Österreich wird auf Notbetrieb heruntergefahren: Der Nationalrat hat am Sonntag einstimmig das große Gesetzespaket zur Bewältigung der Coronakrise beschlossen. Es bietet die Basis sowohl für zahlreiche Einschränkungen des öffentlichen Lebens als auch für wirtschaftliche Hilfen. So werden etwa gesetzliche Grundlagen für das Schließen von öffentlichen Orten wie Spielplätzen etabliert sowie für die Restriktionen im Handel und in der Gastronomie. Finanziell wird ein vier Milliarden Euro schwerer Fonds geschaffen, der alle möglichen Hilfen von Kurzarbeit über Unternehmer-Hilfen bis zum Ankauf von Instrumenten für den Gesundheitsbereich bedienen soll.

In der Minderheit blieben die Oppositionsanträge, unter anderem mit dem Ziel, dass es weiter einen Rechtsanspruch für Betriebe auf Entschädigung für Verdienstentgang gemäß dem (alten) Epidemiegesetz geben soll. Am Nachmittag hat auch der Bundesrat dem Gesetzespaket zur Bewältigung der Coronavirus-Krise zugestimmt. Danach fehlt nur noch die Unterfertigung des Bundespräsidenten sowie die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, um die Vorhaben bereits am Montag umsetzen zu können.

"Ausgangsbeschränkung" ausgerufen

 Die Bundesregierung hat für ganz Österreich eine "Ausgangsbeschränkung"  ausgerufen. Wie Bundeskanzler Sebastian Kurz am Sonntag sagte, werde es Ausnahmen, das Haus zu verlassen, nur bei speziellen Gründen geben: Berufsarbeit, die nicht aufschiebbar ist, dringend notwendige Besorgungen (Lebensmittel) und wenn man anderen Menschen helfen muss. Darüber hinaus sollen auch Spaziergänge gestattet sein, sofern diese alleine oder im Familienverbund (Personen, die in einem Haushalt leben) gemacht werden - das Kanzleramt appelliert, dies aber nur in dringenden Fällen zu tun. Die Beschränkungen im öffentlichen Raum werden laut Bundeskanzleramt ab Montag von der Polizei kontrolliert, im Bedarfsfall drohen auch empfindliche Verwaltungsstrafen.

Kurz wandte sich am Sonntagabend bei einer Fernsehansprache noch einmal an die Bevölkerung. Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit samt komplettem Veranstaltungsverbot seien "massiv", aber nötig. "Wir tun das, um Leben zu retten", sagte der Kanzler. "Und je mehr Menschen mittun, umso mehr Leben retten wir".

Bereits am Vormittag war beschlossen worden, wie gewährleistet werden soll, dass sich die Bürger an die Maßnahmen halten. Werden Personen von der Exekutive alleine angetroffen, gibt es laut Auskunft aus dem Kanzleramt keine Maßnahmen. Werden Gruppen angetroffen, werden diese darauf hingewiesen, "dass sie sich auflösen sollen", hieß es im Kanzleramt. Dies erfolgte schon am Sonntag. Ab Montag drohen dann bei Zuwiderhandeln Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 2180 Euro. Strafen sind auch möglich, wenn man die Platzverbote - etwa für Spielplätze - missachtet: Hier ist mit Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 3600 Euro zu rechnen. Die Regierung appelliert aber an die "Vernunft und Eigenverantwortung", wie es hieß.

Das Gesundheitsministerium präzisierte dann Sonntagabend noch einmal die Einschränkungen: eine Runde ums Haus, Joggen, eine Radtour, aber auch etwa in den Wienerwald fahren, um dort spazieren zu gehen, bleiben erlaubt. Wichtig ist, dass man nur im engsten Kreis unterwegs ist - also alleine oder nur mit Personen, mit denen man zusammenlebt. Und vor allem auch, dass ein Meter Abstand zu anderen gewährleistet ist.

Wie der Bundeskanzler zuvor in seiner Ansprache im Nationalrat bekannt gab, werden ab Dienstag die Restaurants und Gasthäuser ganztägig geschlossen. Auch Sport- und Spielplätze werden komplett geschlossen. Darüber hinaus werden ehemalige Zivildiener und die Miliz eingezogen.

Zivildienst wird verlängert

Zivildiener, die derzeit ihren Dienst verrichten, werden dies länger tun müssen. Das kündigten Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner an. Zusätzlich sind ehemalige Zivildiener aufgerufen, sich freiwillig für den Dienst in der Corona-Krise zu melden. Wenn das nicht reicht, werden ehemalige Zivildiener zwangsweise einberufen. Beim Bundesheer wird die Stellung sistiert, dafür soll die Miliz zur Krisenbewältigung helfen. Nicht nur die Zivildiener werden ihren Dienst länger ausüben müssen als erwartet. Das gleiche gilt auch für Grundwehrdiener. Kurz kündigte an, dass er Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) ersucht habe, die Ausmusterungen zu stoppen. Die Wiedereinberufung ehemaliger Zivildiener wird Männer betreffen, die in den letzten fünf Jahren ihren Dienst geleistet haben und zwar im Sanitätsbereich beim Roten Kreuz und in Pflegeheimen, präzisierte Bundeskanzler Kurz im Laufe des Tages. Sie sollen helfen, potenzielle Engpässe im Pflegebereich sowie in der 24-Stunden-Betreuung zu bewältigen. Bei der Miliz ist eine Teilmobilisierung von einigen Einheiten geplant.

