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Trotz Kassenfusion bleiben Unterschiede für Patienten länger

Von Karl Ettinger

Politik

Gesundheitsminister Anschober dämpft die Erwartungen, dass es in den Bundesländern rasch zu der von Türkis-Blau versprochenen Vereinheitlichung der Leistungsabgeltung und Honorare kommen wird.


Seit fast einem Jahr gilt nun die Zusammenlegung der Sozialversicherungsanstalten, insbesondere die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Im Vordergrund steht zwar derzeit, dass die finanzielle Zukunft der Gesundheitskasse in der Luft hängt, weil es nach wie vor keine Einigung darüber gibt, welche Zuwendungen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zur Abdeckung der corona-bedingten Ausfälle von Krankenversicherungsbeiträgen aus dem Bundesbudget leisten wird.

Gleichzeitig entlarvt jetzt Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) Versprechen der früheren ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, dass mit der Fusion auch eine baldige Vereinheitlichung der Leistungsabgeltung verbunden ist, als unrealistisch. Österreichs Angestellte und Arbeiter zahlen damit zwar weiterhin bundesweit einheitliche Beiträge zur Krankenversicherung, die Abgeltung der Leistungen für Patienten und die Honorare der Ärzte werden aber noch länger von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich bleiben. Das stellt Anschober in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SPÖ klar. Der Grund dafür sind die vor der Zusammenlegung abgeschlossenen Leistungsvereinbarungen, die nicht so rasch einheitlich neu geregelt werden können.

Anpassung auf höchstem Niveau "nicht finanzierbar"

Die Zusage, einheitliche Beiträge und einheitliche Leistung zwischen Laa an der Thaya und Lustenau zu schaffen, bleibt damit vorerst bis auf unbestimmte Zeit Illusion. Der Gesundheitsminister nennt in seiner Antwort auch den Hauptgrund, warum die Neugestaltung der Leistungsabgeltung durch die Gesundheitskasse bei einer Änderung der übernommen Vereinbarungen in den jeweiligen Bundesländern so schwierig ist. Ein "schnelles Verhandlungsergebnis" wäre, wie Anschober betont, "nur dann zu erzielen, wenn die unterschiedlichen Tarife auf das höchste Niveau angehoben werden würden. Diese Harmonisierung auf höchstem Niveau wird, nach Mitteilung der ÖGK, nicht finanzierbar sein."

Das bedeutet, eine Anpassung auf dem jeweils höchsten Niveau kann sich die bundesweite Gesundheitskasse für die Arbeitnehmer nicht leisten. Ganz zu schweigen von einer Anpassung und Harmonisierung mit der in vielen Fällen noch günstigeren – und damit teureren – Abgeltung der Leistungen für die Beamten.

Der Minister weist zwar darauf hin, die Gesundheitskasse, in der seit heuer anders als in den Gebietskrankenkassen die roten Arbeitnehmervertreter von der türkis-blauen Koalition entmachtet wurden, verfolge zwar als bundesweiter Versicherungsträger natürlich das Ziel, österreichweit einheitliche Leistungs- und Honorierungsvereinbarungen abzuschließen. Dazu bedürfe es aber Verhandlungen mit jedem einzelnen Vertragspartner. Dabei handle es sich um einen "längerfristigen Prozess der Anpassung", der von der Gesundheitskasse verfolgt werde.

Insgesamt muss Anschober die Österreicher daher bezüglich der türkis-blauen Versprechen im Zuge der Fusion auf unbestimmte Zeit vertrösten: "Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es durch die notwendigen Verhandlungen mit unterschiedlichen Vertragspartnern noch einige Zeit dauern wird, bis innerhalb der ÖGK tatsächlich einheitliche Tarife bestehen", stellt der Gesundheitsminister in seiner Antwort an die SPÖ fest.

Honorare in Wien anders als in Niederösterreich

Bei den ärztlichen Leistungen bestünden regionale Gesamtverträge, erläutert der Ressortchef. Diese umfassen einen unterschiedlichen Umfang der zu erbringenden und von den Krankenkassen abzugeltenden Gesundheitsleistungen und die Honorierung. Diese bestehenden Verträge seien im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge mit 1. Jänner 2020 von der Österreichischen Gesundheitskasse übernommen worden und würden bis zu einer Änderung weiter gelten.

Die Honorierung kann demnach vorerst weiter unterschiedlich ausfallen. Beispiele gehen aus der Anfragebeantwortung Anschobers hervor. In Wien werden demnach neben der Grundleistungsvergütung (=Fallpauschale pro Quartal) in der Höhe von 18,74 Euro Sonderleistungen vergütet, die entweder in Euro oder in Punkten bewertet sind. Der Punktewert beträgt für Allgemeinmediziner und Fachärzte einheitlich 0,67 Euro. Anders ist das in Niederösterreich. Mit Ausnahme der Ordinationen und Visiten sowie einzelner Untersuchungen erfolgt dort die Bewertung der Einzelleistungen nach Punkten. Der Punktewert beträgt in Niederösterreich in der Allgemeinmedizin sowie in allen Fächern außer der Labormedizin 0,633 Euro. Für Laborleistungen gelten eigene Punktewerte nach einem degressiven Modell.

Im benachbarten Burgenland erfolgt die Bewertung der einzelnen Leistungen nicht in Punkten, sondern in Eurobeträgen, teilt der Gesundheitsminister in seiner Antwort mit. Für Gesundheitsleistungen bei Fachärzten gibt es vom Augenarzt bis zum Urologen in Oberösterreich jeweils unterschiedliche Punktewerte, die unterschiedlich honoriert werden. In Vorarlberg gibt es beispielsweise ein degressives Punktemodell, bei dem die Honorierung mit der steigenden Zahl der Fälle sinkt.

Minister: Gleicheitsgrundsatz nicht verletzt

Nach Ansicht des Gesundheitsministers liegt trotz der unterschiedlichen Leistungsabgeltung und Honorare nach seinem Ermessen "kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor". Denn im entsprechenden Sozialversicherungsgesetz sei festgehalten, dass es sich dabei um eine Übergangsbestimmung mit übernommenen Verträgen aus der Zeit vor der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur Gesundheitskasse handle.