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Wie geheim Dienste sein dürfen

Von Daniel Bischof

Politik

Die Opposition fordert in Österreich schärfere Kontrolle der Verfassungsschützer, ÖVP spricht von "Inszenierung". Bundestagsabgeordneter Patrick Sensburg gibt Einblicke ins deutsche System.


Stärkere Auskunftsrechte, mehr Informationen, strenge Pflichten für den Innenminister: Die Opposition forderte am Freitag eine schärfere parlamentarische Kontrolle des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Derzeit sei das "BVT eine Blackbox", sagte Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper. Sie kritisierte, dass das Parlament vom Innenministerium keine relevanten Informationen über die Tätigkeit der Behörde erhalte.

Für die Kontrolle des BVT ist im Nationalrat der ständige Unterausschuss zum Innenausschuss zuständig. Man erfahre dort nicht mehr als Medien bei Pressekonferenzen des Innenministeriums, bemängelte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Dieser "Geheimdienst-Ausschuss ist ein Geheimausschuss", sagte Krisper. Eine "echte, seriöse parlamentarische Kontrolle" sei notwendig. Das gelte gerade für das BVT, das durch eine Reform erstmals zu einem echten Inlandsnachrichtendienst ausgebaut werden soll. Mehrfach verwies Krisper dabei auf die Lage in Deutschland.

Geheimhaltung entscheidend

Einblicke in das deutsche System gibt der Sicherheitsexperte und Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg (CDU). Er sitzt im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die drei Nachrichtendienste des Bundes überwacht: den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD).

In dem Gremium sind sowohl die Regierungs- als auch die Oppositionsparteien vertreten. Das Gremium tritt mindestens einmal im Quartal, faktisch aber einmal monatlich zusammen, bei den Sitzungen sind auch die Präsidenten der drei Nachrichtendienste anwesend. Auch die ministerielle Ebene ist durch den Koordinator der Dienste aus dem Bundeskanzleramt vertreten. "Sie müssen uns Rede und Antwort stehen", sagt Sensburg zur "Wiener Zeitung".

Bei seiner Arbeit müsse das Gremium einen Spagat schaffen: Die Dienste müssten kontrolliert, aber nicht "kaputt kontrolliert werden", sagt der CDU-Politiker: "Sie müssen auch funktionieren." Daher müsse das Parlament auch unterstützend tätig werden: "Wir unterstützen relativ häufig die Forderung nach Stellenzuwächsen oder neuen Finanzmitteln."

Entscheidend für den Erfolg des Gremiums sei die Geheimhaltung: "Wenn die Abgeordneten zeigen, dass die Informationen im Parlament bleiben, sind die Dienste bereit, die Abgeordneten zu informieren. Das ist ein Geben und Nehmen. Man muss sich vertrauen", sagt Sensburg.

Im Großen und Ganzen funktioniere das, auch wenn hie und da Dinge nach außen dringen würden. "Manchmal auch, bevor die Sitzung des Gremiums überhaupt stattgefunden hat", sagt Sensburg. In solchen Fällen suche man nach dem Leak. Es habe da auch schon Fälle gegeben, wo die Dinge "aus den Reihen der Regierung nach draußen gehuscht zu sein scheinen".

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Einmal im Jahr gibt es im Bundestag auch eine medienöffentliche Anhörung der Präsidenten des BND, BfV und MAD. "Das spiegelt ein Kontrolljahr des Gremiums wider", sagt Sensburg. Es dürfen keine geheimen Sachverhalte offengelegt werden, auch darf nicht aus geheimen Akten gefragt werden. "Es geht mehr um Lageeinschätzungen wie: Hat der Salafismus zugenommen und wie reagieren Dienste darauf?" Laut Sensburg führt diese öffentliche Anhörung "zu einer gesteigerten Akzeptanz unserer Dienste in der Bevölkerung, aber auch dazu, dass die Dienste ihr Handeln deutlicher hinterfragen".

