabenwarter war dies bisher nur in vier Fällen - bei Bierlein, Korinek, Adamovich sen. und Gustav Zigeuner - der Fall. Die unter Schwarz-Blau 2003 zur bisher einzigen Vizepräsidentin berufene Bierlein musste allerdings zwei Amtsperioden - jene von Korinek und jene von Holzinger - warten, bis sie unter Türkis-Blau an die Spitze aufstieg. (apa)