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Hacklerfrühpension wird zum Männerprivileg

Von Karl Ettinger

Politik

Bis 2027 werden nur männliche Pensionisten von der Sonderregelung profitieren.


Das Papier kommt aus seinem Ressort und wird gerade dem von den Grünen gestellten Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober besonders zu denken geben. Die erste Bilanz des Sozialministeriums über die seit Beginn dieses Jahres geltende Regelung für Langzeitversicherte, vulgo Hacklerfrühpension, hat es in sich. Unter den 9200 Personen, die im Vorjahr neu in den Ruhestand getreten sind, waren 79 Prozent Männer, haben Experten des Sozialministeriums festgestellt. Sie haben für die Sitzung der Alterssicherungskommission an Dienstag (9. Juni) diesen ersten Bericht, der der "Wiener Zeitung" vorliegt, als Grundlage ausgearbeitet.

Sozialminister Anschober wird vor allem eine Entwicklung zu denken geben, auf die seine Fachleute aufmerksam machen. Die Sonderregelung, die nach 45 Beitragsjahren mit 62 Jahren Arbeitern, Angestellten, Bauern und Gewerbetreibenden den Antritt der Frühpension ohne Pensionskürzungen erlaubt, wird zunehmend zu einem Privileg für Männer. Von 79 Prozent Männeranteil steigt der Wert sogar auf hundert Prozent. Er "bleibt bis 2027 auf diesem Niveau", wird in dem Papier des Sozialministeriums für die Pensionskommission prognostiziert. Die Bestrebungen der Grünen und von Anschober gehen grundsätzlich in die genau entgegengesetzte Richtung. Sie wollen bestehende Nachteile im Pensionssysteme für Frauen abbauen.

Angestellte nutzen Hacklerregelung am häufigsten

Auch wenn landläufig von der Hacklerpension die Rede ist, so profitieren weniger Hackler, also Arbeiter. Nach der vorliegenden ersten Bilanz haben mehrheitlich Angestellte die Hacklerfrühpension ab 62 Jahren genutzt. Diese beschert jenen, die die Hacklerpension seit heuer nützen, bis zum Tod eine abschlagsfreie Pension. Von 2014 bis 2019 waren hingegen Abschläge fällig. Diese Form der Pensionskürzung wurde im freien Spiel der Kräfte vor der Nationalratswahl im September 2019 vor allem auf Betreiben der SPÖ und der Gewerkschaft mit Wirkung vom 1. Jänner 2020 abgeschafft. Für weibliche und männliche Beamte ist es hingegen nach 42 Arbeitsjahren und einem Pensionsantritt ab 62 bei Abschlägen geblieben, obwohl dies die SPÖ ebenfalls abschaffen wollte.

Auffallend sind auch weitere Beobachtungen zur Hacklerfrühpension. Während viele Neupensionisten aus der Arbeitslosigkeit in den Ruhestand wechseln, erfolgt bei der Hacklerpension der Umstieg zum allergrößten Teil aus vorheriger Erwerbstätigkeit. 94 Prozent der Hacklerpensionisten waren vor dem Pensionsantritt berufstätig, dieser Wert bezieht sich allerdings auf das Jahr 2018.

Die Experten des Sozialministeriums leiten davon die bemerkenswerte Schlussfolgerung ab: "Es handelt sich demnach um jene Personengruppe, die zu einem längeren Verbleib im Erwerbsleben motiviert werden könnte, um das faktische Pensionsantrittsalter an das Regelpensionsalter heranzuführen." Während das Regelpensionsalter in der gesetzlichen Pensionsversicherung für Arbeitnehmer, Bauern und Selbständige bei 65 Jahren liegt, beträgt das durchschnittliche tatsächliche Pensionsalter im Schnitt gut 61 Jahre.

Ein anderer Trend hält an. Die Pension nach der Hacklerregelung ist im Durchschnitt deutlich höher als bei anderen Alterspensionen. Dies rührt vor allem daher, dass sie mit 45 Arbeitsjahren eine lange Beitrags- und Versichertenzeit aufweisen, die bei der Pensionsbemessung zum Tragen kommt. Bei Neuzugang in die Langzeitversichertenregelung war die Pension 1,5 Mal so hoch wie der Durchschnitt bei anderen Alterspensionen. Auch das bezieht sich auf 2018, als es noch Pensionskürzungen bis zu 12,6 Prozent gab. Diese Abschläge fallen bei Hacklerpensionen seit 2020 weg, damit fallen diese im Schnitt heuer noch höher aus.

Gleichzeitig wurden für das Jahr 2018 die höchsten Nettoersatzraten, das ist die Pensionshöhe in Relation zum früheren Aktiveinkommen gezählt. Die Nettoersatzrate lag bei Männern bei immerhin 84 Prozent des früheren Aktivbezugs, wie im Expertenbericht festgestellt wird.

645 Millionen Euroan Mehrkosten

Die seit heuer geltende Abschlagsfreiheit für Hacklerfrühpensionen sorgt laut dem Papier gleich für mehrere allgemeine Kritikpunkte. "Die Regelung läuft den Bestrebungen zur Erhöhung des faktischen Pensionsalters zuwider", wird unter Verweis auf einen Beschluss der Alterssicherungskommission vom Dezember 2019 festgestellt. Wie berichtet, ist das tatsächlich Pensionszugangsalter heuer nach Daten aus dem ersten Quartal 2020 leicht um 0,2 Jahre auf 61,1 Jahre gesunken.

Die Hacklerregelung ist auch gegen den versicherungsmathematischen Grundsatz, dass Abschläge eine Gleichbehandlung zwischen Versicherten mit unterschiedlichem Pensionsantrittsalter sowie der jeweiligen Dauer ihrer Beitragszahlung und der Lebenspensionssumme sicherstellen sollen. Vom Fachchinesisch in den Alltag übersetzt, bedeutet das: Wer früher in Pension geht, wird mit Abschlägen und somit dauerhaften Pensionskürzungen bestraft.

Diese Vergünstigung, von der bis 2027 nur mehr Männer profitieren werden, führt zu finanziellen Mehrbelastungen, die letztlich von den Steuerzahlern aus dem Budget abgegolten werden müssen. Die geschätzten Mehrkosten werden bis 2024 mit 645 Millionen Euro beziffert. Ein Hauptgrund, warum nur Männer profitieren, ist, dass für Frauen noch bis 2024 das niedrigere reguläre Pensionsantrittsalter von 60 Jahren gilt. Dieses wird ab dann bis 2033 schrittweise auf 65 Jahre angehoben.