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Neun von Zehn fordern Schulkosten-Ersatz für Kinder in Armut

Von Martina Madner

Politik
Kosten für Schulmaterialien, Ausflüge und Veranstaltungen sind schon für Durchschnittsfamilien belastend. Für armutsgefährdete Kinder und Jugendliche umso mehr.
© Unsplash/Eliottt Reyna

Eine Umfrage für die Volkshilfe zeigt, dass Schulkosten mehr als zwei Drittel der Durchschnittsfamilien belasten. 90 Prozent plädieren für kostenlose Schulmaterialien und Nachhilfe für Kinder, die von Armut betroffen sind.


Wien. Das Sozialbarometer von Sora, eine repräsentative Umfrage für die Volkshilfe Österreich, zeigt: Ein Drittel der 1.000 Befragten ab 15 Jahren weiß, dass jedes fünfte Kind in Österreich von Armut betroffen ist. 12 Prozent dachten, dass jedes dritte Kind in Armut lebt. Mehr als die Hälfte aber schätzte die Kinderarmut in Österreich weit weniger dramatisch ein: 43 Prozent gingen nur von jedem zehnten, elf Prozent von jedem zwanzigsten Kind, das hierzulande in Armut lebt, aus.

Dabei sind die laufenden Kosten, die für Familien durch die Schule entstehen, sogar für viele mit durchschnittlichem Einkommen belastend: 30 Prozent der betroffenen Befragten sagen, dass die Belastung, die die Kosten beim Schulstart, für Ausflüge, Veranstaltungen und Materialien im Laufe des Schuljahres verursachen, groß sind. Weitere 40 Prozent belasten Schulkosten zum Teil, nur 30 Prozent können sie ohne Probleme stemmen.

Damit die Corona-Krise die Situation der Kinder, die in Armut leben, sich nicht weiter verschärft plädieren die Befragten für mehr Unterstützung durch die öffentliche Hand: Denn 92 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass insbesondere von Armut betroffene Kinder nach der Krise mehr Unterstützung in Form von Nachhilfe und Sozialarbeit benötigen; 90 Prozent sind dafür, dass in Armut lebende Kinder einen kostenlosen Zugang zu Schulmaterialien und -veranstaltungen haben sollten. "Das Gemeinwesen muss die Menschen unterstützen. Es kann nicht sein, dass Schule eine riesen finanzielle Belastung ist", folgert Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich, aus den Umfrage-Ergebnissen. Denn: "Die Gesundheitskrise von heute darf nicht noch mehr zu einer Sozialkrise von morgen werden. Wir müssen die Kinder aus der Armut rausholen, damit sie nicht Armutsbetroffene von morgen werden."

Volkshilfe pilotiert eine Kindergrundsicherung

Was kann dazu beitragen, dass Kinderarmut vermindert wird? Als Antwort liefert Fenninger eine Kindergrundsicherung. Seit zwei Jahren läuft ein Pilotprojekt, bei dem die Lücke zwischen den durchschnittlich 625 Euro an Kosten, die in einer Familie pro Kind für Wohnraum, Schule und Nachhilfe, Lebensmittel, Kleidung entstehen, und dem, was die Familien selbst tragen können, nach Einkommen gestaffelt von der Volkshilfe ausgeglichen werden.

Ausgerollt bedeutet das Modell eine monatliche Unterstützung von 200 Euro für alle Kinder unter 18 Jahren und einen einkommensgestaffelten Mehrbetrag für jene, die von Armut bedroht sind. Als Kostenpunkt, um "nur" manifeste Armut von Kindern zu vermeiden, hat das Europäische Zentrum für Sozialforschung 900 Millionen Euro an jährlichen Mehrkosten berechnet. Will man auch Armutsgefährdung vermindern, wären zwei Milliarden Euro notwendig. "Das klingt nach viel Geld, rechnet sich aber später, weil sich diese Kinder später selbst finanzieren können", erläutert Fenninger. Die Kindergrundsicherung würde die Armutsgefährdungsrate und akute Armut von Kindern und Jugendlichen auf sechs Prozent senken, derzeit liegt sie bei 19 Prozent.

Die Idee der Kindergrundsicherung ist im Sozial- und im Bildungsministerium und bei verschiedenen Wirtschaftvertretern deponiert, sagt Fenninger: "Bei Letzteren findet insbesondere der Weg über Bildung als Weg aus der Armut großen Anklang." Die Volkshilfe initiierte zwischenzeitlich auch ein Folgeprojekt, bei dem über Spenden Kinder in einer Partnerschaft nachhaltig mit 100 Euro monatlich ein Jahr lang unterstützt werden.