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Alleinerzieherinnen unter Druck

Von Martina Madner

Politik
Alleinerziehen war schon vor der Corona-Krise psychisch, zeitlich und finanziell enorm belastend. Nun sind die betroffenen Frauen noch mehr unter Druck als davor.
© unsplash/B. Manley

Was Mütter, die Kinder ohne Vater versorgen, politisch fordern - um mehr Zeit und Geld zum Leben zu haben.


Eigentlich war ich schon immer Alleinerzieherin", stellt Monika Müller*, Mutter einer Volksschülerin, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" fest. Nach ihrer Arbeit als Fachärztin übernahm sie zu Hause das Kind von der Babysitterin, musste sich um Haushalt, Essen und die Tochter kümmern. Unterstützung vom Vater gab es keine. Im Gegenteil: "Wenn das Baby in der Nacht geweint hat, hat er sich bei mir beschwert, dass ihn das stört. Ich war von Beginn an mutterseelenalleine - einsam." Auch finanziell habe sie den "weit größeren Teil" beigesteuert, "obwohl er Vollzeit gearbeitet hat. Er hat sein Geld eben für sich gespart."

Müller arbeitet auch heute 35 Stunden pro Woche in der Praxis, ist nun nach drei Jahren Scheidungsverfahren auch offiziell Alleinerzieherin. Das hat Vorteile: "Bei anderen erwartet zu Hause ein grantiger Mann, dass das Essen rasch auf den Tisch kommt. Ich mache mir nach der Arbeit mit meiner Tochter einen schönen Abend, bestelle auch Mal beim Pizzaservice." Es hat aber Nachteile: "Den Kindesvater wird man nicht mehr los, er begleitet einen ein Leben lang. Das kostet Kraft und Zeit."

Es ist Kraft und Zeit, die den vielen Alleinerziehenden ohnehin fehlt, jetzt in der Corona-Krise noch mehr. Jede siebente der insgesamt 768.000 Familien in Österreich mit Kindern unter 15 Jahren ist eine mit nur einem Elternteil. Es geht vor allem um Mütter, denn 93 Prozent mit Kindern in diesem Alter sind weiblich.

Mehrfachbelastung - mitunter auch durch die Väter

Zeit für sich selbst haben Alleinerzieherinnen wenig bis keine. Die Zeitverwendungsstudie der WU-Ökonomin Katharina Mader zeigte im Frühling, dass im Lockdown bei Alleinerzieherinnen an Werktagen zu 5,8 Stunden Erwerbsarbeit weitere 9,1 Stunden unbezahlter Arbeit für Haushalt, Betreuung und Homeschooling kamen. In Summe dauerte der Arbeitstag also im Durchschnitt 14,9 Stunden, noch länger als bei Müttern mit Partner im selben Haushalt. Da waren es 14,2 Stunden.

Sandra Moser*, die ihren sechsjährigen Sohn seit zwei Jahren alleine erzieht, sagt zwar: "Ich kann mir die Arbeit zum Glück selbst einteilen." Weil sie in einer mittleren Managementposition tätig ist, ist das aber auch herausfordernd, gute Organisation und Struktur sei unbedingt notwendig. Denn die Zeit nach der Schule ab vier Uhr Nachmittag ist sonst schon für den Sohn reserviert: "Wir kochen da oft gemeinsam, spielen, erledigen die Aufgaben. Dann hat jeder Zeit für sich, ich erledige in der Zwischenzeit den Haushalt. Um acht starten wir mit unserem Schlafengehritual." Im Homeschooling gibt es auch immer wieder Stunden für den Sohn dazwischen.

Ab neun, wenn ihr Sohn schläft, startet sie nochmals ihren Computer, um Liegengebliebenes abzuarbeiten. "Das kann eine halbe Stunde sein, manchmal aber auch bis Mitternacht dauern", sagt Moser. Mit dem Homeschooling ist nun mehr zu tun. Jetzt arbeitet sie auch morgens, bevor ihr Sohn wach ist. "Job und Homeschooling sind unmenschlich belastend. Zeit zum Regenieren bleibt nur während des Schlafens." Wie Mosers Sohn lernt auch Müllers Tochter sonst in einer Ganztagsschule, jetzt erledigt sie das zusätzlich selbst: "Fair wäre, wenn uns die Politik die Monate mit Mehrarbeit im Lockdown als Pensionszeiten extra anrechnen würde", sagt sie.

Anerkennung kennt sie kaum. Von manchen in ihrem Umfeld wird sie bedauert, eine "Geschiedene zu sein". Manche rümpfen auch die Nase, weil ihre Tochter eine Ganztagsschule besucht. "Dieses patriarchale Bild, dass Frauen hinter den Herd gehören, egal ob es den Kindern eh gut geht, klebt als soziales Stigma an uns Alleinerzieherinnen." Müller fordert mehr Ganztagschulplätze und hochqualitative Kinderbetreuung - als Norm, die alle berufstätigen Eltern unterstützen würde, nicht als Ausnahme wie heute.

