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Frauen, die das System erhalten

Von Martina Madner

Politik

Handel, Krankenhauspersonal, Reinigung - in der Corona-Krise sind viele Frauenbranchen systemrelevant. Welche Maßnahmen zum Schutz für sie gesetzt werden.


Die Sonne im Gemeindebau in der Großfeldsiedlung ist gerade am Untergehen, auf den Balkonen wird geklatscht. Szenenauftritt eines Rettungssanitäters der Johanniter-Unfallhilfe: Er marschiert über den Treppelweg zwischen den Grünstreifen. Das Klatschen wird zum tosenden Applaus, ein Konzert aus Jubel, Danke-Rufen und Pfiffen. Der Mann bleibt stehen, macht einen Kratzfuß, geht weiter. Das Video davon ist unter dem Hashtag #ApplausfuerDich untermalt mit Reinhard Fendrichs "I am from Austria" nachzusehen - und hat laut einem Posting "a bisserl Pipi in die Augen getrieben".

Auf sozialen Plattformen und bei offenen Fenstern im realen Leben häufen sich derzeit die Danksagungen für jene Berufsgruppen, die unser Leben in der Corona-Krise am Laufen halten und unter schwierigeren Bedingungen arbeiten müssen. Sie haben oft niedrigere Einkommen als die 4,2 Millionen unselbstständig Erwerbstätigen insgesamt: Das mittlere Bruttojahreseinkommen lag laut Statistik Austria bei 28.300 Euro im Jahr 2017. Meist sind es mehr Frauen als die durchschnittlichen 48 Prozent aller Branchen: Der Handel, die Spitäler und die Reinigung sind drei Beispiele, wo die Belegschaft mehr belastet ist - und Schutz vor Sars-CoV-2 braucht.

Paket für den Handel

Die Beschäftigten im Lebensmittelhandel hatten 2017 ein mittleres Jahreseinkommen von 16.900 Euro brutto. 77 Prozent der 242.200 im Verkauf sind Frauen. Zu Spitzenzeiten, als Tausende sich mit Klopapiervorräten und haltbaren Lebensmitteln eindeckten, waren sie sogar nächtens mit dem Nachschlichten der Waren beschäftigt und mussten von Grundwehrdienern dabei unterstützt werden. Die Beschäftigten hätten eine "Herkulesaufgabe" zu leisten, sagt WKÖ-Bundesspartenobmann Peter Buchmüller; sie seien "extremen Belastungen ausgesetzt", sagt auch die Vorsitzende der GPA-djp Barbara Teiber.

Das Einkaufsverhalten hat sich durch die Ausgangsbeschränkungen merklich verändert. Die Kunden kommen weniger oft, kaufen dafür aber mehr. Gleichzeitig nimmt die Kundenfrequenz zu späterer Stunde ab. Die Sozialpartner haben deshalb ein gemeinsames Corona-Schutzpaket geschnürt.

Die Geschäfte haben ab Inkrafttreten der Verordnung, "voraussichtlich ab kommendem Montag", künftig bis maximal 19 Uhr offen. Mitarbeiter können ihre Ruhezeiten besser einhalten, die frei werdenden Zeiten zum Nachschlichten der Regale nutzen. Das sei wichtig, weil "nur volle Regale Versorgungssicherheit signalisieren", heißt es in der Sozialpartner-Aussendung.

Corona-Prämien oder -Zulagen sollen lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei sein. Schwangere sollen vom Dienst freigestellt werden; ältere Beschäftigte und jene mit chronischen Erkrankungen nicht mehr im direkten Kundenkontakt eingesetzt werden. Dazu gelten nun einheitliche Schutzstandards: Die Arbeitgeber haben sich dazu verpflichtet, so rasch wie möglich Plexiglasscheiben an den Kassen zu montieren, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Kunden werden ihre Kundenkarten künftig selbst einscannen, außerdem wird es bald Bodenmarkierungen geben - für den notwendigen Sicherheitsabstand zwischen den Kunden, aber auch zum Personal.

Personal im Krankenhaus

In Krankenhäusern gibt es besser Verdienende, Fachärzte mit einem mittleren Jahreseinkommen von 93.400 Euro zum Beispiel. Hier liegt der Frauenanteil bei 42 Prozent. In der Krankenpflege aber, wo 85 Prozent Frauen arbeiten, sind es bei 33.700 Euro jährlich, in Pflegehilfsberufen gibt es 87 Prozent Frauen und 26.700 Euro mittleres Einkommen pro Jahr.

Die Arbeit in den Spitälern hat sich bereits intensiviert - durch noch strengere Hygienebestimmungen, neue Diensteinteilungen und Vorbereitungsarbeiten. "Das Spitalspersonal ist ein Schlüssel zum Erfolg" im Kampf gegen Covid-19, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Logisch: Denn je mehr Abteilungen durch Infizierte und Erkrankte geschlossen werden müssen, desto kleiner würden die Kapazitäten für die Versorgung aller Erkrankten und Verunfallten. Es gehe weniger um Betten oder Beatmungsgeräte, mehr um das Personal: "Der Intensivbereich für schwere Verläufe ist hier besonders wichtig." Für mildere Krankheitsverläufe sei man gut aufgestellt.

Die Regierung bereitet bis Montag ein neues Schutzkonzept vor, mit Schulungen für den Umgang mit Schutzausrüstung wie Gerät und Testungen des Gesundheitspersonals: Diese werden "drastisch erhöht", sagt Anschober. Täglich würden aktuell 2000 Tests in Österreich durchgeführt, man habe Kapazitäten für 30.000. "Dabei steht für uns das Spitalspersonal im Fokus."

Auch die Beschränkungen für Besucher, die diese Woche in den Spitälern bis auf Palliativ- und Kinderstationen eingeführt wurden, schützen das Personal.

Reinigungspersonal

Kaum sichtbar, aber wichtig ist auch das Reinigungspersonal: Die Branche ist mit 202.000 Beschäftigten zu 88 Prozent weiblich. Das mittlere Jahreseinkommen liegt bei 12.900 Euro brutto. In einem Stelleninserat vom Freitag ist von 8,98 Euro Bruttostundenlohn zu lesen, weniger als der Kollektivvertrag mit 9,23 Euro in der niedrigsten Stufe vorsieht.

Veronika Bohrn-Mena, die sich bei der GPA-djp um prekär Arbeitende bemüht, weiß von sehr vielen Scheinselbständigen die in der Reinigung auf Honorarbasis arbeiten. Dabei tragen sie sehr viel Verantwortung, sie müssen Ansteckungsgefahren in Krankenhäusern, Betrieben oder öffentlichen Verkehrsmitteln mindern. Die Arbeit intensiviert sich. Reinigungskräfte müssen nun etwa sehr viel häufiger Türklinken, Toiletten und anderes mehr reinigen als vor der Corona-Krise.

Zum kollektiven Danke für jene, die das System am Laufen halten, sagt Bohrn-Mena: "Es ist total nett, dass sie Wertschätzung erfahren." Mit Blick auf die Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft, die nach der Krise weitergeführt werden, sagt sie aber auch: "Wir hoffen natürlich auf ein besonders attraktives Angebot, gerade wo es jetzt solche besonderen Belastungen gibt."