Die Regierung gab es zwar nicht über den Boulevard bekannt. Armutskonferenz und Caritas aber freuen sich trotzdem darüber: Mit der Erhöhung der Ausgleichszulage in der Pension von 966,65 auf 1000 Euro ab 2021 gehe auch die Erhöhung von Mindestsicherung und Sozialhilfe einher. Das heißt, rund 268.000 Personen österreichweit - davon 102.000 Kinder -, die die Statistik Austria 2019 in Sozialhilfe oder Mindestsicherung zählte, profitierten ebenfalls von der am Sonntag bekannt gegebenen "Pensionserhöhung".
Für Caritas Wien-Direktor Klaus Schwertner ist das Ausgleichszulagen-Plus folglich "eine sinnvolle Maßnahme im Kampf gegen Alters- und Kinderarmut. Wir hoffen, dass noch weitere Schritte folgen." Denn: Mit der Corona-Krise müssten sich nun sehr viele Menschen an die Caritas wenden, "die zuvor nie auf unsere Hilfe angewiesen waren." Auch Martin Schenk, Sozialsprecher der Armutskonferenz spricht von "einem wichtigen und richtigen Schritt gegen Armut". Er wünscht sich mehr solcher sozialstaatlicher Antworten, dafür "weniger Bittstellerfonds" in Anspielung auf den Familienhärteausgleich und den -krisenfonds, die "Wiener Zeitung" berichtete.
Laut Gesetz gibt es keinen Automatismus
Wobei: Die "gmahde Wiesn" ist es nicht. Der an der Universität Salzburg beschäftigte Sozialrechtsexperte Walter Pfeil führt aus, dass da auch noch die Bundesländer ein Wörtchen mitzureden haben.
Das Sozialministerium stellt zwar klar, dass die Pensionsanpassung auch Auswirkungen auf die Sozialhilfe und Mindestsicherung habe. "Der Ausgleichszulagen-Einzelrichtsatz ist die maßgebende Größe für die Richtsätze der Mindestsicherung". Abzüglich der Krankenversicherung werden aus den 966,65 Euro netto 917,35 für Alleinstehende oder Alleinerziehende. Von den 1000 Euro blieben ihnen 2021 also 945 Euro netto. Mit dem Anheben des Richtsatzes seien auch mehr Personen von Rezeptgebühren befreit, er wirke sich auch auf Zuzahlungen für Kur- und Rehaaufenthalte aus, auch ob Rundfunkgebühren zu zahlen seien. Pfeil ergänzt um die Freigrenzen für Pfändungen, die dementsprechend erhöht werden.
Aber zurück zur Sozialhilfe: "Die Unterstützung von Haushalten mit niedrigen Einkommen, worunter auch und besonders Sozialhilfe- und Mindestsicherungbeziehende fallen, war ein wichtiges Anliegen des Ministers während der Budgetverhandlungen", heißt es aus Rudolf Anschobers Ministerium. Und: "Der Beschluss der Bundesregierung, neben der stärkeren Erhöhung der niedrigen Pensionen auch die Ausgleichszulage zu erhöhen, ist daher sehr erfreulich und ein entscheidender Schritt zur Armutsbekämpfung."
Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes schreibt den Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz allerdings als Höchst- und nicht als Mindestsatz vor. Zwar haben die beiden Bundesländer Nieder- und Oberösterreich, wo es bereits Ausführungsgesetze zum Bundesgesetz gibt, obwohl gerade sie jene waren, die einen restriktiven Zugang zu dieser Sozialleistung vorantrieben, zwar tatsächlich den genannten Höchstsatz ausbezahlt, also 100 Prozent der Ausgleichszulage vermindert um die Versicherung ausbezahlt. Was aber die Anpassung angelangt, sieht Pfeil zwar "eine dringende Einladung an alle Bundesländer, aber keinen Automatismus". Denn in Niederösterreich ist zwar das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und der konkrete Paragraf zur Ausgleichszulage als Referenz vermerkt, "ein Landtagsbeschluss könnte aber eine Sozialhilfe-Erhöhung aushebeln". Oberösterreich ist in seinem Gesetz noch unkonkreter, nennt das ASVG nicht, auch keinen Passus zur dynamischen Anpassung der Höhe. Laut Pfeil könnte das Gesetz "theoretisch auch statisch zu verstehen sein", dann bliebe es bei 917,35 Euro netto wie heute. Anders in Salzburg, wo das bereits beschlossene Gesetz 2021 in Kraft treten wird: "Hier ist festgehalten, dass sich die Sozialhilfe an der Ausgleichszulage orientiert." Und in den anderen sechs Ländern? Da sind noch keine Ausführungsgesetze beschlossen. Es kommt also auf den guten Willen der Gesetzgebenden in den Bundesländern an, ob sie Anschobers Willen folgen werden.