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Juristenlob für Covid-Gesetz

Von Daniel Bischof

Politik

Verfassungsrechtler sehen bei der Neuregelung der Ausgangsbeschränkungen und Corona-Maßnahmen deutliche Verbesserungen zum Vorentwurf. Die SPÖ ortet noch kritische Punkte.


Für die rechtliche Arbeit seines Ressorts wurde Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bisher gescholten. Der Ministerialentwurf, mit dem die Corona-Maßnahmen samt Ausgangsbeschränkungen neu geregelt wurden, geriet während der Begutachtung im August unter heftige Kritik. Anschober versprach Besserung und legte am Montag eine neue Fassung vor.

Der zweite Entwurf wird von Verfassungsrechtlern nun positiver beurteilt. "Deutliche Verbesserungen" und "präzisere Regelungen" sehen Karl Stöger von der Uni Graz und Peter Bußjäger von der Uni Innsbruck. Der Entwurf schafft laut den Verfassungsjuristen eine solide gesetzliche Basis für erneute Ausgangsbeschränkungen. "Es ist der klare Wunsch erkennbar, dass man den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs Rechnung tragen will", sagt Stöger.

Der Verfassungsgerichtshof hatte Mitte Juli die Lockdown-Verordnung für gesetzwidrig erklärt. Denn das Covid-19-Maßnahmengesetz hatte dem Gesundheitsminister lediglich erlaubt, Betretungsverbote für bestimmte Orte zu verordnen. Anschober verbot mit der Lockdown-Verordnung im März und April aber österreichweit das Betreten des öffentlichen Raums. Trotz der Ausnahmebestimmungen handle es sich in der Sache um ein "allgemeines Ausgangsverbot", so das Höchstgericht. Und ein "derart umfassendes Verbot" sei nicht durch das Gesetz gedeckt.

Wohnungen nicht umfasst

Daraufhin arbeitete das Gesundheitsressort eine neue Fassung des Maßnahmengesetzes aus, damit im Fall steigender Corona-Zahlen erneut bundesweite Beschränkungen erlassen werden können. Der erste Ministerialentwurf im August glückte aber nicht: Rechtsanwälte und Verfassungsjuristen stießen sich an den unklaren Bestimmungen. So sei in dem Entwurf etwa nicht klar geregelt, ob sich Verbote auch auf private Wohnstätten erstrecken können.

Dieses Manko sehen Verfassungsjuristen nun entschärft. Einerseits verboten werden kann künftig das Betreten von Betriebsstätten, Arbeitsorten und Verkehrsmitteln. Andererseits auch das Betreten und Befahren von "bestimmten Orten" und "öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit". Was diese Orte seien, werde nun "sehr genau" definiert, so Stöger. Das ist "gut geregelt", befindet Bußjäger.

Ausgenommen von den Verboten ist im zweiten Entwurf nun der private Wohnbereich, dazu zählen auch Gärten und Keller. Andere "bestimmte private Orte" können hingegen davon umfasst sein: "Dazu zählt jeder Ort, der nur von vornherein festgelegten Personen betreten werden kann - aber eben nicht zum privaten Wohnbereich gehört", sagt Stöger. Darunter fallen etwa Fitnessstudios und Vereinslokale.

Neue Ausgangsregeln

Auch Ausgangsbeschränkungen sind wieder möglich, allerdings nur mehr unter deutlich strengeren Voraussetzungen. "Es gibt ein abgestuftes System. Das Gesetz sieht nun klare Eskalationsstufen vor", erläutert Stöger. Zunächst müssen sonstige Maßnahmen wie Betretungsverbote ergriffen werden. Nur dann, wenn man der Corona-Situation nicht mehr Herr wird und insbesondere ein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung droht, dürfen umfassende Ausgangsbeschränkungen erlassen werden.

Weitere Einschränkungen gibt es durch eine erweiterte parlamentarische Mitsprache: Verordnungen, mit denen eine Ausgangsregel erlassen wird, dürfen nur im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates erlassen werden. In diesem sitzen Abgeordnete aller Parteien, im Zweifel genügt bei der Abstimmung eine einfache Mehrheit. Zudem sind solche Verordnungen mit zehn Tagen befristet, bei jeder Verlängerung ist wieder Einvernehmen herzustellen.

