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Rempeleien zwischen Ländern und Bund

Von Karl Ettinger

Politik

Vor Treffen im Kanzleramt gibt es sogar zwischen ÖVP-Landeschefin Mikl-Leitner und Kanzler Kurz Unstimmigkeiten.


Ich bin froh, dass einige Bundesländer regionale Maßnahmen gesetzt haben und schnell reagieren." Die Nachricht, die Bundeskanzler Sebastian Kurz am Donnerstag via Twitter ausgeschickt hat, war offenkundig ein Seitenhieb auf Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Ausgerechnet die ÖVP-Politikerin hat in den vergangenen Tagen mehrfach, zuletzt im "Kurier", mangelnde Klarheit und Geschlossenheit der Bundesregierung bei der Bewältigung der Corona-Epidemie beklagt. Das fällt besonders auf, weil die Chefin der mächtigen ÖVP-Landesorganisation als frühere Innenministerin Kurz schon während dessen "Lehrjahren" ab 2011 als Integrationsstaatssekretär wohlwollend unter ihre Fittiche genommen hat.

Nein zu früherer Sperrstunde

Mikl-Leitner hat am Dienstag aber mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) einen gemeinsamen Kurs eingeschlagen und die Empfehlung von Kurz, andere Bundesländer mögen den Vorreitern Vorarlberg, Tirol und Salzburg bei der Vorverlegung der Sperrstunde von 1.00 Uhr auf 22.00 Uhr folgen, abgelehnt. Die öffentliche Aufforderung des Kanzlers und ÖVP-Obmanns war ausdrücklich an Niederösterreich und Wien gerichtet gewesen, wo es im Bundesländervergleich die höchste Zahl an Corona-Neuinfektionen gibt. Das Lob von Kurz via Twitter für "einige Bundesländer" erfolgte einen Tag vor einem extra eingeschobenen Zusammentreffen mit allen Landeshauptleuten am Freitagnachmittag im Kanzleramt. Dort werde das weitere Vorgehen in Sachen Corona beraten, sicherte Kurz zu.

Die Rempeleien und Nadelstiche zwischen Mikl-Leitner und Kurz seit Anfang September sind Zeichen dafür, dass die Beziehung zwischen Bund und Ländern alles andere als friktionsfrei ist. Hauptgrund dafür ist die Umsetzung der Corona-Ampel, die die türkis-grüne Bundesregierung mit ihren auf Druck von Kurz verhängten bundesweit verschärften Corona-Maßnahmen sofort umgangen hat. Auch ÖVP-Landeshauptleute waren ungehalten darüber, dass sie ihrer Meinung nach zu wenig in die Entscheidungen eingebunden waren. Das steigerte sich noch, weil die Landeschefs den Unmut von Bürgern über die verwirrende Vorgangsweise der Regierung zu spüren bekamen. Mikl-Leitner ist beispielsweise gerade bemüht, den Kontakt mit der Bevölkerung in Corona-Zeiten in neuer Form im Zuge der Herbstkampagne ihrer Landespartei aufrechtzuerhalten.

Hacker und Bund im Clinch

Zwischen der Bürgermeisterpartei SPÖ in Wien und dem Bund gibt es im Vorfeld der Gemeinderatswahl Dauerreibereien und gegenseitige Vorwürfe. Vonseiten der Regierung gab es von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Kritik am fehlenden Personal und den langsamen Corona-Tests in Wien. Ludwig zeigte dem Bund bei der früheren Sperrstunde ab 22 Uhr die kalte Schulter. Wiens roter Gesundheitsstadtrat Peter Hacker wies die Schuld für Versäumnisse umgekehrt der Bundesregierung zu. Am Donnerstag beklagte Hacker die fehlende Gesetzesbasis für verpflichtende Gästelisten in Lokalen.

In den Kontroversen zwischen Kurz und Anschober einerseits und den Landeschefs andererseits schaltet sich bisweilen Vizekanzler Werner Kogler ein. Via "Salzburger Nachrichten" nahm sich der Grünen-Chef die Länder, allen voran, Stadtrat Hacker, zur Brust, weil seit Mai Vorgaben seines grünen Parteikollegen und Gesundheitsministers Anschober nicht umgesetzt würden. Für das Treffen mit den Landeshauptleuten am Freitag im Kanzleramt gibt es demnach genug Stoff.