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Im Homeschooling geht eine Schere zwischen den Kindern auf

Von Martina Madner

Politik

Ein Schulbarometer zeigt: 31 Prozent lernen mehr als 25 Stunden pro Woche, 18 Prozent aber weniger als 9 Stunden.


Bevor der Fahrplan für die 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler in den regulären Unterricht steht, lud Meinhard Lukas, Rektor der Linzer Johannes Kepler Universität zum JKU-Corona-Update-Talk. Es ging um Fragen wie: Wie wirkt sich Homeschooling aus? Wie sieht der Weg zurück in die Schule aus?

Stephan Huber, Bildungswissenschafter an der Pädagogischen Hochschule Zug mit einer JKU-Gastprofessur, erstellte ein "Schulbarometer", an dem 7100 Personen aus dem Lehrpersonal, der Eltern bis hin zu Schülern in Deutschland, Österreich und der Schweiz teilnahmen.

Es zeigt sich, dass der Nachwuchs zu Hause, zwar im Durchschnitt 17,3 Stunden pro Woche mit Lernen und Aufgaben für die Schule verbringt. Aber: 18 Prozent lernen weniger als 9 Stunden wöchentlich, 31 Prozent lernen 25 Stunden und mehr. Huber stellt also große Unterschiede fest: "Einige sind sehr motiviert und kreativ, was digitale Lernformen anbelangt, andere lernen fast gar nicht." Huber beschreibt den Typ des Zockers, dieser könne nicht früh aufstehen, sei insgesamt passiver als andere, verbringe aber im Vergleich zu Gleichaltrigen vier Mal so viel Zeit mit Computerspielen. "Die Unterschiede, die wir sonst auch haben, werden in der Krise noch deutlicher. Da geht eine Schere auf, wie sehr, können wir noch nicht sagen." Wie Huber geht auch Herbert Altrichter, Bildungswissenschafter an der JKU, davon aus, dass die Dunkelziffer der Nichtlernenden bis zu 30 Prozent ausmachen könnte, "da die Teilnahme an der Studie ja auch Aktivität erfordert".

Der optimale Weg zurück

Die gute Nachricht hatte Bernd Lamprecht, Pulmologe des Kepler- Uni-Klinikums. Daten aus China zeigten, dass sich nur ein Prozent der unter 10-Jährigen angesteckt hat, nur 5,6 Prozent dieser Kinder schwer, 0,6 Prozent sehr schwer. "Asymptomatisch Erkrankte sind weniger infektiös, nicht so leicht in der Lage, andere anzustecken." Die schlechte Nachricht: Sie sind ansteckend und Kinder können schwerer Corona-Vorsicht walten lassen als Erwachsene.

Die brennende Frage lautet also: Wie können die Schulen, den geringeren Lernerfolg kompensieren? Vor allem, weil diese nicht gleichmäßig verteilt sind, sondern in manchen Klassen zehn und mehr sind, die man in Corona-Zeiten nicht erreicht hat. Huber rät dazu, bei dem anzusetzen, was die Kinder außerhalb des Schulstoffs gelernt haben, das sei "eine ganze Menge", vom intensiven Umgang mit Geschwistern bis hin zur Bewältigung einer Krisensituation. Er schlägt eine geordnete Öffnung in Kleingruppen nach dem Rotationsprinzip und auf Vor- und Nachmittag verteilt vor. Wichtig sei es, dass niemand gebrandmarkt wird: "Ein Labeling, die Dummen oder Faulen, die man separiert, wäre hochproblematisch."

Altrichter nennt ein Beispiel aus Neuseeland von 2011, wo der Schulbetrieb nach Erdbeben nur sehr eingeschränkt möglich war. Es habe nicht mehr Dropouts gegeben, das Gelernte habe sich nicht grundsätzlich von anderen Jahrgängen unterschieden, die Schulen hätten sich als anpassungsfähig erwiesen. "Man darf also nicht sagen, das wird eine Katastrophe für diese Generation, sondern: Wie können die Schulen Resilienz herstellen und sich anpassen."