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Homeoffice im Sinne der Gemeinschaft

Von Martina Madner

Politik
Der Arbeitsplatz zu Hause könnte künftig öfter benutzt werden.
© Unsplash/Catherina Schurmann

Es gibt zwar weder Recht noch Pflicht, den Dienstort nach Hause zu verlegen. Gut geplant, kann es aber Sinn machen.


Den Unternehmen generell ordnete die Regierung kein bestimmtes Vorgehen an. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aber hatte eine Bitte - "mit Nachdruck": "Ich ersuche die österreichischen Unternehmen, dort, wo es möglich ist, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Teleworking zu gewähren."

Man sei sich bewusst, dass das nicht in allen Bereichen möglich sei, "aber dort, wo es Sinn macht, dort, wo es machbar ist, ist das ein richtiger Schritt", so Kurz. Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" erläutern Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Elias Felten, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Johannes- Kepler-Universität, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Arbeiten im Homeoffice jeweils beachten sollten.

Freiwilligkeit muss gegeben sein

Wie groß der Anteil an Beschäftigten ist, bei denen Homeoffice Sinn macht, um die Ansteckungsgefahr mit dem Virus einzudämmen, können weder die Arbeiter- noch die Wirtschaftskammer angeben. Klar ist aber, dass es "weniger bei den Arbeitern als bei Angestellten ein Thema ist", sagt Walter Gagawczuk, Arbeitsrechtsexperte der Arbeitskammer Wien.

Wenig bis gar kein Homeoffice gibt es in der Produktion, dem Handel, der Gastronomie und sozialen Dienstleistungen wie Kinderbetreuung oder der Pflege. Zwar wäre manch kreative Arbeit der Kindergartenpädagogin zum Beispiel oder die Dokumentation bei der Pflege zwar im Homeoffice möglich. Das wäre aber nur punktuell und nicht auf längere Zeit als Schutzstrategie gegen Corona-Ansteckungen möglich, meint Gagawuczuk.

Rolf Gleißner, Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer, erklärt, dass sich die Arbeit am Computer oder per Telefon bei Dienstleistungsbranchen wie Werbung, Marketing oder in der IT dafür besser eignen. Die Vorbereitung ist jedenfalls wichtig: "Im ersten Schritt sind Mitarbeiter zu definieren, auf deren Arbeit der Betrieb nicht verzichten kann. Zweitens sind die technischen und organisatorischen Voraussetzungen sicherzustellen", sagt Gleißner. "Als Arbeitgeber sind zudem Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern zum Homeoffice zu treffen."

Homeoffice beruht auf Freiwilligkeit: "Das Arbeitsrecht ist so gestaltet, dass Betriebliches und Privates getrennt sind", sagt Arbeitsrechtsprofessor Feltin. Zwar gebe es in manchen Kollektivverträgen, wie etwa in der IT-Branche, Regelungen dazu.

Es gibt aber weder einen Anspruch der Beschäftigten, von zu Hause aus zu arbeiten, noch können das Unternehmen ihren Mitarbeitern anordnen. Und zwar "egal ob der Arbeitgeber aus Präventionsgründen auf die Anwesenheit der Beschäftigten am im Vertrag vereinbarten Dienstort verzichtet oder ob er gesetzlichen Anordnungen aufgrund des Epidemie-Gesetzes folgt", sagt Feltin.

Wenn der Dienstort immer der Betrieb war, gebe es auch wegen Corona-Vorsichtsmaßnahmen keine Verpflichtung, von zu Hause aus arbeiten zu müssen. Beschäftigte haben, auch wenn sie zu Hause nicht arbeiten, Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Von Fürsorge- und Treuepflichten

Umgekehrt können aber auch Beschäftigte nicht aus reiner Angst vor einer Ansteckung ohne eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber von zu Hause aus arbeiten.

Arbeitnehmer haben zwar laut Feltin "bei einer Gefahr für Leib und Leben" das Recht, ihre Arbeitsleistung "juristisch ausgedrückt zurückzubehalten". Dafür müsse die Gefährdungslage sehr real sein, wenn der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht verletzt - etwa dann, wenn er Covid-19-Erkrankte nicht nach Hause schickt. Das Risiko der Einschätzung der Situation trägt allerdings der Dienstnehmer, "er riskiert eine Entlassung, wenn die Verdachtslage für das Arbeitsgericht nicht ausreicht".

Jene, die bereits im Homeoffice arbeiten, könnten ohnehin kaum argumentieren, "warum sie das in einer Problemlage nicht auch 14 Tage durchgängig machen wollen." Feltin geht davon aus, dass ein regelmäßiges, faktisches Tun auch bei Ereignissen in der Vergangenheit, etwa Homeoffice während eines längeren Stromausfalls, schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen gleichkommt. Praktisch aber gibt es keine Judikatur dazu, sagt Gagawczuk. Und: "Corona ist ein Ausnahmefall. Ich würde keinem Arbeitnehmer raten, zu sagen, mir ist egal, wie es mit dem Betrieb weitergeht, denn im Arbeitsrecht gibt es auch Treuepflichten im Notfall." Ein Schaden an einer Produktionsanlage, weil sich der Techniker in Corona-bedingter Quarantäne zu Hause weigert, per Telefon an einer Lösung mitzuarbeiten, wäre ein Beispiel dafür. Außerdem ist "die Grenze, wann ein Notfall ein Notfall ist, nicht genau definiert".

Praktische Tipps für beide Seiten

Sozialpartnerschaftlich einig ist man sich aber, dass Homeoffice für beide Seiten Vorteile haben kann. "Es will ja keiner erkranken", sagt Gleißner von der WKÖ, "oder dass das Unternehmen in Gefahr gerät", sagt Gagawczuk von der AK. Feltin erinnert daran, dass der Arbeitgeber die Betriebsmittel zur Verfügung stellen muss, Laptops zum Beispiel.

Arbeitnehmer haben zudem einen gesetzlichen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen, etwa private Telefonkosten, sagt Feltin: "Selbst dann, wenn das vielleicht teurere Telefonat vom Handy mit einem Kunden in China, nicht zu einem Auftrag führt."

Beschäftigte haben die Pflicht, mit Arbeitsgeräten auch zu Hause sorgsam umzugehen und grundsätzlich für Sicherheit zu sorgen. Hier trage aber der Arbeitgeber das Risiko. Entsteht trotz der Bemühungen um Sicherheit ein Schaden, zum Beispiel indem das Firmennetzwerk wegen der geringeren IT-Security zu Hause als am Firmenstandort gehakt wird, liege es am Unternehmen, die Kosten für einen solchen Schaden zu tragen. Klare Regeln im Vorfeld helfen jedenfalls.

Klarheit sei auch bei der Arbeitsorganisation und Kommunikation hilfreich. Denn: "Studien zeigen, dass schon beim Homeoffice an wenigen Tagen sehr viele leere Kilometer gemacht werden, weil Anordnungen nicht klar sind oder Mitarbeiter nicht über Änderungen der Anforderungen informiert werden", sagt der AK-Experte Gagawczuk. "Das klingt so einfach, ist aber selbst in unserer Informationsgesellschaft nicht selbstverständlich."