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Die Ruhe vor dem Ansturm in die Spitäler

Von Simon Rosner

Politik

Die Krankenhäuser bereiten sich auf eine große Anzahl von Covid-19-Patienten vor. Der Engpass ist das Personal.


Nun hat auch Österreich seinen ersten bestätigten Todesfall aufgrund des Coronavirus. Ein 69-jähriger Mann starb im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital (KFJ), der sich in Italien angesteckt hatte und diverse Vorerkrankungen, wie etwa Diabetes und Bluthochdruck, aufwies. "Aber er war auf Urlaub, er war fit", sagte der behandelnde Arzt, Christoph Wenisch, von der 4. Medizinischen Abteilung für Infektiologie. Drei weitere Patienten liegen auf der Intensivstation, sie sind derzeit stabil.

Noch ist im KFJ wie in anderen Spitälern alles ruhig. Es gibt nur vereinzelt stationär aufgenommene Patienten mit Covid-19. Die vom Coronavirus ausgelöste Erkrankung greift in erster Linie die Lunge an und kann in einigen, wenigen Fällen zu einem Versagen des Organs führen. Das Problem ist aber die Menge an infizierten Personen. Am Donnerstag am Nachmittag waren es etwas mehr als 300 bestätigte Fälle, doch mit einem starken Anwachsen in den kommenden Tagen ist zu rechnen. Bundeskanzler Sebastian Kurz rechnete mit 1000 Erkrankten Ende dieser Woche und schon bald darauf mit dem Überschreiten der 10.000er-Grenze. Aufgrund der Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen dauert es, bis die von der Regierung gesetzten Maßnahmen zur Einschränkung der Sozialkontakte wirken - wenn sie wirken.

Darum kann sich die Lage in den Spitälern sehr schnell ändern. Österreich verfügt über die meisten Spitalsbetten pro Einwohner in Europa. "Es hat eine Qualität, dass wir eine Überkapazität haben", sagt die Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher. Ein Problem ist allerdings, dass es viele kleine Spitäler gibt und die Personalausstattung mit der Anzahl der Betten nicht nachkommt, wie der Mediziner und Publizist Ernest Pichlbauer, der auch in der "Wiener Zeitung" regelmäßig zu Gesundheitspolitik schreibt, sagt. Beim Personal liegt Österreich unter dem EU-Durchschnitt.

Es braucht mehr Intensivbetten

Das größte Kapazitätsproblem stellt aber auch nur ein spezifischer Teil der Krankenhausinfrastruktur dar, nämlich die Intensivstation. Bei den schweren Erkrankungen versagt die Lunge, entweder gänzlich oder zum Teil. Wie Windisch vom KFJ erklärte, kann teilweise die Gabe von Sauerstoff ausreichen. Diese Patienten können auf normalen, wenn auch abgeriegelten Stationen versorgt werden.

Bei den Intensivpatienten ist eine Beatmung notwendig. Dafür braucht es neben dem Sauerstoff auch ein Beatmungsgerät und das dafür entsprechend ausgebildete Personal. Es gibt derzeit rund 2500 Intensivbetten in Österreich, 600 davon in Wien. Während die Zahl der Beatmungsgeräte zumindest bis zu einem gewissen Grad aufgestockt werden kann und bei nicht ganz so schwerwiegenden Fällen auch mobile Geräte zum Einsatz kommen könnten, dürfte das Personal den Engpass darstellen.

Genau weiß man das allerdings nicht, es gab noch nie eine derartige Situation. Zwei Forscher vom "Complexity Science Hub Vienna" berechneten, dass in zwei Wochen die Kapazitätsgrenze erreicht sein könnte, sollten die Maßnahmen der Regierung keine Wirkung zeigen. Derartige Prognosen sind für die Planung und Notfallpläne relevant, sie unterliegen aber naturgemäß großen Unsicherheiten.

Um möglichst viele Kapazitäten freizuhalten, geht ein Krankenhaus nach dem anderen dazu über, nicht notwendige Operationen abzusagen, da auch nach kleineren Eingriffen zumindest in der Aufwachphase ein Intensivbett benötigt wird. "So können wir auch Personal nach Hause schicken, das sich dann bereithält", erklärt Johannes Schwamberger, Sprecher der Tiroler Landeskliniken. Wichtig ist auch: Die Covid-19-Patienten müssen aufgrund ihrer Infektiosität in eigenen Stationen behandelt werden.

Besuchsverbot in den Spitälern

Derzeit wird versucht, die Covid-19-Patienten im KFJ zu behandeln, ein Erkrankter sollte am Donnerstag aus Niederösterreich nach Wien transferiert werden. Doch zum einen sind sehr heftig erkrankte Personen nur bedingt transportfähig, zum anderen hat auch das KFJ nur bedingt Kapazität. "Es gibt einen Stufenplan", erzählt Wenisch. "Wenn meine Station voll ist, kommt die nächste, dann die nächste", sagte er, doch der Mediziner ergänzte: "Diese Stufen würde ich nicht gerne hinaufgehen."

Auch Wenisch kann nicht prognostizieren, wie sich die Lage entwickeln wird. Anzunehmen ist, dass die Zahl der hospitalisierten Personen deutlich zunehmen wird. Dahinter steckt die Vermutung, dass sich das Virus über jüngere Personen stärker verbreitet, da diese mehr Sozialkontakte haben, im Krankenhaus, besonders in der Intensivstation landen aber vor allem ältere Personen. Daher könnte es zu einer Verzögerung kommen: Sicher ist das aber nicht. Auch in Deutschland ist die Zahl der schwer Erkrankten gering. Am Donnerstag hat es den fünften Toten in Deutschland gegeben - bei rund 1300 Erkrankten. Die Mortalität wäre demnach 0,4 Prozent. In Italien liegt sie - statistisch - bei rund 7 Prozent. Diese Zahlen sind aufgrund der enormen Unterschiede allerdings mit Vorsicht zu konsumieren.

Wesentlich für die Überlebenschance ist aber das Funktionieren des Gesundheitssystems, vor allem der Spitäler. Unter anderem deshalb wurde ein Besuchsverbot im Krankenhaus verhängt, um die Belegschaft zu schützen. Auf diese wird viel zukommen in den nächsten Wochen.

"In der Dynamik der Erkrankung ist es absehbar, dass es weitere Tote geben wird", sagt Wenisch, der Leiter der Infektiologie im KFJ-Spital. "Die Intensivstation muss funktionieren", so Wenisch. "Wenn viele gleichzeitig kommen, geht es uns wie den Italienern", sagte der Mediziner. Dort ist die Versorgung zusammengebrochen.

Wenisch hatte am Donnerstag aber auch gute Nachrichten. Es gibt Intensivpatienten, die sich bereits auf dem Weg der Besserung befinden. "In den meisten Fällen erholt sich das Organ."