Es gibt Eltern, wo der Vater nach der Trennung oder Scheidung - manchmal mehr, häufiger auch weniger - einen Teil der Kindererziehungsarbeit übernimmt. Bei Müller ist das anders. Mit der Scheidung waren die Auseinandersetzungen mit dem Vater ihres Kindes nicht beendet. "Er beschäftigt mich laufend weiter", sagt sie, mit falschen Angaben gegenüber dem Finanzamt, beim Jugendamt, gegenüber der Polizei. "Er scheint das Ziel zu haben, mich hinter Gitter zu bringen. Ich muss immer wieder beweisen, dass seine Anschuldigungen nicht stimmen, seine Anzeigen haltlos sind." Der Sorgerechtsstreit verursacht laufend Anwaltskosten. Aber nicht nur das: "Es setzt mich andauernd unter Druck. Die Anzeigen sind bedrohlich, weil bei mir als Ärztin auch meine Approbation auf dem Spiel steht."

Auch Christine Schneider*, die ihren eineinhalbjährigen Sohn alleine erzieht, sagt: "Der Prozess beschäftigt mich täglich, das ist psychische Gewalt, was ich da erlebe." Sie strebt die alleinige Obsorge mit einem Kontaktrecht für den Vater an. Denn trotz Trennung und Besuchsregelung habe der Kindesvater weiterhin kontrolliert, wo sie sich aufhalte. Er war aggressiv, hatte sie bedroht, beschimpft und ihr vorgeworfen, keine gute Mutter zu sein. Er stand unangemeldet außerhalb der Besuchszeiten vor ihrer Tür, habe den Sohn nicht zurückgebracht, sondern unangekündigt bei sich über Nacht behalten. "Die Polizei konnte da auch nichts machen, wir haben die gemeinsame Obsorge."

Seit dem Start des Verfahrens hält sich ihr Exmann an alle Regeln, sie hofft, dass es danach nicht wieder losgeht. Denn damit eine gemeinsame Obsorge oder darüber hinaus ein Doppelresidenzmodell, also abwechselnde Haushalte für die Kinder, funktionieren, muss die Kommunikationsbasis der Eltern gut sein. In Schneiders Fall ist sie das aber nicht. "Das Gesetz wirkte auf ihn wie grünes Licht, Machtspielchen ausüben zu können." Ihr wäre ein konfliktfreies Aufwachsen ihres Kindes wichtig, die rechtliche Situation aber befördere genau das nicht. Sie hofft auf eine Reform der Obsorgegesetze, damit "sie mehr das Kindeswohl, weniger wie heute das der Väter im Auge haben".

Alleinerziehen bedeutet oft ein Leben am Limit

Die Hoffnung auf mehr Kindesunterhalt, der Vater bezahlt als Selbstständiger ein Minimum, hat Schneider vorläufig aufgegeben: "Solche Verfahren dauern Jahre." Mehr Geld könnte sie als Selbständige, die sonst Veranstaltungen organisiert, aktuell dringend gebrauchen. Sie hat zwar Geld aus dem Härtefonds für Unternehmen erhalten, nicht aber für Familien. Da heißt es, nachdem sie Dokumente nachgereicht hatte, wieder: Warten.

Andere Selbständige haben bislang nur zwei statt der sonst drei Monate Unterstützung als Familienhärteausgleich erhalten. Die Volksanwaltschaft forderte das Familienministerium just am 30. November auf, diesen Missstand in den nächsten acht Wochen zu beseitigen. Was für Alleinerziehende darüber hinaus ein Problem ist, sind zwei Haushalte. Vermindert der Vater den Unterhalt, weil er arbeitslos wurde, hat die Mutter im anderen Haushalt kein Anrecht auf Familienhärteausgleich. Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenabteilung der AK Wien, fordert deshalb ein "Corona-Hilfspaket für Alleinerzieherinnen, auf die hat die Regierung vergessen".

Kindesunterhaltsverfahren dauern auch sonst lange. Bei Investorenadministratorin Andrea Czak, Alleinerzieherin einer 15-jährigen Tochter, waren es vier Jahre bis der Antrag auf eine Erhöhung des Unterhalts durch war. "Es ist mühsam und die Leidtragende war meine Tochter, die in diesen vier Jahren nicht den Lebensstandard hatte, der ihr laut Gesetz zugestanden wäre."

Kindesunterhaltszahlungen orientieren sich übrigens immer noch an dem, was Kinder 1964 zum Leben brauchten. Damals wurden die Kosten erhoben, seither wurden diese sogenannter Regelbedarfssätze zwar um die Inflation angepasst, nicht aber um heute Notwendiges ergänzt: "Kinderkosten waren damals wesentlich niedriger, Computer, Handys gab es überhaupt noch nicht", sagt Czak. Sie musste beim Wechsel ihrer Tochter in eine berufsbildende Schule Material und Laptop um 1.200 Euro finanzieren. Das müsste sie als Sonderbedarf extra einklagen.

Weil Czak davon überzeugt ist, dass Frauen in der gleichen Situation gemeinsam mehr erreichen, ist sie politisch aktiv, sie gründete auch den Verein "Feministische Alleinerzieherinnen" mit. Für die Politik gebe es viel zu tun, unter den Forderungen des Vereins sind zeitgemäße Regelbedarfssätze, ein Mindestsatz von 300 Euro für den Unterhalt, eine staatliche Garantie für alle Kinder, die zu wenig oder keinen Unterhalt bekommen. "Eigentlich braucht es einen pensions-, arbeitslosen-, kranken- und sozialversicherten Lohn fürs Kindererziehen." Denn, so Czak: "Wenn du für alles alleine zuständig bist, spießt es sich immer. Mütter sollten nicht ins Burnout gezwungen werden."