Wer in sozialen Medien Hassparolen gegen eine andere Person äußert, wer gegen andere Personengruppe hetzt und wer Fotos unter dem Rock macht oder diese auch noch verbreitet, muss künftig mit strengeren Sanktionen rechnen. Das sieht ein umfangreiches Gesetzespaket vor, das am heutigen Donnerstag in der Sitzung des Nationalrats beschlossen wird.

Es ist eines der wenigen Gesetzesvorhaben, das die türkis-grüne Koalition trotz der Fokussierung auf den Kampf gegen die Corona-Epidemie im Gegensatz zu einer Reihe anderer Vorhaben auch mit einer umfassenden Begutachtung breit diskutieren hat lassen. Das Gesetzespaket wurde von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) geschnürt. Zuletzt hat auch die EU-Kommission grünes Licht gegeben, damit ist der Weg zum Inkrafttreten ab 2021 frei.

Was wird mit dem Gesetzbündel gegen Hass im Netz neu geregelt?

Regeln für Kommunikationsplattformen: Das neue "Kommunikationsplattformen-Gesetz" gilt für "in- und ausländischen Anbieter von Kommunikationsplattformen", die mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz in Österreich von über 500.000 Euro haben und die - das ist neu - gewinnorientiert arbeiten. Nicht kommerzielle Plattformen werden also ausgenommen. Gänzlich ausgenommen sind außerdem Handelsplattformen wie "willhaben", Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote und Medienunternehmen. Ebenfalls neu ist die Ausnahme für Videos auf Videoplattformen wie Youtube und in sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Gegen potenziell illegale Videos soll - entsprechend einer EU-Richtlinie - nicht in Österreich, sondern am Sitz der jeweiligen Firma vorgegangen werden. Eine Klarnamenpflicht für Nutzer ist generell nicht vorgesehen.

Löschung innerhalb von 24 Stunden

Löschung rechtswidriger Inhalte: Die Plattformen müssen einen für Behörden und Gerichte erreichbaren, deutschsprachigen Beauftragten nominieren und ein "wirksames und transparentes Verfahren" für die Meldung und Löschung rechtswidriger Inhalte einrichten. Gelöscht werden muss binnen 24 Stunden, wenn die Rechtswidrigkeit "bereits für einen juristischen Laien (...) offenkundig" ist, bzw. binnen 7 Tagen, wenn eine detaillierte Prüfung nötig ist. Über Anzahl und Ergebnis der Meldungen sind jährlich (bzw. ab einer Mio. Nutzern halbjährlich) Berichte zu veröffentlichen.

Beschwerdeverfahren: Umgekehrt soll es aber auch ein Beschwerdeverfahren für die von Löschung oder Sperre betroffenen User geben, um "Overblocking" zu vermeiden. Für eine allfällige Strafverfolgung sind die gelöschten Postings zumindest zehn Wochen zu speichern. Und in der Strafprozessordnung wird geregelt, dass Opfer bei Gericht die Ausforschung des mutmaßlichen Täters beantragen kann (aus Datenschutzgründen wird aber sichergestellt, dass das Opfer nur die dafür notwendigen Daten erhält).

Geldstrafen vorgesehen: Sollten Nutzer mit dem Beschwerdeverfahren unzufrieden sein, können sie sich an die Medienbehörde KommAustria wenden. Diese kann bei wiederholten Verstößen Geldstrafen bis zu 10 Mio. Euro verhängen. Sollte eine Onlineplattform keinen Sitz in Österreich haben, will man die Strafen eintreiben, indem Zahlungen österreichischer Firmen an die Plattform "abgefangen" werden (also z.B. die Zahlungen von Werbekunden an das Online-Unternehmen). Möglich sind auch Geldstrafen gegen die von den Firmen nominierten Beauftragten (bis 10.000 Euro statt bis 50.000 im ersten Entwurf).

Unterlassungsklagen vereinfacht: Erleichtert werden Unterlassungsklagen gegen "Hasspostings" ("Verletzung der Menschenwürde in einem elektronischen Kommunikationsnetz"). Gerichte haben einen Unterlassungsauftrag auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung der Gegenseite zu erlassen, wenn sich die behauptete Rechtsverletzung aus der Klage schlüssig ableiten lässt. Dazu soll es ein Formblatt auf www.justiz.gv.at geben.

Fotos vom Intimbereich ("Upskirting"): Neu geschaffen wird eine Strafbestimmung gegen "unbefugte Bildaufnahmen" des Intimbereichs. Damit wird das sogenannte "Upskirting" verboten und mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft (bzw. ein Jahr, wenn die Bilder veröffentlicht werden). Dies erfasst etwa auch heimliche Bildaufnahmen auf der Toilette oder in der Umkleidekabine, nicht aber Aufnahmen in Badebekleidung im öffentlichen Raum.

Strengeres Vorgehen gegen Cybermobbing

Verschärfung bei Hetze: Gegenüber der bestehenden Rechtslage nachgeschärft wird die "Verhetzung": Derzeit ist nur die Hetze gegen ganze Personengruppen strafbar. Künftig wird auch bestraft, wer gegen Einzelpersonen hetzt, weil sie einer gewissen Religionsgemeinschaft oder Ethnie angehört oder eine Behinderung hat (dies konnte bisher nur als Beleidigung geahndet werden). Der Strafrahmen bleibt mit bis zu zwei Jahren Haft unverändert. Verschärft wird auch das "Cybermobbing", das künftig schon ab dem ersten Posting (und nicht nur, wenn es "fortgesetzt" erfolgt) strafbar sein kann.

Strengeres Medienrecht: Deutlich angehoben werden die Schadenersatzansprüche für Personen, die durch Medien in ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt werden. Derzeit sind maximal 50.000 Euro Entschädigung möglich. Künftig sollen es bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die journalistische Sorgfalt bis zu 100.000 Euro sein. Trotz Kritik weiter geplant: auch Unternehmen sollen gegen Medien vorgehen können, wenn unzulässige Berichte über bzw. Hasspostings gegen Mitarbeiter das Ansehen der Firma schädigen. Dass ein Teil der Neufassung der Persönlichkeitsrechte auch für Verstorbene die NS-Opfer- und Täterforschung "erheblich erschweren" könnte, wie Historiker kritisiert hatten, wurde berücksichtigt. Wissenschaft und Kunst wird nun eine Sonderstellung eingeräumt. Außerdem gibt es mit Ausnahme engster Verwandter eine Zehnjahresfrist für den postmortalen Persönlichkeitsschutz.

Gleichzeitig gibt es auf EU-Ebene Aktivitäten für ein koordiniertes Vorgehen zur Bekämpfung illegaler Inhalte auf Online-Plattformen. Für Österreich hat Europaministerin Edtstadler zugesichert, man werde sich in eine europäische Lösung einbringen. (ett/apa)