Kommt es zu einer Ausgangssperre, darf die Wohnung nur mehr aus fünf Gründen verlassen werden: zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr, zur Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen, zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse, für berufliche Zwecke und zum Aufenthalt im Freien zur "körperlichen und psychischen Erholung".

SPÖ-Kritik an Kontrollen

Macht diese letzte "Spaziergehen-Ausnahme" aber nicht, wie möglicherweise beim ersten Lockdown, den Zweck der Ausgangsbeschränkungen zunichte? Nein, meint Stöger: "Die Regelung ist jetzt anders formuliert. Natürlich kann die Erholung stundenlang dauern, aber ich brauche den sportlichen oder psychischen Zweck. Das Ziel darf nicht sein, andere Leute zu besuchen." Private Feiern sollen damit unterbunden werden. Hier könne es zwar zu Beweisschwierigkeiten kommen, sagt Stöger: "Aber das wird dann halt in Verwaltungsstrafverfahren zu klären sein."

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim sieht ebenfalls Verbesserung zum Erstentwurf. Mit manchen Regelungen ist sie aber "absolut unzufrieden", darunter den Ausgangsbeschränkungen. Diese seien "überschießend und intransparent", wie sie der "Wiener Zeitung" erklärt. Es könne nicht sein, dass man "in Bausch und Bogen verfügen kann, dass gesunde Menschen ihre Wohnung nicht verlassen können". Sie fordert, dass die Regelung aus dem Entwurf vollends gestrichen wird.

Kritik übt Yildirim auch an den Kontrollmöglichkeiten der Behörden. Ihnen werden zur Überprüfung vom Gesetz diverse Befugnisse eingeräumt. Sie dürfen Betriebsstätten, Arbeitsorte, Verkehrsmittel und bestimmte Orte betreten und besichtigen, "sowie in alle Unterlagen Einsicht" nehmen und Beweismittel sichern. "Künftig werden de facto Hausdurchsuchungen in Betrieben, privaten Garagen oder Lagerräumen, Schrebergärten oder allgemeinen Teilen von Wohnungseigentumsgemeinschaften ohne gerichtliche Anordnung möglich", so Yildirim.

Bußjäger hält die Kritik für überzogen. Solche Befugnisse seien auch in Verwaltungsgesetzen wie der Gewerbeordnung vorgesehen und müssten verfassungskonform interpretiert werden. Allerdings gebe es im Gesetzestext "Unschärfen" und "Unklarheiten". Er schlägt vor, noch eine klarstellende Formulierung hineinzunehmen, wonach Dokumente mit Berufsgeheimnissen ausdrücklich von den Kontrollen ausgenommen werden.

Verzögerungen möglich

Neben der Neuregelung der Corona-Beschränkungen wird mit dem Gesetzesentwurf auch die gesetzliche Basis für die Corona-Ampel geschaffen. Auch kleinere Änderungen im Epidemiegesetz und Tuberkulosegesetz sind vorgesehen. Aus dem jetzigen Entwurf wurde auch die ursprünglich geplante Regelung gestrichen, wonach Betriebe, Veranstalter und Vereine zur Sammlung und Aufbewahrung von Daten von Gästen und Besuchern verpflichtet werden.

Die SPÖ will mit der Koalition nun über die Corona-Gesetze verhandeln. Beschlossen werden soll die Vorlage kommenden Mittwoch vom Nationalrat. Der Bundesrat soll am 8. Oktober nachziehen. Stimmen dort FPÖ und SPÖ mit Nein, wird das Gesetz an den Nationalrat zurückwandern und wohl wenige Tage später per Beharrungsbeschluss durchgedrückt. Eine noch längere Blockade in der Länderkammer, die auch möglich wäre, strebt die SPÖ aktuell nicht an. Die Freiheitlichen beharren auf die Durchführung eines Expertenhearings im Gesundheitsausschuss.