Zum Hauptinhalt springen

Abgewöhnen von Frühpensionen

Von Karl Ettinger

Politik

Studie rät zu Verhaltensänderungen in kleinen Schritten. Experten ist kräftige Pensionserhöhung ein Dorn im Auge.


"Offenbar scheint es ein Tabuthema zu sein." Der Leiter der Alterssicherungskommission, Walter Pöltner, dankte deswegen ausdrücklich, dass nun eine neue Pensionsstudie fertiggestellt wurde. Damit könne es einen "seriösen Diskussionsprozess" geben. Pensionsreformen hat die Bundesregierungen zuletzt gescheut. Im Ministerrat wurde hingegen die angekündigte außertourliche Erhöhung niedrigerer Pensionen am Mittwoch beschlossen. Zur gleichen Zeit empfahl das Institut für Höhere Studien (IHS) in einem Bericht Ansätze zur Abkehr vom frühen Pensionsantritt durch Verhaltensänderungen. Salopp formuliert soll sich die Bevölkerung die Frühpension mit kleinen Schritte selbst abgewöhnen.

Im Fokus stand dabei einmal mehr das im Schnitt mit gut 60 Jahren in der gesetzlichen Pensionsversicherung niedrige Pensionsantrittsalter. Ziel ist für IHS-Studienleiter Florian Spitzer das gesetzliche Pensionsalter für Männer von 65 Jahren. Für Frauen wird es in Etappen ab 2024 erhöht. Für weibliche und männliche Beamte liegt es bei 65 Jahren. Reformansätze sollen zum Umdenken führen. "Die soziale Norm ist die Pension mit 65 Jahren", so Spitzer.

Nach kräftigem Pensionsplus droht eine Reform

In Österreich erscheint jedoch die Korridor-Frühpension ab 62 Jahren als Norm. Daher solle statt des vorzeitigen Ruhestandes stärker in den Vordergrund gestellt werden, dass diese Pension dann dauerhaft gekürzt wird. Statt Frühpension solle daher von einer "Abschlagspension" die Rede sein.

Weitere kleine Schritte in der Studie, die im Auftrag des Vereins "Aktion Generationengerechtigkeit" erstellt wurde, zielen unter anderen auf mehr Gesundheitsvorsorge bereits im Berufsleben und Schritte zu mehr Prävention. Kommissionschef Pöltner betonte, dass es nicht nur um Änderungen im Pensionsrecht, sondern auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt gehe. Schließlich sei Arbeitslosigkeit ein wichtiger Grund für einen Pensionsantritt. Durch die Corona-Krise wird diesbezüglich der Druck noch steigen.

Statt des geltenden wahlweisen Pensionssplittings von Eltern für Kindererziehungszeiten wird ein automatisches Splitting, das man wahlweise ablehnen könne, empfohlen. Das sieht auch der Koalitionspakt von ÖVP und Grünen vor. Bei Verhandlungen über einen Entwurf geht es aber noch um Details, heißt es.

Der gleichzeitige Regierungsbeschluss, niedrige Pensionen für 2021 statt um die Teuerungsrate von 1,5 Prozent bis zu 3,5 Prozent zu erhöhen, überschattete freilich die Studienpräsentation. Gleichzeitig lässt die Regierung von unpopulären Pensionsreformen die Finger. Experten kritisieren das vehement. "Es erhöht natürlich den Druck auf die langfristige Finanzierbarkeit", betonte IHS-Chef Martin Kocher. Es werde daher eine Pensionsreform geben müssen: "Man wird etwas tun müssen."

Die Regierung hebt die gut 200.000 Mindestpensionen (Ausgleichszulagen) auf 1.000 Euro brutto im Monat an. Bis 1.400 Euro sinkt die Anhebung linear auf 1,5 Prozent, bis 2.333 Euro bleibt sie bei 1,5 Prozent, darüber gibt es einen Fixbetrag von 35 Euro mehr.

Kocher und Pöltner ist das ein Dorn im Auge, weil nicht alle Bezieher niedriger Pensionen von Armut bedroht seien. "Das ist nicht so", sagte Pöltner. Zum Teil handle es sich um Teilpensionen aus dem Ausland mit weiteren Einkünften oder es sei durch Teilzeitarbeit bedingt. Kocher ortete "sehr große Mitnahmeffekte".

Er erwartet steigenden finanziellen Druck für den Staat wegen hoher Ausgaben durch die Corona-Krise. Man habe auch wegen hoher Beitragseinnahmen in den vergangenen Jahren die "Illusion" gehabt, "dass alles locker finanzierbar ist". Man werde aber für die langfristige Finanzierung der Pensionen etwas tun müssen, etwa beim faktischen Pensionsantrittsalter. Es sei denn, man erhöhe die Beiträge aus dem Bundesbudget.

Pöltner ist auch die neuerliche Sondererhöhung der niedrigen Pensionen insofern ein Dorn im Auge, als dies inzwischen dauernd passiert. "Als einmalige Maßnahme ist das verkraftbar", sagte er, nicht aber "wenn das zum Prinzip wird".

SPÖ will volle Abgeltung für Pensionen ab 2.333 Euro

Kritik kommt auch von der SPÖ an dieser Ungleichbehandlung. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner sieht nicht ein, dass Bezieher von Pensionen über 2.333 Euro brutto im Monat nicht die volle Teuerungsabgeltung, sondern nur den Fixbetrag von 35 Euro gemäß Regierungsplan erhalten werden. Damit kommen Menschen mit mittleren Löhnen und/oder langen Beitragszeiten zum Handkuss. Die SPÖ wird beim Beschluss im Nationalrat die volle Abgeltung für Pensionen bis zu Höchstbeitragsgrundlage von 5.370 Euro im Monat verlangen. Hingegen soll es laut SPÖ für "Luxuspensionen" ab 10.000 Euro im Monat maximal den Fixbetrag geben. Eine nötige Verfassungsänderung würde die SPÖ mittragen.