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Tappen im Dunkeln

Von Simon Rosner

Politik

Auch eine zweite Prävalenzstudie brachte wenig belastbare Daten, die Proben waren sehr klein. Was man sagen kann: Es gibt wenige aktuell Infizierte, Covid war aber nicht stark verbreitet.


Die Dunkelziffer von Covid-Erkrankten bleibt auch nach der jüngsten veröffentlichten Studie im Auftrag der Bundesregierung weitgehend im Dunkeln. Wie hoch der Anteil jener Personen ist, die mit dem Sars-CoV-2-Erreger infiziert waren oder aktuell sind, lässt sich nicht seriös bestimmen. Es sind wenige. Nur das lässt sich sagen.

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In der zweiten Prävalenzstudie, die diesmal von der Statistik Austria durchgeführt wurde und eine repräsentative Stichprobe mit 1432 Teilnehmern beinhaltete, wurde exakt eine aktuell infizierte Person mittels PCR-Test entdeckt. Eine Hochrechnung auf die Gesamtbevölkerung ist dadurch kaum möglich, wie auch der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien sagt. Offiziell waren am Montagmittag 1705 Personen als aktuell erkrankt registriert. Aufgrund der Studie lässt sich nur ausschließen, dass die Dunkelziffer sehr weit darüber liegt, also jenseits vom Zehnfachen dieses Wertes.

Dass sich in den vergangenen Wochen die Zahl der Neuerkrankungen in sehr niedrigen Regionen bewegt, war den epidemiologischen Daten zu entnehmen. Am Sonntag gab es in Österreich überhaupt nur zehn neue Fälle, wobei sich diese Zahl durch wochenendbedingte Nachmeldungen noch erhöhen könnte.

Getestet wurde diesmal aber auch die Seroprävalenz durch Antikörpertests. Doch die Erwartung, dadurch den Anteil jener bestimmen zu können, die bereits das Coronavirus hatten, wurde nicht erfüllt. Das Sample betrug nur 269 Personen, bei 12 von ihnen wurde eine wirksame Immunreaktion gefunden. Diese Getesteten hatten das Virus.

Daraus ergibt sich eine große statistische Bandbreite von 1,36 bis maximal 7,97 Prozent Durchseuchung. "Es ist alles mit Vorsicht zu genießen", sagte die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl. Bei der Studie in Österreich wurde auch nicht eine Region getestet, sondern die Proben kamen aus 27 stärker betroffenen Gemeinden. Allerdings war keine darunter aus dem Bezirk Landeck, wo es die meisten Fälle gab. Zum Testzeitpunkt gab es allerdings dort noch Quarantänemaßnahmen. Es ist denkbar, dass die Prävalenz in Ischgl oder St. Anton höher liegt als das von der Statistik Austria angegebene Konfidenzintervall. Was sich aber sagen lässt: Die Hoffnungen einiger, dass in Wahrheit schon viel mehr, etwa 30 Prozent infiziert waren, wird sich nicht erfüllen. Zumindest nicht in Österreich.

Viele Antikörpertestsauf dem Markt

In New York City kam man auf rund 20 Prozent Durchseuchung, in Gangelt in Deutschland in einer Untersuchung der Uni Bonn auf 14 Prozent. In den Niederlanden wurden Blutspender getestet, dort seien drei Prozent ermittelt worden, sagte Puchhammer-Stöckl. Das Problem dieser Untersuchungen besteht aber auch in der Güte der Testverfahren. Und auch dazu diente diese Stichprobe.

Denn derzeit wird eine Reihe von Antikörpertests verschiedener Hersteller auf den Markt geworfen. Die von den Produzenten angegebene Qualität muss aber noch im klinischen Prozess geprüft, die Tests also validiert werden. Es zeigte sich auch diesmal bei den Schnelltests, dass es einige falsch positive Testergebnisse gab. Das heißt, die Tests schlugen an, obwohl keine Antikörper vorhanden waren. Es gab vermutlich Kreuzreaktionen mit anderen Viren.

Die MedUni Wien kontrollierte alle positiven Tests darauf, ob neutralisierende Antikörper vorhanden waren. Das ist ein zwar sicheres, aber eben auch sehr aufwendiges Verfahren und daher nicht für den Masseneinsatz geeignet. Daher ist es das Ziel, jene Tests zu ermitteln, die dann auch bei den Neutralisationstests gut abschneiden. Noch ist man aber nicht so weit. Und die geringe Ausbeute dieser Stichprobe brachte die Forscherinnen und Forscher auch nicht viele Schritte weiter. Nur einen kleinen Schritt. Derzeit wäre aber jedenfalls ein echter Massentest auf Antikörper mit schnellen, automatisierten Verfahren, um zu erfahren, wie groß die Durchseuchung ist, viel zu fehleranfällig.

Immunität nichtausreichend nachgewiesen

Die Chance jedoch, dass ein hohes Ergebnis herauskäme, das dann die Politik zu weiteren Öffnungen veranlasst, ist jedoch gering. Und sie ist mit dieser, wenn auch kleinen Studie noch kleiner geworden. Zudem scheinen vor allem die Schnelltests mit Fingerkuppen-Blut für den individuellen Einsatz nicht geeignet. Es gibt zu viele falsche Ergebnisse.

Ein falsch positiver Test kann in die Irre führen, weil er Immunität suggeriert. Es ist noch nicht einmal geklärt, ob und wie lange ehemalige Virusträger immun sind. In Deutschland wird zwar bereits über Immunitätsausweise diskutiert und auch in Österreichs Regierung, wie Antonella Mei-Pochtler, Beraterin von Sebastian Kurz, der "Financial Times" erzählte. Noch fehlt dafür aber Wesentliches: wissenschaftliche Erkenntnisse zur Immunität und verlässliche Antikörpertests für den Masseneinsatz.