Zum Hauptinhalt springen

Krebs kennt keinen Lockdown

Von Florentina Höhs

Politik

Die Corona-Krise erschwerte Therapie und Früherkennung von Krebs. Die Behandlung sollte aber nicht verschoben werden.


Krebs kennt keinen Lockdown." Das ist für Christian Singer, Leiter des Brustgesundheitszentrums der Medizinischen Universität Wien und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (ÖGS), das Credo, wenn es um den Umgang mit Krebs in Corona-Zeiten geht. Die ÖGS, ein Forum für Brustgesundheit, präsentierte am Dienstag erste Zahlen und Fakten zur Brustkrebsbehandlung und -früherkennung während der Corona-Krise.

Laut einer Studie der Uni Innsbruck wurden in der Früherkennung während des Lockdowns von März bis Mai im Vergleich zum Vorjahr zwar um 40 Prozent weniger Mammakarzinome neu diagnostiziert. Alexandra Resch zufolge, Radiologin und Radioonkologin am Franziskus Spital Margareten, sei jedoch auch die Frequenz der Screening-Untersuchungen im März und April um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen.

Diese seien nur zum Teil wieder nachgeholt worden. "Wir liegen derzeit noch immer zirka 15 Prozent unter den Zahlen des Vorjahres", sagte Resch - und möchte den Frauen die Angst nehmen, im Zuge des Screenings oder einer Behandlung in einer medizinischen Einrichtung an Covid-19 zu erkranken. Diese seien bestens ausgestattet, so Resch, und böten die höchstmögliche Sicherheit. Singer appellierte ebenfalls an alle Krebspatientinnen und -patienten, die Therapie nicht abzubrechen und auch die Früherkennung nicht zu vernachlässigen.

"Dringende Behandlungen wurden durchgeführt"

Eva Schernhammer, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der MedUni Wien, beruhigt: Die bisher größte Studie, die zu Covid-19 im Zusammenhang mit Krebs an der Vanderbilt University in den USA mit 928 Krebspatienten durchgeführt wurde, habe ergeben, "dass sowohl Krebsart als auch die Krebsbehandlungen das Risiko, an Covid-19 zu sterben, nicht zu beeinflussen scheinen". Besonders gefährdet seien hingegen Krebspatienten, die an einer ernsthaften Vorerkrankung wie Diabetes oder einer Herzerkrankung leiden und jene, die sich in einem schlechten Allgemeinzustand befinden.

Alle dringenden Krebsbehandlungen seien auch im Lockdown durchgeführt worden, bestätigte Singer. Die Zahlen der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), die Daten für das Gesundheitsministerium auswertet, zeigen allerdings, dass es bei Krebs und Krebsverdacht einen Rückgang der Krankenhausaufenthalte um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gibt. Das betrifft laut GÖG sowohl Therapien als auch diagnostische Eingriffe.

Die Anzahl der Brustkrebsoperationen ging in Österreich von etwa 500 im März 2020 auf rund 350 im Mai zurück. Seitdem ist nur ein langsamer Anstieg bemerkbar. Auch die Spitalaufenthalte zur Behandlung von Brustkrebs sind im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Davon weiß Patientenanwalt Gerald Bachinger gegenüber der "Wiener Zeitung" ebenfalls zu berichten: "Die aus medizinisch-fachlichen Gründen notwendige kontinuierlich fortzusetzende Therapie wurde in vielen Fällen schlagartig unterbrochen - und zwar sowohl im niedergelassenen Bereich als auch im Krankenhausbereich."

Zusätzliche psychische Belastung durch Lockdown

Die GÖG führt das darauf zurück, dass die stationäre Versorgung auf akute und dringende Fälle reduziert wurde, um Betten für mögliche Covid-19 Fälle freizuhalten. Für Betroffene war diese Situation mit großen Belastungen verbunden und könnte weitreichende Folgen haben: Neben den direkten somatischen Verschlimmerungen durch verschobene Behandlungen entstehe eine zusätzliche psychische Belastung durch den Lockdown, die "wiederum negative Rückkoppelungen auf die somatische Seite mit sich bringen kann", so Bachinger.

Das wahre Ausmaß der Kollateralschäden werde man wohl erst in einigen Jahren durch medizinische Studien und Evaluierungen feststellen können.