Nach elfjährigen Ermittlungen und der drei Jahre dauernden Hauptverhandlung sei klar, "dass mein Ruf und meine Reputation völlig ruiniert sind", aber "Hohes Gericht, ich bin unschuldig", hatte Karlheinz Grasser heuer Mitte Oktober zum Abschluss der Hauptverhandlung im Wiener Straflandesgericht im Verfahren um die Vergabe der Bundeswohnungen (Buwog) im Jahr 2004 noch gemeint. Richterin Marion Hohenecker hatte er ausdrücklich noch Rosen gestreut.
Am Freitag kurz nach 10.30 Uhr stand allerdings fest, dass nicht nur der Ruf des ehemaligen Finanzministers der schwarz-blauen Bundesregierung von 2000 bis Jänner 2007 ruiniert ist, sondern dass er wegen Untreue auch schuldig gesprochen wird. Der atemberaubende Aufstieg des Sohns aus einer Klagenfurter Autohändlerfamilie über Jörg Haiders "Buberl-Partie" der 1990erJahre an die Macht und zum Sunny-Boy der Medien und Liebling der Nation hat damit am 4. Dezember 2020 mit dem – nicht rechtskräftigen - Urteilsspruch seinen Tiefpunkt erreicht.
Vom jüngsten Finanzminister der Republik mit 31 Jahren zum verurteilten Ex-Finanzminister mit nunmehr 51 Jahren hat Grassers Weg 16 Jahre nach dem Buwog-Verkauf geführt. Schon vor Jahren hat er sich wegen der gegen ihn gerichteten Vorwürfe in öffentlichkeitswirksamen Auftritten selbst zum Märtyrer stilisiert. Vor laufender Fernseh-Kamera hat er sein Talent für Inszenierung eingesetzt und den Brief einer Anhängerin verlesen. Zuletzt hat er im Gerichtssaal akribisch versucht, die von ihm stets betonte "blütenweiße Weste" gegen die Anklage der Staatsanwaltschaft zu verteidigen. Von seinem Wohnsitz in Kitzbühel ist er nach Wien zu den mehr als 160 Verhandlungsterminen angereist.
"Kein Arbeitgeber, kein Auto, kein Haus"
In der Bundesregierung unter Bundeskanzler ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel war Grasser Anfang der 2000er Jahre der unumschränkte Star. Statt einer internationalen Finanzkarriere nach dem Abschied aus der Politik im Jänner 2007 ist er unsanft fallen gelassen worden. Er habe keinen Arbeitgeber, kein Auto und kein Haus, hat der Ex-Finanzminister zu Beginn des Buwog-Prozesses auf die Frage nach seiner finanziellen Situation erklärt. Verheiratet ist er mit der Swarovski-Millionenerbin Fiona Pacifico Griffini. Die Hochzeit der beiden im Herbst 2005 im malerischen Weißenkirchen in der Wachau war ein Medienereignis gewesen. Der nun ebenfalls schuldig gesprochene Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger war damals Trauzeuge.
Ab 1992, als der damalige FPÖ-Obmann Jörg Haider den gerade einmal 23-jährigen feschen Kärntner als Mitarbeiter in den FPÖ-Parlamentsklub geholt hat, geht es steil nach oben. Der wohl vifste und smarteste aus der Riege der Haider-Buberlpartie wird schon 1993 FPÖ-Generalsekretär, nur ein Jahr später Landeshauptmannstellvertreter in Kärnten. 1998 kracht es zum ersten Mal zwischen Haider und Grasser und letzterer heuert kurz beim Magna-Konzern von Frank Stronach an.
Zugpferd für Blau und Schwarz
Als im Februar 2000 die von der EU geächtete ÖVP-FPÖ-Bundesregierung mit eiserner Miene von Bundespräsident Thomas Klestil angelobt wird, ist Grasser als Finanzminister in der freiheitlichen Regierungsriege aber mit dabei. Im Finanzressort gelingt es ihm rasch, Mitarbeiter auf seine Seite zu ziehen. Mit Charme, gutem Auftreten und geschickter (Selbst)Vermarktung ("ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget") wird der adrette jüngste Finanzminister der Republik zum politischen Liebling vieler Österreicher. Das Ende der schwarz-blauen Regierungsmannschaft nach dem Aufstand von Knittelfeld mit Haider im September 2007 markiert dann den Bruch Grassers mit seinem einstigen Mentor Haider. Dabei bleibt es nicht. Denn vor der Nationalratswahl 2002 holt Wolfgang Schüssel Grasser als absolutes Zugpferd der ÖVP für die Nationalratswahl im November 2002, die mit einem ÖVP-Erdrutscherfolg endet.
So manches ist allerdings Blendwerk. Grassers Kurs in Richtung Nulldefizit wird nicht großteils mit einem Sparkurs, sondern mit Einmalzahlungen geebnet. Der schwarz-blaue Privatisierungskurs, der in Wirtschaftskreisen gelobt wird, ist, wie der Schuldspruch vor Gericht nun zeigt, mit dem Buwog-Verkauf letztlich der Anfang vom Ende. Andere Vorfälle zeigen schon damals, dass Grasser bei seinem Dasein als politischer Liebling der Österreicher Fingerspitzengefühl vermissen lässt. Er lässt sich von der Industriellenvereinigung um 283.000 Euro eine Homepage sponsern. Grasser gerät gehörig unter Beschuss und Druck, für die Nicht-Versteuerung gab es später einen umstrittenen Persilschein der Finanz. Auch eine Yachtreise mit den Bankern Wolfgang Flöttl und Julius Meinl lässt ihn politisch nicht untergehen.
Auf dem Weg zum Vizekanzler gestoppt
Im Gegenteil. Anfang 2007 ist Grasser in der neuen rot-schwarzen Bundesregierung unter SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer zum Ende der Kanzlerschaft Schüssels ernsthaft als Vizekanzler der ÖVP im Gespräch, manche sehen in dem Kärntner sogar einen möglichen Nachfolger Schüssels an der ÖVP-Spitze. ÖVP-Stratege Nationalratspräsident Andreas Khol verhindert gepaart mit den innerparteilichen Machtinteressen der Tiroler in einer nächtlichen ÖVP-Vorstandssitzung den Aufstieg Grassers zum Vizekanzler. Zu viel Glamour, zu wenig Verankerung in der christlich-sozialen ÖVP-Linie, das führen Skeptiker Grassers gegenüber jenen Machttaktikern ins Treffen, die mit Grasser bessere Chance für eine Rückkehr ins Kanzleramt sehen.
Von da an ging es bergab. Es folgt der Politikabschied. Aus einer glanzvollen internationalen Finanzkarriere wird nichts. 2009 beginnt dann der jahrelange Kampf um seinen Ruf in der Causa Buwog. Der – vorläufige – Schlussakt wurde am Freitag gegeben.