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Gewaltschutz ist finanziell bedroht

Von Martina Madner

Politik
Sechs Vertreterinnen von Gewaltschutz und Präventionsorganisationen - Sophie Hansal, Renate Tanzberger, Maria Rösslhumer, Ursula Kussyk, Selma Demir und Rosa Logar - machen auf die prekäre finanzielle Situation aufmerksam.
© WZ

Die Frauenhelpline hat Schulden, die Beratung bei sexueller Gewalt ist unterfinanziert, auch für Prävention gibt es kaum Geld. Der Gewaltschutz bräuchte 200 Millionen Euro mehr als heute.


Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Frauenhäuser, schildert die dramatische Situation der Frauenhelpline gegen Gewalt. Und zwar keine der betroffenen Frauen, die sich im Akutfall oder für Beratung unter der Nummer 0800/222 555 gemeldet haben. Dieses Mal geht es um die Organisation selbst: "Wir haben ein riesengroßes Defizit, große Schulden."

Konkret geht es um 72.000 Euro bei der Frauenhelpline. Die Kosten steigen, das Budget für den 24-Stunden-Betrieb der Helpline an 365 Tagen von jährlich 317.800 Euro aber wurde seit Jahren nicht erhöht. Man müsse den Betrieb der Frauenhelpline ab Juni auf Wochenenden und Abendstunden zurückfahren. Rösslhumer hofft noch auf eine Aufstockung des Budgets. Frauenministerin Suanne Raab sei bereits über die Situation informiert, sie habe glaubwürdig versichert, dass sie die Helpline für wichtig erachte. Von Gewalt betroffene Frauen bräuchten "eine starke Stimme der Frauenministerin in den Budgetverhandlungen mit dem Finanzministerium" - denn die Gewaltschutzorganisationen bräuchten dringend mehr Geld. "Sie sind lebensrettende Einrichtungen für Frauen", versichert Rösslhumer.

Finanziell angespannte Situation

Das sagt auch Selma Demir, Vertreterin des Vereins Orient Express. Der Verein berät seit über 30 Jahren junge Frauen und Mädchen, die von Zwangsarbeit und Gewalt in Familien mit Migrationshintergrund bedroht oder betroffen sind. Orient Express betreibt auch Notwohnung, für von Zwangsheirat bedrohte junge Frauen. Demir sagt, dass der Verein eigentlich jedes Jahr um fünf Prozent mehr Fördergeld bräuchte, nur um Lohnerhöhungen und Biennalsprünge zu finanzieren. Der Verein würde sein Angebot gerne mit mehr Öffentlichkeitsarbeit bekannter machen, dafür fehlt das Geld.

Beim Verein Efeu geht es um die Prävention: Der Verein sensibilisiert Kinder an Schulen für Sexismen, Geschlechter- und Machtverhältnisse, "damit es erst gar nicht zu Gewalt kommt", sagt Renate Tanzberger als Efeu-Vertreterin. Eine Umfrage an Wiener Schulen habe gezeigt, dass 77 Prozent der Kinder mehr über Gewalt an Frauen und Konfliktlösung wissen wollen. Tanzberger ist der Ansicht, dass "jedes Kind das Recht hat, sich zumindest ein Mal in der Schule mit dem Thema auseinanderzusetzen." Basisfinanziert ist bei Efeu allerdings nur eine Halbtagskraft. Darüber hinaus müsse man sich laufend um Projektförderungen bemühen.

Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt ist laut Leiterin Rosa Logar zwar im Vergleich zu anderen Organisationen finanziell gut ausgestattet. Aber: "Wir unterstützen jährlich 6000 Opfer familiärer Gewalt". Die Mitarbeiterinnen hätten pro Person - in den meisten Fällen sind es Frauen - im Durchschnitt 5,5 Stunden Beratungszeit zur Verfügung. Das ist wenig Zeit, zumal viele Frauen nicht nur rechtliche und psychosoziale Unterstützung benötigen, sondern diese auch bei praktischen Dingen bräuchten, "bei der Arbeitssuche oder dabei, die durch den Täter verwüstete Wohnung wieder in Ordnung zu bringen". Logar fordert, die Mittel für zehn statt der 5,5 Stunden zur Verfügung zu stellen. Denn auch die Familien ermordeter Frauen und Kinder, die Gewalt miterleben mussten, bräuchten Begleitung. Das erfordere aber zusätzliches Personal.

Ursula Kussyk, Sozialarbeiterin bei der "Frauen*beratung Notruf bei sexueller Gewalt", bräuchte mehr Mittel. Zwar habe man im vergangenen Jahr zusätzliches Geld erhalten, um in vier Bundesländern, wo es bislang keine Beratungsstelle bei sexueller Gewalt gab, eine aufzubauen. Es sind jeweils aber nur 25.000 Euro. Um Prozessbegleitung und psychosoziale Beratung in jedem Bundesland sicherstellen zu können, brauche es aber 280.000 Euro in den größeren Bundesländern, 160.0000 Euro in den kleineren.

Die Kosten von Gewalt

Die Organisationen sind alle in der "Allianz GewaltFREI leben" organisiert, fordern von der Regierung eine Aufstockung des Gewaltschutz-Budgets auf 210 Millionen Euro jährlich, im Moment sind es rund 12,5 Millionen Euro. Sophie Hansal von der Allianz argumentiert mit den volkswirtschaftlichen Folgekosten von jährlich 3,7 Milliarden Euro, die durch Gewalt an Frauen verursacht werden. Es sind Kosten im Gesundheitswesen, bei Polizei und Gerichten, aber auch für betroffene Frauen. "Mit 210 Millionen Euro mehr für Gewaltschutz und Prävention ließe sich nicht nur ein Teil dieser Kosten, sondern auch Leid von Frauen vermindern", sagt Hansal. Und: "Das sollte es uns wert sein."

Notruf~ Frauenhelpline
gegen Gewalt

0800/222 555

Polizei

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