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Corona-Arbeitslosigkeit ist weiblich

Von Martina Madner

Politik

Im Vergleich zum Februar gab es im Juni um 64.000 mehr Arbeitslose. Die Gründe, warum das zu 85 Prozent Frauen sind.


Breaking News von den ÖGB-Frauen: Von den 64.000 mehr Arbeitslosen im Juni mehr als vor dem Beginn der Corona-Krise sind 85 Prozent Frauen. "Frauen dürfen jetzt nicht aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden", warnt ÖGB-Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende Korinna Schumann. Eine wöchentliche Präsentation der Arbeitsmarktzahlen bringe Frauen nicht rascher in den Arbeitsmarkt zurück, kritisiert Schumann die Regierung: "Was wir dringend brauchen, ist, dass wieder zumindest 50 Prozent des AMS-Förderbudgets für Frauen verwendet werden, was unter Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) abgeschafft wurde."

Da Frauen in den Monaten des Shutdowns häufiger als Männer für die Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren und Urlaub verbrauchen mussten, brauche es darüber hinaus einen flächendeckenden Ausbau von kostengünstigen Betreuungsangeboten. "Frauen haben Angst um ihre Jobs und brauchen jetzt Unterstützung. Eine noch höhere Arbeitslosigkeit muss unbedingt vermieden werden", betont Schumann.

Warum aber sind die Folgen der Krise am Arbeitsmarkt scheinbar stärker für Frauen spürbar? Die "Wiener Zeitung" versucht den Ursachen mit Arbeitsmarkt-Experten auf den Grund zu gehen.

Saisonale Effekte

Ein Blick auf die Entwicklung der unterschiedlichen Branchen zeigt deutlich, dass sich der Arbeitsmarkt am Bau im Juni im Vergleich zum Februar am dynamischsten entwickelt hat: Während im Februar noch fast 50.000 arbeitslos gemeldet waren, sind es im Juni nur noch 25.700. Die Branche ist männlich: Von den arbeitslosen am Bau im Februar waren nur 3500 weiblich, von jenen im Juni 3900. "Umgekehrt sehe ich keine Branche, wo sich die Beschäftigung ebenfalls so gut entwickelt hat, die den Frauen, aber nicht den Männern zugutekommt", stellt Wifo-Arbeitsmarkt-Expertin Julia Bock-Schappelwein fest. Der Grund für die gute Entwicklung der Baubranchen ist allerdings ein auch in Nicht-Krisen-Jahren üblicher saisonaler Effekte.

AMS-Arbeitsmarktforscher Marius Wilk sagt folglich: "Die Männerarbeitslosigkeit geht von Februar bis Juni immer stärker zurück als jene von Frauen." Im Winter gibt es wenig Arbeit am Bau, auch Baunebengewerbe und Zulieferer werden saisonbedingt zurückgefahren. "Wird es wärmer, gibt es wieder mehr Baustellen - und damit weniger Arbeitslose."

Krisenbedingt arbeitslos

Sowohl Bock-Schappelwein als auch Wilk und IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer weisen darauf hin, dass sich die Arbeitslosigkeit zwar im Juni 2020 im Vergleich zum Juni 2019 drastisch verschlechtert hat: Heuer waren mit rund 415.000 um 150.000 mehr Personen arbeitslos als im Vorjahr. Das ist ein Anstieg von genau 56,8 Prozent. "Der Unterschied zwischen Frauen und Männern bei diesem Anstieg ist aber marginal", sagt Hofer. Tatsächlich gibt es bei Männern im Juni heuer um 56,2 Prozent mehr Arbeitslose als im Juni des Vorjahres, bei Frauen um 57,4 Prozent.

Also Entwarnung? Sind keine speziellen Maßnahmen für Frauen notwendig? Nicht ganz, sagt Wilk: "Wir sehen hier mehrere Effekte, die auf einmal wirken." Neben dem saisonalen Effekt zeigen sich Corona-Effekte gerade in Branchen, in denen viele Frauen arbeiten. Der Shutdown mit vorübergehenden Betriebsschließungen wirkte sich auf Gastgewerbe und Tourismus, den Handel und persönliche Dienstleistungen wie Frisiersalons besonders deutlich aus. "Und da gibt es einen deutlich höheren Frauenanteil", sagt Wilk. Die Arbeitslosigkeit im Tourismus hat sich bei Frauen im Juni mit 39.000 im Vergleich zu 17.000 im Juni des Vorjahres mehr als verdoppelt. Auch im Handel suchten heuer im Juni 35.000 Frauen erfolglos Arbeit, zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr waren es 24.000. Bock-Schappelwein und Wifo-Kolleginnen stellten schon zu Beginn der Krise fest, dass sich die Arbeitslosigkeit von Frauen - anders als bei Männern - vor allem auf den Tourismus konzentriert. Zwar ist die Arbeitslosigkeit in dieser Branche im Juni heuer auch im Vergleich zum Jahr davor auch bei Männern von 13.000 auf 17.000 angewachsen.

Ein Blick auf die Beschäftigten offenbart ein noch deutlicheres Bild: Im Vergleich zum Vorjahr gab es im heurigen Juni um 30.000 weniger Jobs im Tourismus für Frauen und um 23.000 weniger für Männer. Besonders für Frauen bedauerlich wäre, wenn es sich nicht um vorübergehende, sondern andauernde, langfristige Effekte handelt. "Das ist extrem von der Reisefreiheit abhängig", sagt Wilk. "Und von der Entwicklung von Corona", ergänzt Hofer.

Betreuungspflichten

Tatsächlich haben bei Paaren mit Kindern Mütter deutlich mehr Zeit für unbezahlte Kinderbetreuungsarbeit aufgewendet als Väter - für bezahlte Arbeit blieb bei Frauen mit Kindern weniger Zeit als bei Vätern übrig. Aus der AMS-Vermittlungsstatistik lassen sich solche Effekte aber nicht ablesen. "Bei der Einstellung spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, da braucht es eine genauere Analyse, um eventuelle geschlechtsspezifische Muster sichtbar zu machen", erklärt Wilk vom AMS.

Er sagt allerdings auch: "Dass Kinderbetreuungsverpflichtungen mehr von Frauen übernommen wurden und deshalb gerade in den Sommerferien Probleme bei der Vermittlung zu vermuten sind, wissen wir." Wie die ÖGB-Frauen sagt auch der AMS-Experte: "Wie schwierig die Arbeitsaufnahme für Frauen tatsächlich wird, ist sehr stark vom Kinderbetreuungsangebot der Länder und Gemeinden abhängig."