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Attentäter stand kurz vor Stellungstermin bei Bundesheer

Von Karl Ettinger

Politik

ÖVP und FPÖ überziehen einander mit gegenseitigen Vorwürfen wegen des Amtes für Verfassungsschutz. Die Grünen fordern breiten Rückhalt für die BVT-Reform. Die Volksanwaltschaft prüft Ermittlungspannen.


Eine Woche nach dem Terroranschlag mit vier unschuldigen Todesopfern und einem erschossenen islamistischen Attentäter spitzt sich die Kontroverse zwischen ÖVP und FPÖ um den Zustand des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu. Aus dem Parlamentsklub der Grünen, dem Koalitionspartner der ÖVP, kommt jetzt aber auch die Aufforderung an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), dass man sich bei der geplanten Reform des Verfassungsschutzes als auch bei der Einsetzung der angekündigten unabhängigen Untersuchungskommission, die etwaige Fehler im Vorfeld des Anschlags untersuchen soll, die Einbeziehung des Parlaments erwarte. "Natürlich soll das Parlament, sollen die Fraktionen miteingebunden werden", sagte der grüne Parlamentarier David Stögmüller im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ausgerechnet am Dienstag standen auch die Beratungen im Budgetausschuss zum Kapitel Inneres auf dem Programm, womit die Abgeordneten mit dem Innenminister zusammentreffen konnten.

Grünes Lob für Nehammers ersten Schritt zur BVT-Reform

"Dass das BTV schon länger unter schwerwiegenden Problemen leidet, ist kein Geheimnis", betonte Stögmüller. Es sei daher auch kein Geheimnis, dass eine Reform notwendig sei, weil es im BVT "massive Missstände" auch vor den von Kickl angeordneten Hausdurchsuchungen 2018 gegeben habe. Ein erster Teil ist inzwischen beschlossen. Eine umfassendere Reform ist von Nehammer für Anfang 2021 in Aussicht gestellt worden.

Der grüne Nationalratsabgeordnete hält dem ÖVP-Innenminister zugute, dass bei der ersten Etappe der BVT-Reform eine breite Einbindung erfolgt sei. "Hut ab", zollte Stögmüller Lob: "Ich hoffe, dass dieser Weg auch weitergegangen wird." Denn, so Stögmüller: "So eine wichtige Reform kann nur gemeinsam über Parteigrenzen hinweg gemacht werden." Die Einbeziehung des Parlaments gilt für ihn auch für die Einsetzung der unabhängigen Untersuchungskommission, die der Innenminister in der Vorwoche zugesichert hat. Diese soll etwaige Fehler beim Vorgehen und bei der Observierung des Attentäters F. in den vergangenen Monaten prüfen. Der Attentäter ist im Dezember 2019 nach einer Verurteilung, weil er für den Islamischen Staat (IS) kämpfen wollte, vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Im Sommer wurde dann offenkundig seine Überwachung abgebrochen, obwohl es zuvor Informationen aus der Slowakei nach Wien gegeben hat, dass er Munition kaufen wollte, und trotz der Warnungen aus Deutschland, dass es Treffen mit Islamisten aus Deutschland und der Schweiz in Wien gegeben habe. In der Zwischenzeit ist ebenfalls laut Medienberichten bekannt geworden, dass der Attentäter kurz vor seinem Stellungstermin gestanden haben sollen. Der Sprecher des Bundesheeres bestätigte, dass er diesen unmittelbar vor sich gehabt haben soll.

Wer die Untersuchungskommission leiten wird und wer ihr angehören wird, war im Laufe des Dienstags offen. Der Wiener Polizeipräsident Gerald Pürstl wehrte sich im ORF-"Mittagsjournal" dagegen, schon jetzt weitere Konsequenzen neben der in der Vorwoche erfolgten Ablöse des Chefs des Wiener Landesverfassungsschutzes auszusprechen. Mehrmals wiederholte er, "gebotene Schritte" seien Gegenstand der Untersuchungskommission.

Aktiv geworden ist hingegen die Volksanwaltschaft, besser Volksanwalt Walter Rosenkranz. Ein Prüfverfahren zu den Vorgängen bei den Terrorermittlungen wurde eingeleitet.

ÖVP attackiert Kickl wegen Verrat der Razzia

Politisch brisant ist das deswegen, weil Rosenkranz während der schwarz-blauen Koalition FPÖ-Klubobmann im Parlament gewesen ist. Mit der Prüfung solle Klarheit geschaffen werden, weil der Verdacht im Raum stehe, "dass fehlerloses Agieren durch die zuständigen Behörden und die daraus resultierenden Maßnahmen seitens der Justiz den Terroranschlag verhindern hätten können", teilte Rosenkranz mit. Konkret sollen die Vorgänge um den vereitelten Munitionskauf in der Slowakei, die abgebrochene Observierung des Attentäters und der mögliche Verrat der vorbereiteten Großaktion gegen den radikalen politischen Islam geprüft werden.

Lautstarke Begleitmusik der nach wie vor laufenden Ermittlungen zum Wiener Terroranschlag ist ein harter Schlagabtausch zwischen ÖVP und FPÖ, die während ihrer Regierungszeit von Dezember 2017 bis Mai 2019 in der Öffentlichkeit stets besondere Harmonie zur Schau gestellt haben. FPÖ-Klubchef Ex-Innenminister Kickl stufte das BVT als "Sauhaufen" ein und drängt auf einen Rücktritt von Innenminister Nehammer. Für die ÖVP rückten am Dienstag ÖVP-Klubobmann August Wöginger und Sicherheitssprecher Karl Mahrer eigens zu einer Entlastung des Innenministers und zum Frontalangriff auf Kickl in einer Pressekonferenz aus. Das gipfelte in Wögingers Attacke: "Kickl hat einen Haufen Mist hinterlassen - nicht nur Pferdemist", meinte er in Anspielung auf Kickls Pläne für Polizeipferde. Die FPÖ-Spitze mit Obmann Norbert Hofer eilte dem Klubobmann daraufhin zur Hilfe.