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"Die Matura wird heuer nicht schwieriger, aber herausfordernder"

Von Mathias Ziegler

Politik
Christiane Spiel ist Professorin für Bildungspsychologie und Evaluation an der Universität Wien. Sie hat unter anderem Mathematik studiert. Uni Wien

Bildungspsychologin Christiane Spiel rät dazu, die aktuelle Ausnahmesituation zu nutzen und die Zentralmatura weiterzuentwickeln.


"Wiener Zeitung": Wird die heurige Zentralmatura schwieriger nach der Vorbereitung in Isolation?Christiane Spiel: Alles, was neu ist, wo wir keine Erfahrungen und Routinen haben, löst Unsicherheitsgefühle aus. Es stellen sich viele Fragen, auf die es noch keine klaren Antworten gibt. Entsprechend würde ich die heurige Matura nicht als schwieriger bezeichnen - die Maturafragen werden ja analog konzipiert wie auch in den vergangenen Jahren -, aber aufgrund der Begleitumstände als herausfordernder.

Ist es denkbar, dass man hier teils Milde walten lässt?

Diese Frage muss man dem Bildungsministerium stellen. Wichtig sind Transparenz und klare Kommunikation, das reduziert Unsicherheit und Sorgen, die sowohl das Lernen beeinträchtigen als auch die Erholungsphasen, die dann gar keine mehr sind.

Vor der Corona-Krise war ja auch heuer wieder die Mathematik-Zentralmatura ein Diskussionsthema. Ist sie wirklich zu schwer? Oder sind einfach viele Schüler schlecht vorbereitet?

Welches Wissen, welche Handlungskompetenz sollten Maturanten haben? Das ist eine Frage, die nicht nur in Mathematik derzeit diskutiert wird. Die schulischen Lehrpläne sind als Rahmenlehrpläne konzipiert. Das heißt, sie enthalten keine klaren Informationen darüber, was jeder unbedingt können sollte. Lehrpersonen können aus dem - im Allgemeinen zu umfangreichen Stoff - selbst eine Auswahl treffen. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Matura. Denn es ist auch nicht klar definiert, was Schüler beim Übergang in die Sekundarstufe II oder am Ende der Grundschulzeit können sollten. Hier sollten wohl alle das sinnverstehende Lesen beherrschen. An all diesen Fragen wird derzeit gearbeitet. Wichtig wird es dann sein, die Vorschläge breit zu diskutieren.

Zurück zur Mathematik-Zentralmatura: Sicherlich sollten nicht die Anforderungen von Jahr zu Jahr geändert und je nach den Leistungen eines Jahrgangs milder oder strenger beurteilt werden. Das würde der Grundidee der Zentralmatura zuwiderlaufen.

Hat sich die Zentralmatura bisher insgesamt bewährt?

Der Grund, sie einzuführen, war ja, dass die Leistungen der Schüler sehr unterschiedlich bewertet werden und die soziale Norm - das heißt, die Lehrperson bewertet die einzelnen Leistungen im Vergleich mit jenen der Mitschüler - noch eine sehr große Rolle spielt. Das zeigen ja etwa die Standarderhebungen. Wichtig ist, dass die Aufgaben, die bei der Matura gestellt werden, zentrale Elemente des Stoffs abdecken auch mit Blick darauf, was die Schüler später brauchen werden, und entsprechend kontinuierlich adaptiert werden.

Ob in allen Schultypen unabhängig davon, wie viele Stunden das jeweilige Fach unterrichtet wird, dieselben Aufgaben gestellt werden, sollte nochmals überdacht werden. Ein weiteres Problem stellt die Aufgabenbewertung durch die Lehrpersonen dar. In anderen Ländern wird das zentral durchgeführt.

Man könnte ja die aktuelle, für alle völlig unerwartete Situation zum Anlass nehmen, die Zentralmatura und auch die Vorwissenschaftlichen Arbeiten in Richtung Weiterentwicklung zu diskutieren, und zwar unter Einbindung von Vertretern aller Beteiligtengruppen.

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