Knapp vor Weihnachten wächst der Druck auf die türkis-grüne Bundesregierung, dass Flüchtlinge von der griechischen Insel Lesbos nach Österreich geholt werden. Die Grünen sind dafür, die ÖVP lehnt eine Aufnahme seit Monaten entschieden ab. Nun drängen auch Österreichs katholische Bischofskonferenz und die evangelische Kirchenvertreter auf humanitäre Hilfe.
Angesichts der Notlage im Lager Kara Tepe auf Lesbos solle sich Österreich an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen. Dafür hat sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Salzburg Erzbischof Franz Lackner, am Sonntagabend in der "ZiB2" ausgesprochen. "Eine humane Katastrophe kurz vor Weihnachten ist im Gange", alle Institutionen seien gefordert, zu helfen. "Es ist eine Erste Hilfe von Nöten, von der sich niemand dispensieren kann", sagte Lackner: "Jetzt scheint mir der Moment gekommen zu sein, wo vor allem Familien mit Kindern von dort aufgenommen werden, auch von Österreich".
Zugleich würdigte der Salzburger Erzbischof die von Österreich schon erbrachten Hilfeleistungen. Die Hilfe für Flüchtlingen müsse global erfolgen, es sei aber auch die Europäische Union gefordert. Ein erster Schritt müsse sein, dass die Flüchtlinge von Lesbos auf das griechische Festland verlegt werden.
Schreiben an Bundeskanzler Kurz
Der Wiener Superintendent der Evangelischen Kirche A.B., Matthias Geist, hat einen eindringlichen Appell an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gerichtet, seine Haltung zu überdenken und Flüchtlinge von der griechischen Insel Lesbos in Österreich aufzunehmen. "Bitte ändern Sie und alle Regierungsmitglieder mit Ihnen Ihre Haltung", schreibt Geist in einem Brief an Kurz. "Bedenken Sie bitte kein politisches Kalkül, Allianzen in Österreich oder in der EU, sondern bedenken Sie, ob es nicht jedes kleine Kind wert ist, dass wir ihm helfen - mit allen unseren Mitteln", heißt es in dem der APA vorliegenden Schreiben.
Persönlich an den Bundeskanzler gerichtet appelliert der evangelische Superintendent: "Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu verändern, als hartnäckig zu ihr zu stehen - koste es, was es wolle. Mein Aufruf an Sie ist es, sich hier und heute in Verantwortung für die Menschenleben vor den Toren Europas offen zu zeigen. Ein Evakuieren bedrohter Menschen kann immer - aus Nächstenliebe und/oder humanitären Gründen - erfolgen! Dazu ist jeder gesicherte Ort, jede in sich ruhende Gemeinschaft fähig."
Und weiter schreibt Geist: "Das Schicksal aller Menschen ist uns anvertraut - aller. Auch jener, die nun in Kara Tepe Stunde um Stunde vor dem Nichts stehen und im Leid ausharren müssen. Dieser Zustand lässt Europa in seinen Werten unglaubwürdig werden", wendet sich der Superintendent an den Bundeskanzler.
Die Direktorin des evangelischen Hilfswerks Diakonie, Maria Katharina Moser, machte darauf aufmerksam, dass die Lage nicht nur im Lager Kara Tepe auf Lesbos dramatisch sei, sondern auch auf anderen Inseln. "Insbesondere auch auf Samos und Chios leben Schutzsuchende unter völlig unzumutbaren Bedingungen", so Moser in einer Aussendung. Inzwischen befänden sich in den Flüchtlingslagern auch viele Menschen, die bereits einen offiziellen Schutzstatus erhalten haben. Sie haben keinen Zugang mehr zu staatlicher Unterstützung, können aber auch die Inseln nicht verlassen, erläuterte Moser. Die Diakonie-Direktorin verwies darauf, dass es in Österreich eine breite Welle von Hilfsangeboten gebe und bekräftigte den Appell, Flüchtlinge aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Gleichzeitig rief sie dazu auf, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückzuschicken.
Auf politischer Ebene bekräftigte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch die Forderung, "das Elendslager auf Lesbos sofort zu evakuieren". Deutsch rief die Bundesregierung erneut auf, Kinder aus dem Lager in Österreich aufzunehmen und nahm den Bundeskanzler in die Pflicht. Dass Kurz am Wochenende angekündigte habe, das "Elend der Kinder durch eine Betreuungseinrichtung in Dreck und Kälte zu behübschen, anstatt es endlich zu beenden" ist für Deutsch "schäbig und skandalös".
Für Gottesdienstbesuch trotz Corona-Epidemie
Im Blick auf die Weihnachtsfeiertage verwies der Salzburger Erzbischof auf die kirchlichen Corona-Schutzmaßnahmen, die für die Feier von öffentlichen Gottesdiensten von der Bischofskonferenz festgelegt wurden. So gelte es den Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen und die Hygienemaßnahmen zu beachten. Unter der Voraussetzung, dass man gesund ist und alle Regeln einhält, könne er, Lackner, hinsichtlich eines Gottesdienstbesuches zu Weihnachten nur sagen: "Kommen Sie."
Gefragt nach dem ab 26. Dezember verschärften Lockdown, sagte der Erzbischof, dass die Kirche natürlich "mittun" werde. Die dafür nötigen Klärungen unter den Bischöfen und die Gespräche mit der Regierung müssten aber noch geführt werden.