Flugverkehr weitgehend eingestellt

Der Flugverkehr von und nach Österreich werde "fast zum Erliegen kommen", erklärte Kurz dann Sonntagabend in der "Sonder-ZiB" zur Coronakrise - und appellierte an alle Österreicher im Ausland, sich "dringendst auf den Weg" heim zu machen oder das Außenministerium zu kontaktieren, um heimgeholt zu werden.

Derzeit werde der Flugverkehr noch auf "Minimalbetrieb" durchgeführt, um Menschen heimzuholen. Aber sobald dies abgeschlossen ist, werden alle Flüge in Corona-gefährliche Gebiete gestoppt, betonte Kurz. Am Sonntag hat die Regierung - nach Schweiz, Spanien und Frankreich - weitere Flugverbote für Russland, Ukraine, Großbritannien und die Niederlande bekanntgegeben.

Versorgung gesichert

Dass die Restaurants ab Dienstag komplett geschlossen werden, also nicht einmal mehr bis 15 Uhr offen haben dürfen, begründete der Kanzler damit, dass die Versorgung über die Supermärkte und Lieferdienste gesichert sei. Kurz betonte, dass Österreich auf einen Notbetrieb heruntergefahren werden müsse und erinnerte auch daran, dass die Geschäfte ab Montag in nicht alltagsnotwendigen Branchen schließen müssten und auch an den Schulen keine Unterrichtspflicht mehr bestehe.  

"Die Krankheit bringt Leid und vielen Menschen den Tod", sagte Kurz. Der Bundeskanzler erinnerte an die Lage in Italien, wo es "hundert Tote pro Tag" gebe. Angehörige müssten sich von ihren sterbenden Angehörigen am Telefon verabschieden. Ärzte müssten entscheiden, wen sie noch behandeln könnten, weil nicht genügend Kapazitäten vorhanden seien. So ein Szenario will die Regierung mit den nun gesetzten Maßnahmen verhindern.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat am Sonntag im Nationalrat in drastischen Worten dazu aufgerufen, alle Sozialkontakte ab sofort extrem einzuschränken. Dass sich weiterhin Menschen in Parks versammelten oder die Einkaufsstraßen bevölkerten, wie ihm zuletzt berichtet worden sei, müsse sofort aufhören.

Sportplätze geschlossen

"Das kann es nicht mehr sein, dass darf es nicht mehr sein", sagte Kogler. Man werde "alles tun, um das zu unterbinden, dass es das nicht mehr gibt". Entsetzt zeigte er sich über Nachrichten, dass Sportvereine noch immer Trainings für Kinder und Jugendliche abhielten. Er drohte ihnen mit Subventionsentzug.

"Wer es nicht versteht, von den Sportvereinen jetzt, wer ab Montag, ab morgen das nicht einhält, der kann sich einmal jahrelang von Förderungen verabschieden", sagte er, schränkte gleichzeitig aber ein, hier keine Anweisungsbefugnis zu haben. Dennoch: "Ich meine das ernst: es sollen sich alle daran halten, und die, die sich nicht daran halten, dürfen auch mit Konsequenzen rechen."

"Halten Sie Abstand, das ist das, was am meisten hilft", so der Vizekanzler und Sportminister weiter. Viele hätten das noch nicht genug verstanden. "Bitte halten Sie sich daran, und machen Sie nurmehr die notwendigsten Erledigungen außerhalb Ihrer Wohnung. Treffen Sie sich auf keinen Fall in kleineren oder größeren Gruppen."

Menschen hätten das Problem zu verstehen, was ein exponentieller Zuwachs der Fälle bedeute. Er sprach daher von einer "explodierenden Zunahme". Das Erreichen der 1000er-Grenze drohe demnächst. Es gehe darum, Verhältnisse wie in der Lombardei zu verhindern.

Dank sagte er den Supermarktverkäuferinnen als "Heldinnen des Alltags", aber auch allen anderen Helfern, etwa Lehrern, Pflegern und Ärzten. Es gehe ums Zusammenhalten und Zusammenhelfen, so Kogler.

"Nehmen Sie die Situation ernst"

Kanzler Kurz verwies zudem darauf, dass in den Bundesländern Lazarette errichtet würden, sollte in den Spitälern nicht genügend Platz für Corona-Patienten sein.

Auch via Twitter appellierte der Bundeskanzler an die Bevölkerung, die Lage ernst zu nehmen: "Nehmen Sie die Situation ernst und glauben Sie den Beschwichtigungen nicht!", hieß es in einem Tweet am späten Samstagabend. "Nur gemeinsam können wir die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamen."

Ein weiteres Thema ist die wirtschaftliche Zukunft Österreichs: Teil der Gesetzesinitiative ist daher auch ein Fonds, über den Hilfen bis zu vier Milliarden Euro vergeben werden können - einerseits an die Wirtschaft bzw. zum Wohl der Arbeitnehmer, andererseits für Maßnahmen, die etwa zur Stärkung der Gesundheitseinrichtungen beitragen können. Was die Teilschließungen in Handel und Gastronomie angeht, werden auch hohe Strafen für Zuwiderhandeln fixiert.

Kurz rechnet mit Defizit

Kurz rechnet wegen der Coronakrise mit einem "massiven Defizit". Das werde aber notwendig sein, damit "die Unternehmen überleben und die Arbeitnehmer, überall dort, wo es möglich ist, ihre Jobs nicht verlieren". Vizekanzler Kogler sicherte der Wirtschaft nach den bereits beschlossenen vier Milliarden Euro weitere Unterstützung zu. (apa)