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Experten uneins über Polizei bei Betriebskontrollen

Von Karl Ettinger

Politik

Die Ausweitung der Polizeibefugnisse durch die türkis-grüne Koalition löst Diskussionen aus. Arbeits- und Verfassungsrechtler sind widersprüchlicher Meinung, ob die Prüfung von Firmen durch Exekutivbeamte zu weit geht.


Die Einhaltung der Corona-Beschränkungen sorgt für neuen Zündstoff. Die Polizei darf künftig im Auftrag der Bezirksverwaltungsbehörden in Betrieben und Arbeitsorten sowie in Verkehrsmitteln kontrollieren. Das soll kommende Woche im Plenum des Nationalrats von ÖVP und Grünen beschlossen werden. Dagegen hat sich aber nicht nur die Opposition am Dienstag im parlamentarischen Gesundheitsausschuss gestemmt. Auch Experten sind unterschiedlicher Ansicht, ob diese Befugnisse zu weitreichend sind.

"Das ist ein bisschen unverhältnismäßig", erklärt Martin Gruber-Risak, Arbeitsrechtler an der Universität Wien, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Normalerweise würden Gesundheitsvorschriften durch das Arbeitsinspektorat überprüft. Auch dort müssten Kontrollen vorher angekündigt werden oder es müsse Gefahr im Verzug gegeben sein.

"Absurde" Unterschiede bei Vorschriften

Das "Absurde" dabei sei, so betont der Arbeitsrechtler, dass damit künftig die Polizei in die Betriebe zu Kontrollen der Corona-Maßnahmen geschickt werde. Gleichzeitig gebe es keine fix verankerte Vorschrift, dass Unternehmen Mitarbeiter ins Homeoffice schicken müssen, wenn dies möglich sei. Dabei dienten beiden Maßnahmen der Eindämmung der Ansteckungsgefahr durch die Corona-Epidemie,

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer ist genau gegenteiliger Meinung und sieht auf Anfrage der "Wiener Zeitung" darin keinen zu weitreichenden Grundrechtseingriff: "Die Polizei ist verlängerter Arm der Bezirksverwaltungsbehörden." Dass die Polizei mit ihren exekutiven Befügnissen den Behörden zur Verfügung stehe, "ist nichts Besonderes". Außerdem betont der Verfassungsexperte zur Kontrolle der Corona-Auflagen an Betriebsstätten:  "Es kann ja nicht der Jurist der Bezirkshauptmannschaft dort einmarschieren." Schon jetzt überprüfe die Polizei beispielsweise auch, ob jemand daheim eine Waffe habe.

Protest der roten Polizeigewerkschafter

Ablehnung kommt jedoch auch von den roten Polizeigewerkschaftern (FSG). Man werde sich nicht für "solche Metternich-Methoden" hergeben, warnte der führende FSG-Vertreter Hermann Greylinger.

Für die SPÖ waren schon mit dem türkis-grünen Antrag im Ausschuss die "roten Linien" überschritten. Die FPÖ sah einen Verstoß gegen Grundrechte durch die Ausweitung der Polizeibefugnisse. Außerdem erfolge das einmal mehr ohne Begutachtung oder verfassungsrechtliche Prüfung. Die Neos sehen die Polizisten damit als Gesundheitskontrollore "missbraucht". Es geht darum, dass die Exekutivbeamten über Ersuchen der zuständigen Bezirkshauptmannschaften bei der Einhaltung von Gesundheitsvorschriften aktiv werden.

Anschober verteidigt die Neuregelung

Auch Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) hat laut Parlamentskorrespondenz wie auch die ÖVP ausdrücklich hervorgehoben, dass die Polizei nur auf Ersuchen der Bezirksbehörden tätig werden dürfe. Was Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker dabei jedoch massiv stört ist der Umstand, dass für ein Einschreiten kein konkreter Verdacht auf Rechtsverstöße bei der Einhaltung der Corona-Vorschriften notwendig sei.

Polizeigewerkschafter Greylinger ortet nicht nur eine Übertretung der Grundrechte. Er kritisiert vor allem auch, dass damit den Polizistinnen und Polizisten eine zusätzliche Aufgabe neben der ohnehin schon hohen Arbeitsbelastung "umgehängt" werde: "Uns reicht es gründlich." Damit solle außerdem das Versagen der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Corona-Epidemie übertüncht werden.