Zum Hauptinhalt springen

Spionagefall im Bundesheer: "Das erinnert an Oberst Redl"

Von Daniel Bischof

Politik

Laut neuem Verfassungsschutzbericht dürfte Spionagefall im Bundesheer ernster gewesen sein als bisher bekannt.


War er doch ein gefährlicherer Spion als bisher bekannt? Diese Frage wirft ein Satz im neuen Verfassungsschutzbericht 2019 auf, der sich um den im Juni verurteilten Oberst des Bundesheers dreht. Der Mann hat von 1992 bis Ende September 2018 Staats- und Militärgeheimnisse an den russischen Geheimdienst verraten. Dafür kassierte er 280.000 Euro.

Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Mann fasste eine unbedingte, dreijährige Freiheitsstrafe aus. Zugleich wurde er nach Verbüßung der Hälfte der Strafe bedingt aus der Haft entlassen. Da er diese Zeit bereits in der U-Haft abgesessen hatte, kam er nach dem Urteil auf freien Fuß.

In der Berichterstattung und durch das eher milde Urteil sei der Fall zunächst als weniger schwerwiegend eingeschätzt worden, sagt der Sicherheits- und Nachrichtendienstexperte Thomas Riegler zur "Wiener Zeitung".

Konterkariert wird diese Sicht nun aber durch den Verfassungsschutzbericht 2019: "Der durch diese Spionage entstandene Schaden lässt sich wirtschaftlich nicht bemessen, jedoch hätten die erlangten Informationen im Falle eines militärischen Konflikts der Landesverteidigung Österreichs mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Nachteil gereicht", heißt es.

Die Dimension des Falls dürfte also größer sein als bisher angenommen, sagt Riegler. Darauf hat zuletzt schon ein Bericht des slowakischen Magazins "Denník N" gedeutet. In diesem wird erklärt, dass der Oberst hochsensible Nato-Informationen weitergegeben haben soll. Ihn erinnere der Fall "ein bisschen an den Oberst Redl", so Riegler. Der österreichische Nachrichtendienstoffizier Alfred Redl hat im Vorfeld des Ersten Weltkriegs wichtige militärische Geheimnisse an fremde Geheimdienste verkauft.

Für Riegler zeigt die Strafe im Bundesheer-Fall angesichts der neuen Erkenntnisse, "wie milde in Österreich gegen Spionage vorgegangen wird".

Vorsichtiger Bericht

"Wir haben den Fall immer ernst genommen und gesagt, dass eine Person mit diesem Rang und diesem Zugang zu Informationen einen Schaden zufügen kann", sagt ein Sprecher des Bundesheers. Die Einschätzung im Verfassungsschutzbericht komme daher nicht überraschend. Zu inhaltlichen Details des Falles könne er keine Angaben machen.

Üblicherweise wird der Verfassungsschutzbericht öffentlichkeitswirksam präsentiert. In diesem Jahr wurde er vom Innenministerium hingegen ohne Ankündigung auf der Ressort-Website veröffentlicht. Laut Riegler enthält er abseits der Einschätzung zum Spionagefall kaum Neues.

"Diese Berichte sind in den vergangenen Jahren sehr generelle Lageeinschätzungen geworden", so der Fachmann. Das sei bei den ersten Berichten zu Beginn des Bundesamts für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung (BVT) Anfang der 2000er-Jahre noch anders gewesen: "Da gab es noch eigene Abschnitte zu den Aufklärungsinteressen und -zielen fremder Geheimdienste in Österreich. Jene von Russland, Nordkorea oder dem Iran wurden explizit genannt." Heute versuche man hingegen, ja keine Kontroversen anzufachen, so Riegler.

Einblicke in das nachrichtendienstliche Innenleben gibt dafür derzeit ein Strafprozess in Graz. Angeklagt sind zwei Beamte des Heeresabwehramts - der militärische Inlandsnachrichtendienst schützt das Bundesheer vor Spionen und Extremisten.

Die Beamten hatten einen Informanten in einer rechtsextremen Gruppe. Diese plante die Schändung einer Grazer Moschee mit Schweinekopf und Schweineblut und führte sie später auch durch. Ihre Informationen dazu sollen die Beamten unzulässigerweise nicht an Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) weitergegeben haben.

Der angeklagte Major und der Oberst bekennen sich nicht schuldig. Er habe dem LVT vier Mal Informationen angeboten, so der Major, wobei er aber nicht genau gesagt habe, worum es sich dabei handle. Die Informationen seien noch zu wenig gesichert gewesen. Außerdem "bin ich gleich am Telefon abgewürgt worden". Zwischen dem LVT und seiner Dienststelle herrsche ein "gestörtes Verhältnis", da "wir öfters einen Informationsvorsprung hatten".

Weiters verwiesen die beiden Angeklagten auf eine Verschwiegenheitspflicht, aufgrund der sie die Polizei nicht von dem bevorstehenden Anschlag informieren durften. "Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ein strafrechtliches Verhalten ist unverzüglich anzuzeigen", meinte allerdings am Donnerstag der Chef des Abwehramts im Zeugenstand.

"Der Prozess zeigt auf, dass es bei der Koordination hapert und nach wie vor so etwas wie ein Schrebergarten-Denken vorherrscht", sagt Riegler. Sobald sich die Zuständigkeiten der Behörden überschneiden dürften, komme es offenbar zu Eitel- und Streitigkeiten.

Mehr Schutz für Kirchen

Neue Erkenntnisse gab es am Donnerstag auch zum Wiener Terroranschlag vom 2. November. Der Attentäter dürfte gezielt auf weitere Opfer in Kirchen aus gewesen sein, ehe er von der Polizei erschossen wurde, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

Details dazu nannte er aber nicht: Die Kommunikation zum Ermittlungsverfahren sei das "Exklusivrecht" der Staatsanwaltschaft Wien. Die Sprecherin der Wiener Anklagebehörde sagte, sie könne Nehammers Angaben nicht kommentieren.

Der Innenminister ordnete die verstärkte Bewachung von Kirchen und Synagogen österreichweit an. Ein konkretes Bedrohungsszenario gegen kirchliche Einrichtungen und Stätten der Religionsausübung liegt laut Nehammer nicht vor. Allerdings befinde man sich in einer "besonders heiklen Phase", weil ein Terror-Anschlag Nachahmungstäter auf den Plan rufen könnte.