Berichte an Gremium

Bei seiner Untersuchungsarbeit wird das Parlamentarische Kontrollgremium durch einen "Ständigen Bevollmächtigten" im Bundestag unterstützt. Dieses "kleine exekutive Organ im Parlament" verfüge über einen eigenen Mitarbeiterstab, so Sensburg. Er arbeitet dem Gremium zu und führt in dessen Auftrag Untersuchungen aus und erstellt danach Berichte.

Derzeit arbeitet der Bevollmächtigte etwa einen Bericht zu rechtsradikalen Vorfällen im Kommando Spezialkräfte der deutschen Bundeswehr aus. Der Bericht wird dann dem Kontrollgremium vorgelegt, dieses kann wiederum bei seinen Sitzungen die Präsidenten der Dienste und den Koordinator des Bundeskanzleramts befragen.

Neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium gibt es in Deutschland noch zwei weitere Institutionen. Einerseits die G-10-Kommission, die Anträge der Nachrichtendienste auf Überwachung im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses prüft und genehmigt. Die G-10-Kommission wird vom Kontrollgremium gewählt. Die Mitglieder müssen keine Abgeordneten des Bundestags, können es aber sein.

Andererseits gibt es das unabhängige Gremium, das künftig Kontrollrat heißen wird. Es setzt sich aus erfahrenen Richtern und Staatsanwälten zusammen. Es dient zur Kontrolle der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND - also der Überwachung von Ausländern im Ausland.

Opposition will "Unterrichtungspflicht"

Mehr Kontrollrechte will auch die österreichische Opposition. SPÖ, FPÖ und Neos fordern eine "Unterrichtungspflicht" des Innenministers im Unterausschuss. In quartalsmäßigen Sitzungen soll er aktiv über Sachverhalte informieren. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner will auch stärkere Minderheitsrechte im Ausschuss. Ein Viertel der Abgeordneten soll Akten anfordern können. Zudem soll es Berichte des Ausschusses an das Plenum des Nationalrats geben.

Die ÖVP kann diesen Vorschlägen nichts abgewinnen. Die "drei Unsicherheitssprecher" übten sich "in eitler Inszenierung", sagt der türkise Sicherheitssprecher Karl Mahrer. Er ortet ein "Oppositionstheater". Mit dem ständigen Unterausschuss des Innenausschusses gebe es nämlich bereits ein "starkes parlamentarisches Kontrollorgan für das BVT", sagt Mahrer.

Der Sicherheitssprecher der Grünen, Georg Bürstmayr, findet die Vorschläge der Opposition "durchaus sehr interessant". Sie müssten "genau geprüft werden". Die parlamentarische Kontrolle des BVT sei "ein wesentlicher Bestandteil der BVT-Reform", betonte Bürstmayr.

Ein Nachrichtendienst dient der Gefahrenerforschung: Er sammelt Informationen, wertet sie aus und zieht daraus Schlüsse. Exekutive Befugnisse hat er nicht.

Deutschland verfolgt dieses Trennungsgebot aufgrund der Erfahrung mit der Nazi-Geheimpolizei Gestapo strikt: Die Nachrichtendienste des Bundes können anderen Behörden zwar ihre Erkenntnisse mitteilen. Sie haben aber keine polizeilichen Befugnisse und können etwa keine Personen festnehmen. Für die Strafverfolgung und Ermittlungen sind ausschließlich Polizei und Staatsanwaltschaft zuständig.

Mit dem Heeresnachrichtenamt verfügt Österreich zwar über einen Auslandsnachrichtendienst. Einen echten Inlandsnachrichtendienst gibt es aber nicht. Das BVT ist ein Hybrid aus polizeilicher Ermittlungsbehörde und Nachrichtendienst. Es war seit jeher stark kriminalpolizeilich geprägt. Durch eine Reform soll der nachrichtendienstliche Arm der Behörde nun aber stark aufgewertet werden.