Gut eine Woche nach dem Terroranschlag in Wien hat die türkis-grüne Bundesregierung die Weichen für die angekündigte Ausweitung der rechtlichen Handhabe gegen Terroristen, allen voran islamistische Gefährder, gestellt. Die beiden weitreichendsten Maßnahmen, die auch für den meisten Zündstoff sorgen werden: Verurteilte Täter werden künftig in Sonderhaft genommen und – wie schon jetzt geistig abnorme Rechtsbrecher – im Maßnahmenvollzug in Gefängnissen in Verwahrung genommen, bis von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht. Aktuell befinden sich 1.192 Häftlinge, 13,8 Prozent aller Gefangenen, im Maßnahmenvollzug.
Aus der Haft entlassene Terroristen werden zudem zur besseren Überwachung mit einer Fußfessel ausgestattet. Ein umfassendes Anti-Terrorpaket wurde am Mittwoch vorerst als Punktation im Ministerrat beschlossen, im Dezember soll ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden. Vorgesehen sind auch Verschärfungen für Waffenbesitz, beim Entzug der Staatsbürgerschaft und bessere Möglichkeiten zur Schließung von Moscheen und zur Bündelung der Terrorabwehr in der Justiz.
"Terrorismus und die Ideologie dahinter müssen mit allen Mitteln bekämpft werden", führte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach der Regierungssitzung als Begründung für das Anti-Terrorpaket an. Schon unmittelbar nach dem Attentat hatte die ÖVP kritisiert, dass der IS-Anhänger F. im Dezember 2019 vorzeitig aus der Haft entlassen worden ist, obwohl sich dieser nicht von seinen radikal-islamischen Ansichten distanziert hat. In diesem Punkt hakt die geplante drastische Änderung im Strafrecht ein. Unter Einhaltung der Menschenrechtskonvention strebt die Bundesregierung an, zu Haft verurteilte Terroristen "wie bei geistig abnormen Rechtsbrechern", so Kurz, im Maßnahmenvollzug zu verwahren.
Dies soll so lange erfolgen, bis laut Experten-Gutachten feststeht, dass sie deradikalisiert sind. Für den Bundeskanzler bedeutet dies: Wenn ein geistig abnormer Rechtsbrecher lebenslang so inhaftiert sein kann, "kann auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden". ÖVP und Grüne betonten, dass eine so weitreichende Maßnahme menschenrechtskonform sein müsse. Es entscheide aber das Parlament, für welche Tat welche Strafe verhängt werde.
Die ÖVP spricht in dem Zusammenhang von einer "Präventivhaft". Es handelt sich dabei aber nicht um die nach der türkis-grünen Regierungsbildung heftig diskutierte Sicherungshaft, bei der Asylwerber schon im Vorhinein auch ohne konkreten Verdacht inhaftiert werden könnten. Betroffen könnten laut Regierungsangaben rund 100 radikal-islamistische Gefährder sein, die derzeit zum Teil noch in Haft sind und in nächster Zeit das Gefängnis verlassen könnten. Bei geistig abnormen Rechtsbrechern sind derzeit vor einer Entlassung Gutachten notwendig, in denen praktisch prognostiziert wird, ob von dem Betroffenen noch eine Gefahr für die Gesellschaft ausgeht.
Fußfessel zur besseren Überwachung
Das Justizministerium mit Ressortchefin Alma Zadic (Grüne), die wegen Selbst-Isolation nach einem Corona-Fall in ihrem Ministerium mittels Videoschaltung in das Pressefoyer nach dem Ministerrat eingebunden war, kämpft freilich schon jetzt mit einer hohen Zahl an Häftlingen im Maßnahmenvollzug, was sehr personalintensiv ist. Unter anderem soll die Justizanstalt in Asten bei Linz ausgebaut werden, um mehr Platz für den Maßnahmenvollzug zu schaffen, nachdem es immer wieder Kritik an den Zuständen gab. Die Grünen tragen das Maßnahmenpaket jedenfalls mit, wie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) versicherte: "Dieses Anti-Terrorpaket der Regierung wirkt gegen alle Arten von Terror."
Fixpunkt des Maßnahmenpakets ist weiters die Möglichkeit, dass potenzielle Gefährder nach einer Haftentlassung mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet werden. Damit möchte die Bundesregierung erreichen, dass eine möglichst lückenlose Überwachung vor allem des Kreises radikal-islamischer Personen gewährleistet wird. Im Falle des Wiener Attentäters F. hat allerdings der Verfassungsschutz offenkundig trotz Hinweisen ausländischer Geheimdienste auf Treffen mit deutschen und Schweizer Islamisten die Observation im Sommer beendet. Der Bundeskanzler begründete die Notwendigkeit dieser verstärkten Überwachung wie schon am vergangenen Donnerstag im Nationalrat damit, dass es sich bei diesen Menschen um "tickende Zeitbomben" handle.
ÖVP und Grüne werden auch die Möglichkeiten ausweiten, um gegen das Umfeld im radikal-islamischen Bereich leichter vorgehen zu können. Dem dient eine Ergänzung der Straftatbestände "zum effektiven Vorgehen gegen religiös motivierten politischen Extremismus", wie den politischen Islam. Das zielt darauf ab, dass Moscheen einfacher geschlossen werden können. Schwerpunktaktionen gegen Moscheen, in denen islamistische Prediger aktiv sind, hat es in der Vergangenheit bereits gegeben, allerdings wurden betroffene Einrichtungen danach rasch wieder geöffnet. Darüber hinaus ist ein Register für Imame geplant, um den Hintergrund möglicher IS-Gefährder besser zu überblicken.
Geplant ist auch, dass die Finanzierung von extremistischen Einrichtungen durch das Ausland besser kontrolliert werden kann. Damit soll etwa radikal-islamischen Vereinen die Erhaltung durch Geldgeber aus dem Ausland in Österreich erschwert werden. Dabei ist auch eine Verschärfung der Bestimmungen gegen Geldwäsche geplant.
Auflagen für den Kauf von Waffen
Innenminister Karl Nehammer war es vorbehalten, weitere Verschärfungen im Waffengesetz anzukündigen. Wer einmal wegen einer terroristischen Straftat verurteilt worden ist, darf lebenslang keine Waffe mehr besetzen. Verpflichtend wird außerdem, dass beim Kauf einer Waffe zuvor Einsicht in die Extremistendatei des Innenministeriums genommen wird.
Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass die Justiz im Falle des Wiener Attentäters F. vom Verfassungsschutz nicht über mögliche neue Gefährdungen informiert worden ist. Damit es künftig zu einer verbesserten Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Justiz kommt, wird eine eigene, zentrale Stelle zur Terrorabwehr geschaffen. In dieser werden die Aufgaben von Staatsanwaltschaft und Gerichten gebündelt, wie Justizministerin Zadic erläuterte. Ähnlich wie bei Gewaltanwendung gegen Frauen sind weiters sogenannte Fallkonferenzen geplant.
In zwei Punkten sind Maßnahmen erst in Vorbereitung. Bereits heute, Donnerstag, wird Nehammer die Zusammensetzung und den Untersuchungsauftrag für die angekündigte unabhängige Untersuchungskommission zu Ermittlungspannen vor dem Terroranschlag vorstellen. Zweiter Fixpunkt ist ein Umbau des Bundesamts für Verfassungsschutz.