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Lila wie Selbstbestimmung

Von Petra Tempfer

Politik
Im Vorjahr erstrahlten erstmals Gebäude (hier das Parlament am Josefsplatz) in Österreich am internationalen Tag der Menschen mit Behinderung in Lila.
© Parlamentsdirektion/Michael Buchner

Die Corona-Krise hat die Arbeitssituation für Menschen mit Behinderung verschärft. Der 3. Dezember steht international in diesem Zeichen.


Parlament, Hofburg, Bundeskanzleramt, Präsidentschaftskanzlei, Uniqa und Bank Austria sind nur einige der Gebäude in Wien und Österreich, die am Donnerstag, dem 3. Dezember, in Lila erstrahlen. Es ist der internationale Tag der Menschen mit Behinderung und das zweite Jahr, in dem sich Österreich an der globalen Aktion Purple Light Up beteiligt: Eine Aktion, mit der sich inklusive Organisationen und Unternehmen mit der Farbe Lila zur wirtschaftlichen Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung bekennen.

Die soziale Unternehmensberatung "myAbility" organisiert diese in Österreich. Die Corona-Krise, durch die zahlreiche Mitarbeiter arbeitslos wurden, verschärfe die ohnehin schon schwierige Situation für Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt, sagt Julia Moser, Senior Director von "myAbility". Im April gab es laut Arbeitsmarktservice (AMS) unter den arbeitslosen, begünstigt behinderten Menschen ein Plus von 19 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat 2019. Das ist zwar um einiges weniger als der Anstieg der Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer insgesamt, der laut AMS im April gegenüber dem Vorjahr um 58,2 Prozent gestiegen ist. Unter den nicht begünstigt behinderten Menschen waren es allerdings um 68 Prozent und damit deutlich mehr. Seitdem fällt der prozentuelle Zuwachs wieder, liegt aber noch immer deutlich über jenem des Vorjahres.

Begünstigt behindert bedeutet, dass die Landesstelle des Sozialministeriumservice einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent festgestellt hat. Laut Moser haben rund 110.000 Menschen in Österreich diesen Begünstigtenstatus und damit auch einen erhöhten Kündigungsschutz, der im Behinderteneinstellungsgesetz geregelt ist. Stellt ein Unternehmen einen begünstigt behinderten Menschen an, gilt dieser vier Jahre - steht dann eine Kündigung im Raum, braucht es dafür die Zustimmung des Behindertenausschusses.

Ab einer Größe von 25 Mitarbeitern ist eine Firma zwar verpflichtet, pro 25 Arbeitnehmer einen behinderten Menschen anzustellen, und erhält für diesen Lohnkostenförderungen von bis zu 300 Euro monatlich - tut sie das nicht, zahlt sie aber lediglich eine Ausgleichstaxe von bis zu 400 Euro monatlich. In vielen Köpfen ist laut Moser noch verankert, dass der erhöhte Kündigungsschutz bereits sechs Monate nach der Einstellung gilt, wie das bis 2011 der Fall war. Das könnte einer der Gründe dafür sein, warum sich viele Firmen noch immer davor scheuen, behinderte Menschen einzustellen.

Begünstigtenstatus unbeliebt

Oder auch dafür, dass zahlreiche Menschen mit Behinderung diesen Begünstigtenstatus gar nicht anstreben und daher auch nicht beantragen. Die Zahlen sprechen für sich: Zwischen 1,5 und 1,6 Millionen Menschen in Österreich haben laut Moser irgendeine Form der Behinderung. Das kann etwa eine Mobilitätseinschränkung, eine schwere Sehschwäche oder eine psychische Erkrankung sein. Der Grad der Behinderung liege allerdings mitunter ebenfalls bei mehr als 50 Prozent, sagt Moser zur "Wiener Zeitung". Menschen mit Behinderung zählten daher grundsätzlich - oft unentdeckt - zur vulnerablen Gruppe, die zum Beispiel aufgrund ihrer schlechteren Ausbildung oder eben ihrer Behinderung die Ersten seien, die bei Krisen "rausfallen". Und: "Danach bekommen sie auch schwieriger wieder einen Job und bleiben in der Arbeitslosigkeit."

Laut Moser müsste man im Bildungssystem ansetzen, um die Qualitäten von Menschen mit Behinderung kennen und schätzen zu lernen. "Denn jemand, der nie Berührungspunkte zu Menschen mit Behinderung hatte, tut sich später im Umgang mit diesen schwer."

Die Lebenshilfe, die sich für die Interessen von Menschen mit intellektuellen Behinderungen einsetzt, sprach sich am Dienstag für Einkommen und Bedarfssicherung für diese "zur chancengleichen Teilhabe am Arbeitsmarkt" aus. Sie präsentierte eine Studie zum sogenannten Zwei-Säulen-Modell, die den momentanen gesetzlichen Rahmen dafür aufschlüsselt.

Das Modell basiere auf der Idee, dass die derzeit karitativ ausgerichtete Behindertenpolitik künftig auf der Teilhabe am Arbeitsmarkt basiere, so Albert Brandstätter, Generalsekretär der Lebenshilfe. Eine der beiden Säulen, die Einkommenssäule, sei jene, die die Existenz sichert. Die Bedarfssicherungssäule decke den behinderungsbedingten Mehraufwand wie soziale Dienste, Hilfsmittel oder Pflegegeld. Voraussetzungen dafür: ein Lohnkostenzuschuss sowie ein adaptiertes Normkostenmodell der Kalkulation von Tagsätzen sozialwirtschaftlicher Unternehmen, die als freie Träger der Behindertenhilfe Menschen mit Behinderung regulär beschäftigen.

Dabei geht es vor allem um das viel kritisierte Taschengeld von durchschnittlich 65 Euro pro Monat, das Menschen mit Behinderung in einer Tagesstruktur oder Werkstätte bekommen. Da dieses keinen Lohn darstellt, sind die Betroffenen weder kranken- noch pensionsversichert und erst seit 2011 zumindest unfallversichert.